L. V. K r e i b i g
„Wissen's, wann i net seit z'wanzg Jahr bei an Herrn
General Toilette wischen derft', war' i vielleicht a kommu-
nistisch gesinnt!"
CJ)er C^Xaufer geden b
cir
EINE GROTESKE?
VON WILHELM LICHTENBERG
Ich ging also ins große, bestrenommierte Warenhaus, um mir einen
Trenchcoat zu kausen. Einen neuen Mantel mußte ich haben. Sonst
hätte ich mir den Einkauf — bei diesen Zeiten — noch überlegt.
Man empfing mich in dem großen Warenhaus, als wäre ich der Emir
von Deludfchistan. Man bediente mich wie ein weiches Ei. Man hüllte
mich in Watte und in hundert Trenchcoats.
Endlich hatte ich den paffenden gefunden. Über den Preis wurden wir
rasch einig. 2^0 Schilling österreichischer Währung. Der Preis schien
mir angemessen und ich sagte ja.
Da fragte mich der Abteilungschef, der selbst den Verkauf überwachte:
„Haben Eie ein Dokument bei sich, verehrter Herr?"
Ich blickte sehr erstaunt. Ein Dokument? Seit wann ist es üblich,
Dokumente mitzubringen, wenn inan sich einen neuen Trenchcoat um
230 Schilling kauft? Ich verneinte also.
Der Abteilungschef meinte mit dem Lächeln eines Märchenonkels:
„Aber der Herr werden doch irgend etwas bei sich haben? Legitimation,
Heimatschein, Meldeschein?"
„Nein", sagte ich, schon etwas nervös geworden. „Ich habe weder
eine Legitimation noch einen Heimatschein bei mir. Sie werden mir doch
meinen Trenchcoat auch ohne Ausweis geben. Ein Trenchcoat ist doch
keine Repetierpistole, zu der man einen Waffenschein braucht."
„Bedaure", meinte der Abteilungschef noch um einige Grade märchen-
hafter, „eine ganz kleine Legitimation brauchen wir eben doch. Können
Sie uns wenigstens Ihre Adresse angeben, mein Herr?"
„Ja, die kann ich Ihnen angeben." Ich nannte sie. Daraufhin gab
der Chef einem Jungen Auftrag, rasch ein Auto zu nehmen und an der
angegebenen Adresse nachzufragen.
Ich wollte sehr wütend werden, aber zwei Verkäufer drängten mich
überaus liebenswürdig in einen kleinen Salon und baten mich, hier nur
eine ganz kleine Weile zu bleiben. Ich konnte mich in diesem kleinen Salon
mit Kognak, Zigarren und Sandwiches bedienen. Gerade als ich vier
Kognaks und ein halbes Dutzend Sandwiches zu mir genommen hatte,
erschien strahlend der Abteilungschef: „Mein Herr, es stimmt altes. Der
Kauf geht in Ordnung. Hier haben Sie zwei Dutzend Erlagscheine. Sie
zahlen Ihren Trenchcoat in 24 Monatsraten."
„Pardon", sagte ich, durch die Kognaks schon ein wenig in Stimmung
gebracht, „ich brauche Ihre Erlagscheine nicht. Ich zahle die 250 Schil-
ling bar."
Der Abteilungschef erstarrte, erbleichte, wankte, tappte nach rückwärts,
der Türe zu. Er war im Augenblick keines Wortes mächtig. Mit weit
aufgerissenen 'Augen blickte er mich an. Plötzlich hatte er tastend die
Schnalle erreicht, riß die Türe auf und schrie angstvoll hinaus: „Er. . .
zahlt gegen bar ...!"
Ein beispielloser Tumult entstand in der Ntodeabteilung des Waren-
hauses. Was draußen vorging, konnte ich in meinem kleinen Salon nicht
genau vernehmen. Ich hörte nur ein erregtes Durcheinander von Stimmen,
tlnd zwischendurch immer den einen Satz: „Er zahlt gegen bar . .."
Jetzt wurde mir die Sache zu dumm, ich wollte mich entfernen. Energisch
klinkte ich die Türe auf. Es ging nicht. Man hatte mich eingeschlossen.
Ich war gefangen. Ich, ein Käufer, der bereit war, 230 Schilling bar
auf den Tisch des Warenhauses zu legen.. .
Nach einer Weile wurde der Schlüssel von außen zweimal umgedreht.
Ein hünenhafter Mann erschien auf der Schwelle: „Hausdetektiv. Legi-
Bedingungen
„Wie, Kleines, wollen wir vielleicht den Weihnachtsabend
gemeinsam verbringen?"
„Meinetwegen, aber Rabatt jebe ick uff Sentimentalitäten
nich !"
