Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

DOI issue:
Nr. 25
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0395
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
rote oren

Kuno Fischer, der berühmte Philosoph der
Heidelberger Universität, war nicht eben eitel.
Den Wirklichen Geheimen Rat sprach ein
Schüler folgendermaßen an: „Wenn Exzellenz
gestatten, würde ich das Thema ,Goethe als
Novellist' zur Grundlage meiner Arbeit machen,
falls Exzellenz meinen sollten ..."

Kuno Fischer unterbrach mit einer beschwich-
tigenden Handbewegung: „Nicht so oft Exzel-
lenz ... nur hie und da ..."

Bei einer andern Gelegenheit dozierte er,
exkursierend, über den Wert von Titeln, mit
dem Ergebnis, der Doktortitel sei der einzige
von Wert und Würde. Als ihn aber ein junger,
forscher Student in seiner Wohnung besuchte
und konsequent mit „Herr Doktor" ansprach,
zeigte ihm Kuno Fischer, aus der Fassung
gebracht, die Türe mit den Worten: „Der Arzt
wohnt im ersten Stock!"



Letzte Rettung

„Schließlich bleibt ihnen ja immer noch

das Wiederaufnahmeverfahren im Jenseits!"

An der Budapester Universität lehrte ein
Professor namens Schwarz, der ebenfalls den
Titel eines Geheimrates trug. Ein Student im
ersten Semester wußte es nicht und wagte die
natürliche Anrede: „Herr Professor."

Der Professor schnitt ihm das Wort ab und
schnauzte: „Sagen Sie gleich Schwarz zu
mir...!"

Verlangt es die Würde eines preußischen
Professors, seinen jüdischen Namen abzutun?
Dr. Dessauer tat es jedenfalls, und so wurde
der angesehene Professor Dessoir.

Im Krieg aber kannte man keine Rücksicht,
und als einmal ein Eingeweihter gefragt wurde:
„Wp ist Dessoir?" — antwortete er stracks:
„Im Piffauer."

C. Dur

CJ)er cJfyiiifi)

VON LILy GRÜN

Jede Frau, die im Leben gefällt

Und die was auf ihre Vergangenheit hält,

Hat irgendwann mal einen Schuft gehabt.

Ich spreche hier nicht so überhaupt und allgemein,
Daß jeder einzelne von ihnen ein Schwein ist —

nein,

Ich meine den, der ausgerechnet damals kam,
Als man sich zum erstenmal das Leben nahm,
Als man eben aufhören wollte zu existieren,
Und gerade dabei war zu konstatieren,

Daß auf dieser Welt alles dumm und verkehrt ist
blnd kein einziger Mensch etwas wert ist.

Da kam er und war einfach unwiderstehlich
blnd wir mußten langsam und allmählich
Und trotz enormem Widerstreben
Wieder gerne leben!

Das dauerte so ein Jahr oder zwei
blnd dann war eines Tages alles vorbei.

Eines Morgens hatte er einfach genug,

Ganz ohne Grund. Wir wurden niemals daraus

klug.

Bedenken Sie doch, Frauen wie wir es jind,
Halb rührendes Weib, halb dämonisches Kind,
Mit männlichem Geist und Ehrgefühl
Und dazu noch wandelndes sex appeal,

Konnte, durfte einer verlassen! —

So einen Kerl kann man nur hassen!

Aber selbst wenn wir mit Geist und Psychologie
Dies alles verstehn,

Eins verstehn wir ja nie:

Warum in wenigen Tagen, Wochen und Stunden
Alles, was nett und lieb war, verschwunden
Und was übrig blieb, war einzig und allein
Ein ganz brutales, gemeines Schwein. —

DaS haben wir uns furchtbar zu Herzen

genommen

Und sind dann darüber hinweggekommen.
Sehen Sie, meine Herrschaften, das ist ein Schuft.
Und eine Frau, die bereits dreißig vorbei,

Wer, wo oder was sie auch sei,

Und die sagt, sie habe niemals nie den leisesten
Anflug von einem Schuft gehabt,
Von dieser Frau behaupte ich glatt,

Egal, wie sie aussieht, lacht oder spricht:

Mit dieser Frau stimmt etwas nicht!

394

-
Index
Anton Leidl: Letzte Rettung
C. Dur: Von der Würde der Professoren
Lili Grün: Der Schuft
 
Annotationen