Vorstehers begleitet, den Zug. Als er fort war, stürzte der Vorsteher
wütend zu Carnegie: „Um Gottes willen! Da haben Sie mir beinahe
eine schöne Geschichte eingebrockt! Das war doch Carnegie selbst!" Und
er zeigte dem verdutzten Milliardär seine Visitenkarte, die der Fremde dem
Beamten gegeben hatte.
CJ)as C^JaLa/ctter
VON WILLY SEIDEL
(Fortsetzung von Seite 773>
„Was für ein Tier denn, um Himmels willen?!"
„Das Tabaktier. — Zunächst fraß es, das sah inan, die Pflanzen-
zucht am Fenster und schmiß dabei die Töpfe herunter. Dann kam eS
näher und legte sich vor mich hin, wobei eS mich blutig ansah. — Und
nun geriet die Familie in Bewegung tind fütterte eS. Und was warf man
ihm vor? — Fleisch, denkst du, oder Brot, oder Knochen? — Weit
gefehlt. Kautabak warf man ihni vor, den es röchelnd aufschnappte;
schwarzbrauner Geiser tropfte auS seinen Lefzen. Einen Absud von alten
Zigarrenstummeln besabberte eS und schlang eS schnarchend. Es stank
erschrecklich nach kalter Asche, Und dann, nach Beendigung seiner ekel-
hasten Mahlzeit, blickte eS wieder zu mir her und ich hörte eS atmen.
Dieser Atem wurde zum Knurren, und — (du wirst eS kaum glauben) —
währenddessen traten ihm Wölkchen von grauem, kaltem Rauch auS allen
Körperöffnungen; auS den Nasenlöchern, auS dem Hintern — ja, sogar—"
(und ArminiuS steigerte die Stimme zum schluchzenden Schrei) — „aus
den Ohren und Augen !!"
„Haste jehört, Ede, for det, wat man bei uns verroocht, könnte
man die Reparationen zahlen/' — „Und for det, wat man ver-
liebt, könnte man janz Europa aufkoofen!"
Meditation
„Wenn ich die Wahl habe zwischen einer guten Zigarette und einem
guten Essen, ist mir ein M a n n noch immer am liebsten."
Ich beruhigte ihn mühsam. „Nun, und dann?"
„bind dann —", stammelte er, „bereitete, das sah ich, daS Bier
eine Attacke auf mich vor. Ein dünnlippigeS Zischen geschah
irgendwo. Man wollte mir übel. Noch saß daS Bier und glupte;
es ließ sich noch etwas Zeit, bis eS den Kautabak von seinen gelben
Raffzähnen hinuntergelutscht. So konnte ich hinter einen Stuhl
retirieren. Und dann schwirrte eine Grainmophonplatte auf, ein
kubanischer Jazz, und eine gellende Stimme, die des Konzipisten,
schrie: ,Nikotina! — Regalia! — Carmen! — Knaster! —
A li s ihn! — Pardon wird nicht gegeben!!^ und ein Zetern geschah.
Währenddessen sprang daS Tabaktier, das furchtbare, einen Schweif
von Qualm hinter sich stoßend wie eine Rakete, mit einem greulichen
Satz mitten auf mich los..."
Er verstummte; Schluchzen schüttelte ihn. Mit vieler Mühe
brachte ich ihn wieder ins Gleichgewicht. — Zart fragte ich: „Aber
du bist doch davongekommen; und das ist doch ein Brost —
„Was Trost! — Meine Lebensarbeit ist hin. Ich bin der großen,
der heiligen Berufung nicht mehr gewachsen. Du weißt, der Schock
dieses Schrecks war so groß, daß ich zwei Wochen lang alles
Gedächtnis verlor. Erst jetzt, als der Kerl (Gott strafe ihn) jeine
Meerschaumspitze wieder hervorzog, fiel mir jenes Furchtbare wieder
ein."
„Ein unschuldiger, ein spießiger Meerschaum-MopS..."
„Nein, nein!!" rief er emphatisch. — „Blinder!! — Siehst
du nicht, daß eS ihr Dämon ist, ihr Götze, dem sie huldigen?! —
Dessen Abbild sie, als Sektenabzeichen, geheimnisvoll mit sich
schleppen, das üblen Zauber ausstrahlt?-Damit feien sie sich.
Es ist vergebens. — Es ist eine ungeheuer zahlreiche, hier u n -
ausrottbare Sekte. Gott wird mir verzeihen, aber ich strecke
die Waffen; strecke — die — Waffen —" — Er siel resigniert
zusammen. —
Seitdem lebt er auf einer einsamen Donauinsel. — Wo er Babak
wittert, flieht er in irren Sätzen. —
XI cv.
C/m OCi öarren
Aufgeregt betritt ein junger Mann mit Hakenkreuz im Knopf-
loch den Zigarrenladen und beschwert sich, daß die soeben gekauften
Zigaretten feucht seien. Der Ladeninhaber betrachtet den Jüngling
und fragt: „Haben Sie vielleicht die Zigaretten hinters Ohr gesteckt?"
