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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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Nr. 51
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https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0805
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wärtS drängten sie heran und sahen den Nebel
wie eine Wand, vom Licht hinter ihnen fahl
beschienen. In der Tiefe, ungeheuer, mit ent-
setzlich ausholender Geste, langte ein schwarzer
Arm übermenschlich ins Grau, wuchs ein Haupt,
ein Oberkörper ihnen überweltlich entgegen: das
Nachtgespenst. Es war der Riesenschatten des
Sepp, den das Licht in die Nebelmauer proji-
zierte. „Das Hab ich auch noch nicht gewußt",
lachte der Jäckel. „Macht die Fensterläden zu",
bat die Bäuerin, „unheimlich ist's doch!" Der
Sepp schloß das Fenster, ging zum Ofen, wo
die Holzschuhe standen. Die andern überlief
ein Grausen, als er hinausklapperte.

„Mich frierts", sagte Nandl. „Ich möcht
lieber einen Kaffee als das kalte Bier. Bäuerin,
darf ich einen kochen in der Küche?" „Meinet-
wegen!" jagte die. Nandl lockte dem Jackl:
„Geh mit, darfst die Kaffeemühle reiben!" Die
zwei andern lachten. Jackl nahm noch eine
Wurst und ging mit. Sepp schloß von draußen
die Fensterläden. Im Stall blökte ein Kalb
mit kurzen, hastigen Atemstößen. „Jetzt ist
das Stierkalbl ledig worden", sagte die Marie,
erhob sich, blinzelte ihrem Burschen zu. „Daß

du das Stierkalbl net für den Teufel an-
fchaust!" lachte der und folgte ihr.

Als der Sepp hereinkam und erfuhr, wo die
andern feien, lachte er: „Nun haben wir Zeit
für uns!" „Wir sind schuld", sagte die Bäue-
rin, „der Herrgott verzeih mir die Sünd!" Der
Sepp war ehrlich erstaunt: „Einen Rausch hat
er gehabt." — „Er hat gesoffen, weil er's
gewußt hat!" Das Gerede machte den Knecht
zornig: „Derselbige ist schuld, der den Nebel
gemacht hat. Die Hauptsache ist, daß wir
beide einig sind."

Sie lachte höhnisch: „Möchtest Parleitner
werden jetzt? Das ist noch net ausgemacht."
Sepp sah einen Augenblick rot: „Hast vielleicht
jetzt einen andern für den Hof?" Seine Augen-
brauen zogen sich lvie dicke Raupen zusammen.
Das reizte sie: „Könntest nichts machen da-
gegen!" Da packte er sie so brutal an den
Armen, daß sie in den Knien schwach wurde.
„Halt das Maul!" zischte er sie an, „überall
tät ich es nausschreien, daß du mein Mensch
gewesen bist, solang der Bauer noch gelebt hat.
So, jetzt kannst schreien! Mir gehörst!" Er
ließ sie los. „Ich gehör mir", sagte sie hoch-

atmend. Der harte Griff des Mannes hatte
das Weib in ihr gelockert. Er sah ihre Brüste
in der knapp geknöpften Jacke auf und nieder
gehen. Er mochte den Ton kennen, langte
ruhig nach dem Messer. Sie schreckte ächzend
hoch. Er lachte: „Ich schneid dir bloß ein Brot
ab. blnd da ist eine Wurst. Du hast den
ganzen Tag nichts gegessen und mit leerem
Magen ist der Mensch ein Narr." Er stieß
das Messer in den Laib, daß der Griff schräg
in die Höhe ragte: „Iß!" Während sie aß,
allmählich mit dem Genuß des zurückgedrängten
und nun jäh ausbrechenden Hungers, liebkoste
er ihr Hals und Schultern. Sie wehrte sich
kaum, unterlag ihm und ihrer Sinnlichkeit.
„Hörst nicht auf!" Sie erschrak: „Horch!"

„Die Bodenstiegen hat gekracht", lachte der
Sepp, hob sie hoch, setzte sich, zog sie auf
seine Knie. „Ist noch nie anders gewesen auf
einer Totenwacht. Das Leben muß vom Tod
was haben, sonst iS es eh nichts wert." Seine
Hand legte sich breit auf ihren Schenkel.

Gepolter über der Zimmerdecke. Sie wollte
hoch. „Ist bloß ein Stuhl umgefallen in der
Magdkammer! Herrgott, Resl: Arme hast und
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Anton Faistauer: Stilleben
 
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