lagen auf der Hochhalde zerstreut wie Stein-
trümmer und waren nicht zu sehen. Und zu
seinem Hof war sommers eine halbe Weg-
stunde. Vorerst war der Pfad noch ausge-
treten, hernach nahm er instinktmäßig die
Richtung zum Hof. Er trat in Schneelöcher,
stolperte über verwehte Granitbrocken. Sein
Weib lag jetzt im Bett und hatte Arme, Brüste
und Schenkel. „Geh her, mich friert", sagte er.
Er lag in einer Mulde und war zum Aufstehen
^u faul.
In der nächsten Nacht lag sein Leichnam
dem mit Hobelspänen gefüllten Sarg in der
chlafstube des Parleitnerhofes. In der Fin-
rnis hungerten gelb die Flammen zweier Un-
schlittkerzen, auf dem Boden knieten zwei Wei-
ber- und Männergestalten und beteten die Ge-
heimnisse deS schmerzhaften Rosenkranzes. Die
WirtSnandl und zwei Burschen von den nächsten
Höfen waren zur Totenwacht gekommen. Aber
das Mädchen mußte des öfteren das hinter ihr
kniende Mannsbild auf die Hände schlagen,
die sich immer wieder an ihren Beinen oder
Hüften verirrten, und manchmal prustete die
Parleitnerdirn loS, deren Leib der Kitzel auf-
regend erschütterte, wenn der andere Bursch sie
mit dem Fingernagel an der nackten Ferse
schabte, die wie eine frischgegrabene Kartoffel
auS dem zerrissenen Strumpf lugte.
Nebenan erhellte eine tiefhängende elektrische
Birne grell den niedrigen Wohnraum. In der
Mitte, als hätte sie der Schmerz von rückwärts
über den Tisch geschlagen, saß die Bäuerin,
hörte das Beten wie ein fernes Geräusch. Sepp,
der Knecht, schritt in Socken hinter ihr auf und
ab. Sie wandte sich um: „Allweil rennst um-
einander! Magst net auch beten für den
Bauern?" Der lachte grob, packte sie an der
Schulter. Sie stieß gegen ihn. Trotzdem kam
sein Gesicht näher. „Der Herr geb ihm die
ewige Ruh", trompetete draußen die Stimme
der Vorbeterin, „bind das ewige Licht leuchte
ihm! Im Namen des DaterS und des Sohnes
und deS heiligen Geistes amen." Weder der
Sepp noch die Bäuerin bekreuzigten sich. Die
Vier kamen aus der Kammer.
„Setzt euch und eßt", sagte die Bäuerin.
Der Sepp zog sein Stilett und schnitt mächtige
Keile vom Brotlaib. Marie, die Dirn, saß bei
dem älteren Burschen am Ofen, Nandl mit dem
^ackl auf der Wandbank zwischen den zwei
Fenstern. Sie holten sich Bier, Brot und
Wurst, redeten vom Tod des Bauern. „Er
hätt net soviel saufen sollen", sagte die Nandl
spitz, „dann hätt ihn der Teufel net geholt!"
Mit weißem Gesicht kam die Bäuerin hoch:
„Dein freches Maul hältst!" Geärgert erzählte
die Nandl von den Skifahrern und wie der
Bauer geschrien hatte: Sepp, laß das Weib
aus! Marie stieß ihren Nachbar an. Die
Bäuerin tat wie kleine Käfer, wenn sie in
Gefahr sind: die stellen sich dann tot. Der
Sepp ging langsam auf das Mädchen los.
Sie saß wie ein schmaler, boshafter Teufel.
„Daß ich dich net abbrich, Zaunlatten du! Aber
dich haut ja noch der Schullehrer!" Er legte
soviel Verachtung in seine Worte, daß sie sich
krümmte. Dann setzte er sich wieder. Da
trumpfte sie auf: der Teufel habe den Bauern
geholt, schilderte die Erscheinung vor der Haus-
tür und wie der Bauer gelacht habe: Bist auch
da, alter Teufel? Durch das verdrossene und
auch gruselige Schweigen, das sich dann breit
machte, hörten sie alle vom Stall herüber
Ketten klirren. Ein Stück Vieh mochte auf-
gestanden sein.
„Du sei net so frech!" sagte Nandl, schlug
dem Jackl klatschend auf die Hand. Sie ent-
wand sich ihm, trotzte zum Fenster hinaus.
"3effaö, JessaS", gellte sie auf, lief weit weg,
mit dem Finger ins Dunkel weisend. Auch die
Gesichter der andern spitzten sich im Schreck.
ist er weg", sagte sie. „Der Schwarze
war draußen!"
Der Sepp war aufgesprungen: „Verrückte
Gans!" Seine Wut über das Verhalten der
Bäuerin sprang hemmungslos gegen das
Mädel. „Kriech deiner Mutter untern Rock,
statt daß du dich zu Mannsbildern setzt!. Wo
ist er denn, dein Teufel? Zerreißen tu ich ihn!"
Er riß das Fenster auf. „Heh!" brüllte er
hinaus. Die andern sahen, wie er zurückfuhr.
Die Bäuerin überlief es siedend, eS könne ihm
etwas passieren. „Sepp!" schrie sie überlaut.
Der drehte sich nicht um, stand steif, beugte sich
vor, zurück, hob den einen Arm, den andern.
