einen Hals, und wo man dich packt!" An ihrer
Jacke sprang ein Knopf nach dem andern auf.
Über ihnen war nichts zu hören.
2jn einem langen schwarzen Gehrock, taume-
lig, trat der Parleitner durch die Kammertür.
jjn der Rechten hielt er noch das Sterbekreuz,
in der Linken ein paar Hobelspäne. Er sah
nichts als fein Weib, Jacke und Hemd waren
über die Schultern geglitten und ihr saftiges
Fleisch lag in den harten Fingern — nun ja,
das war der Knecht. Das Sterbekreuz fiel zu
Boden. Die Bäuerin riß den Mund so weit
auf, daß sie statt eines Schreies nur ein
Röcheln ausstieß. Der Sepp, unter ihrer Last,
stotterte: „Sakrament, der Bauer..." Dieser
ging schwankend, stier auf die beiden los, die
sich nicht rührten, stürzte her zum Tisch und
faßte das Messer im Brotlaib. Wie zwei Blitze
fuhren die Hände der Bäuerin an seinen Arm,
oerkrallten sich, ihre Zähne gruben über dem
Knöchel in seinem Fleisch. „Hundsteufel, bis-
siger!" knirschte er, packte sie mit der freien
Linken im Genick. Aber da hatte sich schon
der Knecht um den Tisch herum hinter ihn
geschlichen und ihm die klobigen Finger an den
Adamsapfel gelegt und drückte zu. Der Bauer
riß den Mund auf, gurgelte, verdrehte die Aug-
äpfel. Mit den Armen schlagend brach er dem
Knecht unter den Händen weg in die Knie.
Die Bäuerin rannte zur Tür, verriegelte sie,
kam zurück. Vier Augen hingen gierig an dem
Sterben deö Bauern.
Tritte über ihnen. „Schnell" sagte der
Sepp. Sie legten den Toten wieder in den
Sarg. Beim Herausgehen sah die Bäuerin das
Sterbkreuz liegen, hob es auf, reichte es rück-
wärts hinein.
Der Knecht schob den Riegel zurück. Sie
schaute ihre Hände an: „Wir haben ihn um-
gebracht." „Hättest dich lieber erstechen lassen?"
Er ließ ihre Augen nicht locker. „Jetzt gehören
wir zusammen: Wann ist Hochzeit?" — „Im
Frühjahr", sagte sie. Er nickte: „Ist gut! Mach
dein Gewand zu, bist halbert nacket!" — „Um
Gottswillen!" Sie knöpfte zu. Dann führte
er sie in den Herrgottswinkel: „Da legst dich
her und schläfst!" Gehorsam streckte sie sich
aus. „Ich kann die Wand nicht anfehen!"
stöhnte sie. „Mach die Augen zu, dann siehst
nichts", befahl er heiser. Sie preßte das Fleisch
der Arme in die Augenhöhlen. „Jetzt seh ich
ihn erst recht." — Der Sepp, am Tisch wie
schlafend, gab keine Antwort.
Die andern kamen. Nandl trug den Kaffee.
„Wo kommen die Hobelspäne her?" fragte sie
und stieß mit dem Fuß hin. Die Bäuerin schrie
leise auf. „Was meinst" sagte der Sepp und
wurde bleich. Das Mädchen lachte: „Ihr seid
aber geschreckt. Nichts ists weiter." Sie schenkte
ein. Der Knecht schaute sie forschend an, als
sie vor seinem Gesicht herumhantierte: „Viel-
leicht wär's besser gewesen, wenn du keinen
Kaffee gekocht hättest!"
„Ist nichts passiert in der Küchel", eiferte
sie, „nicht daß du etwa glaubst..." Sie ver-
wirrte sich. Jackl lachte vor sich hin. Der
Knecht schüttelte den Kops, als müsse er eine
Fliege vertreiben, griff nach einer Schale, trank
sie durstig aus. „Jestas!" schrie Marie er-
schrocken, „jetzt hast dem Bauern seinen Kaffee
auSgetrunken!" Sepp sah sie verständnislos an.
Die andern lachten. „Mein Gott", sagte die
Dirn, „aus dem Haferl hat halt bloß der
Bauer selber trinken dürfen. Siehst, Bäuerin,
jetzt Hab ich ganz vergessen, daß der Bauer
tot ist."
Die Frau war ohne Bewegung gelegen.
Jetzt erhob sie sich halb: „Man sieht, wo du
deine Gedanken hast. Schaut euer Gewand an,
ihr zwei!"
Die Gerügten nestelten beschämt an ihren
Jacken.
f^^ßhorisrnen
VON JOHANNES NACHT
Geiz ist unter den Lastern deshalb am meisten Die Kleider geben uns den ersten Unterricht
gehaßt, weil sich aus ihm nicht das geringste in der Verstellung.
Kapital schlagen läßt.
Die Natur schuf den Zweifüßer zum Herrn
Mitleid ist wie ein Gift: in kleiner Dosis regt der Erde. Der Mensch hätte einen Tausend-
füßer dazu für nötig gehalten.
«-
WaS ein rechter Idealist, ist ein Spießbürger
— der Materie gegenüber.
es Liebe an, in großer tötet es sie.
Ä-
Den einen erschlagen die Schicksalöschläge,
aus dem anderen schlagen sie Funken.
