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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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Nr. 52
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https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0824
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schwebten: „Stellen Sie sich den Effekt vor,
wenn solche Schirme aus einem Zeppelin
zur Erde glitten! Müßte das nicht wie
ein FriedenSgaSangriff wirken??
Wie?? WaS?? Sie Schurke zögern mit
der Antwort, zweifeln?? Raus!! Raus,
Sie Ungläubiger!! An eurem ortho-
doxen blnglauben geht ihr ka-
putt!! Raus!!"

Unter mir, mit mir rollte die Lauftreppe,
schleuderte mich auf die gewöhnliche Straße.
Mit ängstlich zugehaltener Nase kaufte ich
einen gewöhnlichen Tannenbaum, und Mut-
ter sagte: „Jottjott, das hat ja so ekelhaft
lange gedauert! Immer, in allem und jedem
machst du deine Umwege!" Stimmt. Aber
weder auf Wegen noch Umwegen habe ich
jenen Laden jemals wieder entdecken können . .

(Ojiga QOe,LXyiaä,i

Aus einem Gespräch im Wiener Kauf-
leuteverband:

„Der einzige, der dieses Jahr ein gutes
Weihnachtsgeschäft macht, ist Wobrezol."

„Wieso gerade Wobrezol? Er ist doch
Waffenhändler!"

„Na eben darum. Er hat eine Riesen-
reklame steigen lassen unter der Marke:
,Die kluge Wienerin denkt an den Bürger-
krieg und legt ihren Lieben unter den Christ-
baum die gute Wobrezol-Pistole!* Und tat-
sächlich ist sein Lager auch, schon fast auS-
verkauft."

Kat.

QOünfcL

Man schrieb bereits den 20. Dezember,
und immer noch wartete man im Büro der
„WeihnachtSmann-A.G." vergeblich auf
größere Bestellungen. Endlich beschloß der
Inhaber, der alte Herr Weihnachtsmann,
persönlich nach dem Rechten zu sehen und
— eS koste was es wolle — Aufträge her-
einzuholen. Er ließ sich deshalb, um unlieb-
samen Verwechslungen mit Hermann Bahr
oder Rabindranath Tagore zu entgehen, den

George Grosz

Kraftgefühl

„Forte, fortissimo, Ännchen, die Leute unter uns sollen nich vielleicht jlooben, daß
wa uns durch die Miesemacherei den janzen Weihnachtszauber verderben lassen!"

schönen, schlohweißen Bart abnehmen und be-
gab sich auf die Geschäftstournee.

Zuerst besuchte er, wie sich das versteht, den
großen Adolf Hitler.

Der deutsche Duce empfing ihn mit dem
römischen Gruß und sprach also:

„Sind Sie ein Vertreter der französischen
oder anglo-amerikanischen Presse, so nehmen
Sie bitte Platz und gleichzeitig zur Kenntnis,
daß ich die bestehenden Verträge loyal erfüllen
werde. Ein ausführlicher Aufsatz über meine
Ziele liegt im Sekretariat für Sie bereit, gegen
ein Zeilenhonorar von zehn Dollars steht er
Ihnen zur Verfügung. Sind Sie Vertreter der
deutschen Presse, so hören Sie stehend meinen
Schwur, daß ich die Schandverträge zerreißen
und die Ketten brechen werde. Sind Sie Ver-
treter des Bank- und Börsenkapitals, der mir

eine Einladung zum Sektfrühstück überbringt,
so danke ich Ihnen und nehme selbstverständlich
an. Sind Sie ein Arbeitnehmer, so verweise ich
Sie auf mein Buch, das zum Preise von
vier Mark fünfzig Aufschluß über meinen
unerbittlichen Kampf gegen das raffende Kapital
gibt..."

Hier mußte der große Redner endlich einmal
Atem holen, und diese Pause benutzte der alte
Herr Weihnachtsmann, um schüchtern zu Le-
merken:

„Sie verzeihen, ich bin nämlich der Weih-
nachtsmann und wollte..."

„Deutsch? Deutschstämmig?" fragte Hitler
kurz.

„Jawohl. Rein arisch. Einziges christliches
Geschäft am Platze!"

„Dann bringen Sie mir ein Sofakissen. Der-

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Register
R. Lindner: Junggesellen-Weihnacht
Kat.: Heilige Weihe-Nacht
Hans Seiffert: Wünsche
George Grosz: Kraftgefühl
 
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