Fing zu lachen an. „Geht her", sagte er, „der
tut euch nichts wenn ich euch nichts tu." Seit-
D a s Trio
Alfred K u b i n
trümmer und waren nicht zu sehen. Und zu
seinem Hof war sommers eine halbe Weg-
stunde. Vorerst war der Pfad noch ausge-
treten, hernach nahm er instinktmäßig die
Richtung zum Hof. Er trat in Schneelöcher,
stolperte über verwehte Granitbrocken. Sein
Weib lag jetzt im Bett und hatte Arme, Brüste
und Schenkel. „Geh her, mich friert", sagte er.
Er lag in einer Mulde und war zum Aufstehen
^u faul.
In der nächsten Nacht lag sein Leichnam
dem mit Hobelspänen gefüllten Sarg in der
chlafstube des Parleitnerhofes. In der Fin-
rnis hungerten gelb die Flammen zweier Un-
schlittkerzen, auf dem Boden knieten zwei Wei-
ber- und Männergestalten und beteten die Ge-
heimnisse deS schmerzhaften Rosenkranzes. Die
WirtSnandl und zwei Burschen von den nächsten
Höfen waren zur Totenwacht gekommen. Aber
das Mädchen mußte des öfteren das hinter ihr
kniende Mannsbild auf die Hände schlagen,
die sich immer wieder an ihren Beinen oder
Hüften verirrten, und manchmal prustete die
Parleitnerdirn loS, deren Leib der Kitzel auf-
regend erschütterte, wenn der andere Bursch sie
mit dem Fingernagel an der nackten Ferse
schabte, die wie eine frischgegrabene Kartoffel
auS dem zerrissenen Strumpf lugte.
Nebenan erhellte eine tiefhängende elektrische
Birne grell den niedrigen Wohnraum. In der
Mitte, als hätte sie der Schmerz von rückwärts
über den Tisch geschlagen, saß die Bäuerin,
hörte das Beten wie ein fernes Geräusch. Sepp,
der Knecht, schritt in Socken hinter ihr auf und
ab. Sie wandte sich um: „Allweil rennst um-
einander! Magst net auch beten für den
Bauern?" Der lachte grob, packte sie an der
Schulter. Sie stieß gegen ihn. Trotzdem kam
sein Gesicht näher. „Der Herr geb ihm die
ewige Ruh", trompetete draußen die Stimme
der Vorbeterin, „bind das ewige Licht leuchte
ihm! Im Namen des DaterS und des Sohnes
und deS heiligen Geistes amen." Weder der
Sepp noch die Bäuerin bekreuzigten sich. Die
Vier kamen aus der Kammer.
„Setzt euch und eßt", sagte die Bäuerin.
Der Sepp zog sein Stilett und schnitt mächtige
Keile vom Brotlaib. Marie, die Dirn, saß bei
dem älteren Burschen am Ofen, Nandl mit dem
^ackl auf der Wandbank zwischen den zwei
Fenstern. Sie holten sich Bier, Brot und
Wurst, redeten vom Tod des Bauern. „Er
hätt net soviel saufen sollen", sagte die Nandl
spitz, „dann hätt ihn der Teufel net geholt!"
Mit weißem Gesicht kam die Bäuerin hoch:
„Dein freches Maul hältst!" Geärgert erzählte
die Nandl von den Skifahrern und wie der
Bauer geschrien hatte: Sepp, laß das Weib
aus! Marie stieß ihren Nachbar an. Die
Bäuerin tat wie kleine Käfer, wenn sie in
Gefahr sind: die stellen sich dann tot. Der
Sepp ging langsam auf das Mädchen los.
Sie saß wie ein schmaler, boshafter Teufel.
„Daß ich dich net abbrich, Zaunlatten du! Aber
dich haut ja noch der Schullehrer!" Er legte
soviel Verachtung in seine Worte, daß sie sich
krümmte. Dann setzte er sich wieder. Da
trumpfte sie auf: der Teufel habe den Bauern
geholt, schilderte die Erscheinung vor der Haus-
tür und wie der Bauer gelacht habe: Bist auch
da, alter Teufel? Durch das verdrossene und
auch gruselige Schweigen, das sich dann breit
machte, hörten sie alle vom Stall herüber
Ketten klirren. Ein Stück Vieh mochte auf-
gestanden sein.
„Du sei net so frech!" sagte Nandl, schlug
dem Jackl klatschend auf die Hand. Sie ent-
wand sich ihm, trotzte zum Fenster hinaus.
"3effaö, JessaS", gellte sie auf, lief weit weg,
mit dem Finger ins Dunkel weisend. Auch die
Gesichter der andern spitzten sich im Schreck.
ist er weg", sagte sie. „Der Schwarze
war draußen!"
Der Sepp war aufgesprungen: „Verrückte
Gans!" Seine Wut über das Verhalten der
Bäuerin sprang hemmungslos gegen das
Mädel. „Kriech deiner Mutter untern Rock,
statt daß du dich zu Mannsbildern setzt!. Wo
ist er denn, dein Teufel? Zerreißen tu ich ihn!"
Er riß das Fenster auf. „Heh!" brüllte er
hinaus. Die andern sahen, wie er zurückfuhr.
Die Bäuerin überlief es siedend, eS könne ihm
etwas passieren. „Sepp!" schrie sie überlaut.
Der drehte sich nicht um, stand steif, beugte sich
vor, zurück, hob den einen Arm, den andern.
Fing zu lachen an. „Geht her", sagte er, „der
tut euch nichts wenn ich euch nichts tu." Seit-
D a s Trio
Alfred K u b i n