805
Jacke sprang ein Knopf nach dem andern auf.
Über ihnen war nichts zu hören.
2jn einem langen schwarzen Gehrock, taume-
lig, trat der Parleitner durch die Kammertür.
jjn der Rechten hielt er noch das Sterbekreuz,
in der Linken ein paar Hobelspäne. Er sah
nichts als fein Weib, Jacke und Hemd waren
über die Schultern geglitten und ihr saftiges
Fleisch lag in den harten Fingern — nun ja,
das war der Knecht. Das Sterbekreuz fiel zu
Boden. Die Bäuerin riß den Mund so weit
auf, daß sie statt eines Schreies nur ein
Röcheln ausstieß. Der Sepp, unter ihrer Last,
stotterte: „Sakrament, der Bauer..." Dieser
ging schwankend, stier auf die beiden los, die
sich nicht rührten, stürzte her zum Tisch und
faßte das Messer im Brotlaib. Wie zwei Blitze
fuhren die Hände der Bäuerin an seinen Arm,
oerkrallten sich, ihre Zähne gruben über dem
Knöchel in seinem Fleisch. „Hundsteufel, bis-
siger!" knirschte er, packte sie mit der freien
Linken im Genick. Aber da hatte sich schon
der Knecht um den Tisch herum hinter ihn
geschlichen und ihm die klobigen Finger an den
Adamsapfel gelegt und drückte zu. Der Bauer
riß den Mund auf, gurgelte, verdrehte die Aug-
äpfel. Mit den Armen schlagend brach er dem
Knecht unter den Händen weg in die Knie.
Die Bäuerin rannte zur Tür, verriegelte sie,
kam zurück. Vier Augen hingen gierig an dem
Sterben deö Bauern.
Tritte über ihnen. „Schnell" sagte der
Sepp. Sie legten den Toten wieder in den
Sarg. Beim Herausgehen sah die Bäuerin das
Sterbkreuz liegen, hob es auf, reichte es rück-
wärts hinein.
Der Knecht schob den Riegel zurück. Sie
schaute ihre Hände an: „Wir haben ihn um-
gebracht." „Hättest dich lieber erstechen lassen?"
Er ließ ihre Augen nicht locker. „Jetzt gehören
wir zusammen: Wann ist Hochzeit?" — „Im
Frühjahr", sagte sie. Er nickte: „Ist gut! Mach
dein Gewand zu, bist halbert nacket!" — „Um
Gottswillen!" Sie knöpfte zu. Dann führte
er sie in den Herrgottswinkel: „Da legst dich
her und schläfst!" Gehorsam streckte sie sich
aus. „Ich kann die Wand nicht anfehen!"
stöhnte sie. „Mach die Augen zu, dann siehst
nichts", befahl er heiser. Sie preßte das Fleisch
der Arme in die Augenhöhlen. „Jetzt seh ich
ihn erst recht." — Der Sepp, am Tisch wie
schlafend, gab keine Antwort.
Die andern kamen. Nandl trug den Kaffee.
„Wo kommen die Hobelspäne her?" fragte sie
und stieß mit dem Fuß hin. Die Bäuerin schrie
leise auf. „Was meinst" sagte der Sepp und
wurde bleich. Das Mädchen lachte: „Ihr seid
aber geschreckt. Nichts ists weiter." Sie schenkte
ein. Der Knecht schaute sie forschend an, als
sie vor seinem Gesicht herumhantierte: „Viel-
leicht wär's besser gewesen, wenn du keinen
Kaffee gekocht hättest!"
„Ist nichts passiert in der Küchel", eiferte
sie, „nicht daß du etwa glaubst..." Sie ver-
wirrte sich. Jackl lachte vor sich hin. Der
Knecht schüttelte den Kops, als müsse er eine
Fliege vertreiben, griff nach einer Schale, trank
sie durstig aus. „Jestas!" schrie Marie er-
schrocken, „jetzt hast dem Bauern seinen Kaffee
auSgetrunken!" Sepp sah sie verständnislos an.
Die andern lachten. „Mein Gott", sagte die
Dirn, „aus dem Haferl hat halt bloß der
Bauer selber trinken dürfen. Siehst, Bäuerin,
jetzt Hab ich ganz vergessen, daß der Bauer
tot ist."
Die Frau war ohne Bewegung gelegen.
Jetzt erhob sie sich halb: „Man sieht, wo du
deine Gedanken hast. Schaut euer Gewand an,
ihr zwei!"
Die Gerügten nestelten beschämt an ihren
Jacken.
f^^ßhorisrnen
VON JOHANNES NACHT
Geiz ist unter den Lastern deshalb am meisten Die Kleider geben uns den ersten Unterricht
gehaßt, weil sich aus ihm nicht das geringste in der Verstellung.
Kapital schlagen läßt.
Die Natur schuf den Zweifüßer zum Herrn
Mitleid ist wie ein Gift: in kleiner Dosis regt der Erde. Der Mensch hätte einen Tausend-
füßer dazu für nötig gehalten.
«-
WaS ein rechter Idealist, ist ein Spießbürger
— der Materie gegenüber.
es Liebe an, in großer tötet es sie.
Ä-
Den einen erschlagen die Schicksalöschläge,
aus dem anderen schlagen sie Funken.
805