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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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Nr. 48
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Der Trambahn-Herrenfahrer

Und nach dem Auto- und Motorrad- nun
der Trambahn-Herrenfahrer! Wie es nicht
anders zu erwarten ist, hat der glückliche
Gewinner unseres Wochenrekords, Herr
Mooshuber aus M., einer süddeutschen
Großstadt, bereits lange die 50 hinter sich.
Aber ungebeugt von der Last der Jahre geht
er heute wie einstmals mit der gleichen
Leidenschaft seinem geliebten Sport nach!
Wahrlich, ein Fahrer, der alle Finessen und
Kostbarkeiten einer Trambahnfahrt mit voll-
endeter Meisterschaft nicht nur zu beherr-
schen, sondern auch in vollen Zügen zu ge-
nießen und auszukosten versteht, mit einem

Wort: ein Gourmet der Straßenbahn! Keiner
wie er ist so vollkommen vertraut mit den
Geheimnissen des Umsteigens, keiner lebt
v-ie er in seinen Wagen, die ihm ja alle seit
ihrer frühesten Kindheit so wohlbekannt
sind! Keiner hat wie er die Hand so nahe
am Herzen der Triebwagen wie der An-
hänger seiner Vaterstadt! Die Anzahl der
von ihm gefahrenen Straßenbahnkilometer
grenzt ans Gigantische. Herr Mooshuber
hält auch den bekannten Rekord der Linie 2.
Man schätzt nicht zuviel, wenn man die
Anzahl der Fahrten M.’s auf dieser Linie
mit nahezu 10 000 angibt. Selbstverständ-
lich ist Herr Mooshuber ein völliger Ver-
ächter des beliebten Schwarzfahrens. Er
lehnt es als unvereinbar mit der Würde
eines Tram-Herrenfahrers aufs schärfste ab!
„Überlassen wir den Berufsfahrern und Pro-
fessionals diese leider so allgemeine Un-
sitte!“ erklärte er verächtlich einem ihn
anläßlich seiner Wahl zum „Vollkommensten
Amateur - Trambahn - Herrenfahrer Deutsch-
lands“ interviewenden Reporter. Ausge-
sprochen feind aber ist Mooshuber vor allem
dem leidigen Brauch, beim Eintritt von
Damen aufzustehen: „Wir Herrenfahrer

haben nicht nur das Recht, wir haben sogar
die Pflicht, rücksichtslos zu sein! Wir
wollen wahrhafte ,Herren‘-Fahrer im Sinne
Nietzsches sein! In diesem Sinne heißt es
auch, die regelmäßigen Zusammenstöße mit
den Schaffnern und anderen, berufsmäßigen
Fahrgästen, sorgfältig zu pflegen!“ Nicht zu-
letzt dürfen die ausgedehnten Sammlungen
Mooshubers genannt werden. So besitzt er
zahlreiche Alben mit gesammelten Fahr-
scheinen aus mehreren Jahren, so hängen
an den Wänden seiner Zimmer Tabellen, auf
denen statistisch und bis auf die Sekunde
genau die Zeit angegeben ist, die er im

Laufe sämtlicher Jahre für das Warten auf
Straßenbahnen konsumiert hat! Die Krönung
seines Lebenswerkes aber stellt sein „Lehr-
buch des Trambahnfahrens“ dar, das im

kommenden Jahr abgeschlossen vorliegen
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1930 / JUGEND Nr. 48
Register
Friedrich (Fritz) Heubner: Rekord der Woche
Hans E. Hirsch: Der Trambahn-Herrenfahrer
Josef Geis: Zeichnung ohne Titel
 
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