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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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Nr. 52
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https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0825
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standen? Auf der einen Seite soll stehen: ,Deutschland erwache!' Und
auf der anderen: ,Nur ein Viertelstündchen!" Und damit: Heil Hitler!"

Der Weihnachtsmann notierte die Bestellung in seinem Auftragsbuch
und fuhr zum Reichskanzler Brüning.

Der empfing ihn sofort mit der Frage:

„Haben Sie Ihre Preise schon gesenkt?"

„Jawohl, Exzellenz!" beeilte sich der Weihnachtsmann zu erwidern.

„Und hat sich Ihr Geschäft dadurch gebessert?"

„Ganz und gar nicht, Exzellenz."

„Tja, dann ist also Senkung der Preise auch nicht der richtige Weg,
die Krise zu überwinden. Dann müssen wir es eben weiter bloß mit
Senkung der Löhne versuchen!" sagte der Kanzler gedankenvoll.

„Und was haben Exzellenz persönlich für Weihnachtswünsche?"

Der Kanzler dachte ein paar Augenblicke nach, dann sagte er:

„Ich möchte eine Kurbel. Verstehen Sie — eine richtige Kurbel.
Bequem zu handhaben und recht groß. Sehr groß. Zur Ankurbelung
der Wirtschaft, nicht wahr, Sie verstehen?"

„Vollkommen, Exzellenz!" entgegnete der Weihnachtsinann, notierte
auch diesen Auftrag und lenkte seine Schritte zu einem ganz gewöhnlichen
deutschen Bürger der besseren Kreise.

Kaum hatte er sich zu erkennen gegeben, so bekam der bessere
Bürger eine Zornessalte zwischen den buschigen Brauen und fragte
scharf:

Sparmaßnahme

„Na, na, bei der schlechten Wirtschaftslage derf ma sich heuer
als rechtschaffener Mensch nur a k loa ns Christbäumerl stehl'n!"'

Josef Sauer

Mißlungener Nikolo

//Hu — hu — hast du auch nichts Unrechtes getan, liebes Kind?"
„Na, außer mit Ehana net, g'nä Herr!""

„Der Weihnachtsmann sind Sie? Dann sind Sie also auch ver-
antwortlich für die Erzeugnisse der Spielwarenindustrie, Herr?"

„Allerdings!" erwiderte der Weihnachtsmann.

„Dann lasten Sie sich gesagt sein, Herr, daß das so nicht weiter
geht! Sie bringen lauter technisches Spielzeug auf den Markt,
elektrisches und mechanisches und optisches und was weiß ich.
Glauben Sie, Herr, wir hätten Lust, uns vor unseren Kindern zu
blamieren, wenn wir denen so etwas schenken und wissen nicht ein-
mal mit diesen verrückten neuen Sachen umzugehen? Der letzte Rest
von Autorität geht in die Binsen . .."

„ünd was darf ich Ihren Kindern statt dessen zu Weihnachten
bringen?" erkundigte sich der Weihnachtsmann höflich.

„Na was denn sonst als Bleisoldaten! Bleisoldaten mit schwarz-
weißroten Fahnen, ünd für den Fritz eine Kürassieruniform mit
Pallasch!"

Auch diesen Auftrag notierte der Weihnachtsmann, dann suchte
er den deutschen Schriftsteller Emil Ludwig — known the world

(Dine CJ)ame redei tvethna

Lesen Sie doch nur mal dieses Weihnachts-Inserat,
da juckt Ihnen die Haut nach allerlei! —

Wo steht denn, was man dieses Jahr in Pelz zu tragen hat —
wie bring ich meinem Dicken das nur bei?

Nämlich vorgestern hat er wieder fürchterlich krakeelt.

Er behauptet, die Preissenkungen schaden

im allgemeinen und besonders, weil es ihm an Zaster fehlt —

er hätte sich mit Lager überladen.

Na ich bitt' Sie, meine Liebe, was kümmert denn das mich?

Man kann doch wohl noch Weihnachten feiern!

Bin ich seine Freundin oder bin ich es nich?

Da soll er mir kein Pleitelied vorleiern.

Überhaupt, wenn ich denke! Wo könnte man heut sein,
wenn man andre Männer mehr beachten möchte!

Ich laß mich leider immer nur aus Sport mit andern ein.

Mehr geschäftlicher Ernst wäre doch das Rechte.

Also wenn mir mein Dicker keinen neuen Pelz umhängt,
dann geh ich aus Geschäftssinn mehr fremd.. .

Mit dem Pelz vom letzten Winter! und im Kleingeld so beschränkt! —
man hat wirklich schon kaum noch das Hemd!

Walther C. F. Lierke

8Z4
Register
Josef Sauer: Mißlungener Nikolo
Anton Leidl: Sparmaßnahmen
Walther C. F. Lierke: Eine Dame redet weihnachtlich
 
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