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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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Nr. 52
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https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0827
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Q (Je i L n a ßi fsp oeju

Eine deutsche Lebensversicherungsbank ver-
sendet zu Weihnachten Proben dieser neuartigen
Form der Poesie. „Wo die Wirtschaft blüht",
heißt ein alter Spruch, „da hat die Dichtkunst
zu lachen". (Aber man glaube nicht, durch Geld
sei ein Genie zu überzeugen!) Man lese viel-
mehr die folgenden Verse, die im Auftrag eben
dieser DersicherungSbank verfaßt sind, lind be-
achte, wie hier Homer und Richard Wagner
genial zu einer höheren Einheit verbunden sind:

ie vnii lOO Jo

„Weihnachten werde nun wahr, was während
des Jahres war Wille!

Zaudernd verlierest du nur unwiederbringliche
Zeit.

Selbstlos sorg' für die Deinen als liebender,
gütiger Vater,

Weit in die Zukunft hinein nimm ihnen Kummer
und Not!

Dankbare Liebe lacht dir, hell leuchtend gleich
festlichen Lichtern.

Ist für die Deinen gesorgt, fühlst du das
köstlichste Glück."

Dann heißt es, mit einer leichten Wendung
zur Prosa und zum Realismus, weiter: „Billiger
als zum Selbstkostenpreis kann keine Anstalt
den Versicherungsschutz bieten, und bei uns
haben Sie diesen Vorteil. 100% aller erzielten
Überschüsse fließen den Versicherungsnehmern

iu.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Noch hübscher aber ist eine andere Probe
dieser Poesie: Eine mittelalterliche Mönchshand-
schrift in Faksimile, mit alten Neumen, rot und
schwarz gedruckt, mit blauen Ini-
tialen, zeigt das Lied „Es ist ein
Reis entsprungen" . . . Blättert
man um, liest Lied und Haupttext
durcheinander, so ergibt sich fol-
gendes:

„Es ist ein Reis entsprungen
aus einer Wurzel zart" — „Die
für 1930 festgesetzten Überschuß-
anteile betragen für die nach den
Tarifen A, B u. a. überschußan-
teilberechtigten Versicherten 36,2%
auf den Jahresbeitrag und außer-
dem 3,7% auf das Deckungs-
kapital." -— „Wie uns die Alten
sungen, von Jesse kam die Art."
— „Unverbindliche Anfrage: Was
kostet die Lebensversicherung für
mich, meine Frau, ineinen Sohn,
ineine Tochter?" — „Und hat ein
Blümlein bracht, mitten im kalten
Winter." — „Zahlbar beim Tode
sofort, spätestens aber nach io, 13,
20,23,30,33 Dersicherungsjahren.
Das Gewünschte ist zu unter-
streichen." — „DaS edle Reis ich
ineine, davon EsaiaS sagt, hat uns
gebracht alleine Marie die reine
Magd." — „Auto-Haftpflicht:
Wieviel BremS-?5? Auto-Unfall:
Wieviel Auto-Insassen?" — „AuS
Gottes hohem Rat, hat sie ein
Kind geboren wohl zu der halben
Nacht." — „Ich bin zu Haufe
am . . . um .. . Uhr ... Anfrage
iind Auskunft verpflichten mich in
keiner Weife." —

Sollte da nicht ein Zettel bei-
gelegt werden: „Lest unsere Weih-
nachtspoesie! Aber versichert euer
Leben v 0 r h e r ! — weil Gefahr
ist, daß ihr euch totlacht!"

Telia

,Friede auf Erden und . . .

,Danke, haben wir vor zwei Stunden schon im Radio gehört/“

l(jetkncißiiis-

C^^efcorJe

Was ist Weihnachten ohne Re-
kord! Die simple Lyrik unsrer Alt-
vordern aus dem vorigen Jahr-
hundert mag sich ohne Rekord
beholfen haben; uns Lebenden des
20. Jahrhunderts genügt das
längst nicht mehr. Ein paar Zif-
fern mögen die Fortschritte auf
diesem Gebiete belegen:

826
Register
Herbert Marxen: Segen der Technik
Teha: Weihnachtspoesie mit 100%
Th.: Weihnachtsrekorde
 
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