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„Wissen's, wann i net seit z'wanzg Jahr bei an Herrn
General Toilette wischen derft', war' i vielleicht a kommu-
nistisch gesinnt!"
CJ)er C^Xaufer geden b
cir
EINE GROTESKE?
VON WILHELM LICHTENBERG
Ich ging also ins große, bestrenommierte Warenhaus, um mir einen
Trenchcoat zu kausen. Einen neuen Mantel mußte ich haben. Sonst
hätte ich mir den Einkauf — bei diesen Zeiten — noch überlegt.
Man empfing mich in dem großen Warenhaus, als wäre ich der Emir
von Deludfchistan. Man bediente mich wie ein weiches Ei. Man hüllte
mich in Watte und in hundert Trenchcoats.
Endlich hatte ich den paffenden gefunden. Über den Preis wurden wir
rasch einig. 2^0 Schilling österreichischer Währung. Der Preis schien
mir angemessen und ich sagte ja.
Da fragte mich der Abteilungschef, der selbst den Verkauf überwachte:
„Haben Eie ein Dokument bei sich, verehrter Herr?"
Ich blickte sehr erstaunt. Ein Dokument? Seit wann ist es üblich,
Dokumente mitzubringen, wenn inan sich einen neuen Trenchcoat um
230 Schilling kauft? Ich verneinte also.
Der Abteilungschef meinte mit dem Lächeln eines Märchenonkels:
„Aber der Herr werden doch irgend etwas bei sich haben? Legitimation,
Heimatschein, Meldeschein?"
„Nein", sagte ich, schon etwas nervös geworden. „Ich habe weder
eine Legitimation noch einen Heimatschein bei mir. Sie werden mir doch
meinen Trenchcoat auch ohne Ausweis geben. Ein Trenchcoat ist doch
keine Repetierpistole, zu der man einen Waffenschein braucht."
„Bedaure", meinte der Abteilungschef noch um einige Grade märchen-
hafter, „eine ganz kleine Legitimation brauchen wir eben doch. Können
Sie uns wenigstens Ihre Adresse angeben, mein Herr?"
„Ja, die kann ich Ihnen angeben." Ich nannte sie. Daraufhin gab
der Chef einem Jungen Auftrag, rasch ein Auto zu nehmen und an der
angegebenen Adresse nachzufragen.
Ich wollte sehr wütend werden, aber zwei Verkäufer drängten mich
überaus liebenswürdig in einen kleinen Salon und baten mich, hier nur
eine ganz kleine Weile zu bleiben. Ich konnte mich in diesem kleinen Salon
mit Kognak, Zigarren und Sandwiches bedienen. Gerade als ich vier
Kognaks und ein halbes Dutzend Sandwiches zu mir genommen hatte,
erschien strahlend der Abteilungschef: „Mein Herr, es stimmt altes. Der
Kauf geht in Ordnung. Hier haben Sie zwei Dutzend Erlagscheine. Sie
zahlen Ihren Trenchcoat in 24 Monatsraten."
„Pardon", sagte ich, durch die Kognaks schon ein wenig in Stimmung
gebracht, „ich brauche Ihre Erlagscheine nicht. Ich zahle die 250 Schil-
ling bar."
Der Abteilungschef erstarrte, erbleichte, wankte, tappte nach rückwärts,
der Türe zu. Er war im Augenblick keines Wortes mächtig. Mit weit
aufgerissenen 'Augen blickte er mich an. Plötzlich hatte er tastend die
Schnalle erreicht, riß die Türe auf und schrie angstvoll hinaus: „Er. . .
zahlt gegen bar ...!"
Ein beispielloser Tumult entstand in der Ntodeabteilung des Waren-
hauses. Was draußen vorging, konnte ich in meinem kleinen Salon nicht
genau vernehmen. Ich hörte nur ein erregtes Durcheinander von Stimmen,
tlnd zwischendurch immer den einen Satz: „Er zahlt gegen bar . .."
Jetzt wurde mir die Sache zu dumm, ich wollte mich entfernen. Energisch
klinkte ich die Türe auf. Es ging nicht. Man hatte mich eingeschlossen.
Ich war gefangen. Ich, ein Käufer, der bereit war, 230 Schilling bar
auf den Tisch des Warenhauses zu legen.. .
Nach einer Weile wurde der Schlüssel von außen zweimal umgedreht.
Ein hünenhafter Mann erschien auf der Schwelle: „Hausdetektiv. Legi-
Bedingungen
„Wie, Kleines, wollen wir vielleicht den Weihnachtsabend
gemeinsam verbringen?"
„Meinetwegen, aber Rabatt jebe ick uff Sentimentalitäten
nich !"
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