778
wütend zu Carnegie: „Um Gottes willen! Da haben Sie mir beinahe
eine schöne Geschichte eingebrockt! Das war doch Carnegie selbst!" Und
er zeigte dem verdutzten Milliardär seine Visitenkarte, die der Fremde dem
Beamten gegeben hatte.
CJ)as C^JaLa/ctter
VON WILLY SEIDEL
(Fortsetzung von Seite 773>
„Was für ein Tier denn, um Himmels willen?!"
„Das Tabaktier. — Zunächst fraß es, das sah inan, die Pflanzen-
zucht am Fenster und schmiß dabei die Töpfe herunter. Dann kam eS
näher und legte sich vor mich hin, wobei eS mich blutig ansah. — Und
nun geriet die Familie in Bewegung tind fütterte eS. Und was warf man
ihm vor? — Fleisch, denkst du, oder Brot, oder Knochen? — Weit
gefehlt. Kautabak warf man ihni vor, den es röchelnd aufschnappte;
schwarzbrauner Geiser tropfte auS seinen Lefzen. Einen Absud von alten
Zigarrenstummeln besabberte eS und schlang eS schnarchend. Es stank
erschrecklich nach kalter Asche, Und dann, nach Beendigung seiner ekel-
hasten Mahlzeit, blickte eS wieder zu mir her und ich hörte eS atmen.
Dieser Atem wurde zum Knurren, und — (du wirst eS kaum glauben) —
währenddessen traten ihm Wölkchen von grauem, kaltem Rauch auS allen
Körperöffnungen; auS den Nasenlöchern, auS dem Hintern — ja, sogar—"
(und ArminiuS steigerte die Stimme zum schluchzenden Schrei) — „aus
den Ohren und Augen !!"
„Haste jehört, Ede, for det, wat man bei uns verroocht, könnte
man die Reparationen zahlen/' — „Und for det, wat man ver-
liebt, könnte man janz Europa aufkoofen!"
Meditation
„Wenn ich die Wahl habe zwischen einer guten Zigarette und einem
guten Essen, ist mir ein M a n n noch immer am liebsten."
Ich beruhigte ihn mühsam. „Nun, und dann?"
„bind dann —", stammelte er, „bereitete, das sah ich, daS Bier
eine Attacke auf mich vor. Ein dünnlippigeS Zischen geschah
irgendwo. Man wollte mir übel. Noch saß daS Bier und glupte;
es ließ sich noch etwas Zeit, bis eS den Kautabak von seinen gelben
Raffzähnen hinuntergelutscht. So konnte ich hinter einen Stuhl
retirieren. Und dann schwirrte eine Grainmophonplatte auf, ein
kubanischer Jazz, und eine gellende Stimme, die des Konzipisten,
schrie: ,Nikotina! — Regalia! — Carmen! — Knaster! —
A li s ihn! — Pardon wird nicht gegeben!!^ und ein Zetern geschah.
Währenddessen sprang daS Tabaktier, das furchtbare, einen Schweif
von Qualm hinter sich stoßend wie eine Rakete, mit einem greulichen
Satz mitten auf mich los..."
Er verstummte; Schluchzen schüttelte ihn. Mit vieler Mühe
brachte ich ihn wieder ins Gleichgewicht. — Zart fragte ich: „Aber
du bist doch davongekommen; und das ist doch ein Brost —
„Was Trost! — Meine Lebensarbeit ist hin. Ich bin der großen,
der heiligen Berufung nicht mehr gewachsen. Du weißt, der Schock
dieses Schrecks war so groß, daß ich zwei Wochen lang alles
Gedächtnis verlor. Erst jetzt, als der Kerl (Gott strafe ihn) jeine
Meerschaumspitze wieder hervorzog, fiel mir jenes Furchtbare wieder
ein."
„Ein unschuldiger, ein spießiger Meerschaum-MopS..."
„Nein, nein!!" rief er emphatisch. — „Blinder!! — Siehst
du nicht, daß eS ihr Dämon ist, ihr Götze, dem sie huldigen?! —
Dessen Abbild sie, als Sektenabzeichen, geheimnisvoll mit sich
schleppen, das üblen Zauber ausstrahlt?-Damit feien sie sich.
Es ist vergebens. — Es ist eine ungeheuer zahlreiche, hier u n -
ausrottbare Sekte. Gott wird mir verzeihen, aber ich strecke
die Waffen; strecke — die — Waffen —" — Er siel resigniert
zusammen. —
Seitdem lebt er auf einer einsamen Donauinsel. — Wo er Babak
wittert, flieht er in irren Sätzen. —
XI cv.
C/m OCi öarren
Aufgeregt betritt ein junger Mann mit Hakenkreuz im Knopf-
loch den Zigarrenladen und beschwert sich, daß die soeben gekauften
Zigaretten feucht seien. Der Ladeninhaber betrachtet den Jüngling
und fragt: „Haben Sie vielleicht die Zigaretten hinters Ohr gesteckt?"
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