Omnibus, bcL- auf dem nassen Asphalt rutscht,
wortlos aneinander werfen. „Du bist doch
nicht eifersüchtig, Nell?" — „Eifersüchtig ist
man, wenn nian liebt." — „Aber du liebst
mich doch nicht?!" — „Natürlich nicht,
Konny." — „Wunderschön, wie ehrlich wir
sind", sagt einer von beiden. Im nächsten
Moment werden sie mit schmerzhafter Wucht
aufeinander geschleudert. Nell fahrt mit dem
abwehrend ausgestreckten Arm durch die
Scheibe und hängt plötzlich schräg über dunk-
lem Wasser, klber ihre Schläfe läuft ein
schmaler, roter Streifen. Der Omnibus droht,
über das Brückengeländer zu stürzen.
Wenn man Konny und Nell eine halbe
Stunde früher gefragt hätte, was sie in einer
solchen Situation tun würden, hätten sie sich
ohne Zweifel dafür entschieden, auf dem
schnellsten Wege den Omnibus zu verlassen.
In diesem Moment aber spürt Konny nichts
als die Nässe der blutigen Schläfe. „Ich
glaub, ich sterbe, Konny", flüstert Nell, blnd
dann in demselben rührungsfeuchten Don, in
dem wahrscheinlich ihre Großmutter „ich liebe
dich" gesagt hätte, „-ich habe gelogen". —
„Ich habe gelogen", antwortet Konny, und
erst nach dieser Versicherung, die ihnen schein-
bar größere Freude macht als es gewöhnlich
bei Aufdeckung einer Lüge der Fall ist, denken
sie daran, den Omnibus zu verlassen.
„Ich bin eigentlich zu jung, um dieselben
Torheiten zu machen wie irgendeine Nell aus
der Biedermeierzeit", erklärt Nell, als sie
unten etwas ernüchtert bemerkt, daß sie an
der Schläfe nur einen Kratzer hat, und durch-
aus keine Todesgefahr vorliegt. „Du bist aber
auch zu jung, um gar keine Torheiten zu
machen", sagt Konny entschieden. Der Auto-
verkäufer aber, der trotz Monokel und Oxford-
hosen ein Philosoph ist, denkt, während er die
Ouittung für die Anzahlung ausschreibt, dar-
über nach, daß diese beiden jungen Leute,
trotzdem sie scheinbar ganz von den Einzel-
heiten des Autos und der Abzahlung in An-
spruch genommen sind, in ihrem amerikanischen
Kleinauto genau so töricht oder vernünftig
sein werden wie ihre belächelten Großeltern
aus dem Plüschsosa der guten Stube oder der
heimlichen Waldbank mit den eingeritzten
Herzen.
Rangerhöhung
„Im neuen Jahr heeße ick mir janz einfach ,Kokotte' und schlage dafür
zehn Prozent druff!"
ajisjtnn
Ein Schullehrer gibt seinen Schülern einen
Aufsatz auf, der zum Thema hat: „Wie ich mir
meine Zukunft vorstelle." Der kleine Isaak
HO
überreicht am nächsten Tage folgenden Aufsatz:
„Mein Wunsch ist, ein schönes Konfektions-
geschäft zu haben, und alle meine Bemühungen
werden dahin gehen, diesen Plan zu verwirk-
lichen. In meinem Geschäft werde ich nur ganz
erstklassige Ware zu sehr mäßigen Preisen
führen, und demzufolge erlaube ich mir, Sie,
Herrn Lehrer, von jetzt an zu meinen geschätzten
Kunden zu zählen."
(Din
£Tro(t’.
Der Arbeitgeber-Verband in M. empfahl
kürzlich seinen Mitgliedern den Bezug eines
Heftchens „Ende des Kapitalismus.?", das bei
der Geschäftsstelle des Verbandes zu haben fei.
Ich schicke unseren Boten, den biederen alten
Krause, hin, um ein Exemplar holen zu lassen.
Alö er mittags zurückkommt, sagt er: „Ja, das
Ende des Kapitalismus ist noch nicht da! Sie
sollen aber telephonisch Bescheid kriegen, wenn
es kommt."
Seitdem sehe ich allen bolschewistischen und
sonstigen blmsturzgelüsten mit Ruhe entgegen.
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wortlos aneinander werfen. „Du bist doch
nicht eifersüchtig, Nell?" — „Eifersüchtig ist
man, wenn nian liebt." — „Aber du liebst
mich doch nicht?!" — „Natürlich nicht,
Konny." — „Wunderschön, wie ehrlich wir
sind", sagt einer von beiden. Im nächsten
Moment werden sie mit schmerzhafter Wucht
aufeinander geschleudert. Nell fahrt mit dem
abwehrend ausgestreckten Arm durch die
Scheibe und hängt plötzlich schräg über dunk-
lem Wasser, klber ihre Schläfe läuft ein
schmaler, roter Streifen. Der Omnibus droht,
über das Brückengeländer zu stürzen.
Wenn man Konny und Nell eine halbe
Stunde früher gefragt hätte, was sie in einer
solchen Situation tun würden, hätten sie sich
ohne Zweifel dafür entschieden, auf dem
schnellsten Wege den Omnibus zu verlassen.
In diesem Moment aber spürt Konny nichts
als die Nässe der blutigen Schläfe. „Ich
glaub, ich sterbe, Konny", flüstert Nell, blnd
dann in demselben rührungsfeuchten Don, in
dem wahrscheinlich ihre Großmutter „ich liebe
dich" gesagt hätte, „-ich habe gelogen". —
„Ich habe gelogen", antwortet Konny, und
erst nach dieser Versicherung, die ihnen schein-
bar größere Freude macht als es gewöhnlich
bei Aufdeckung einer Lüge der Fall ist, denken
sie daran, den Omnibus zu verlassen.
„Ich bin eigentlich zu jung, um dieselben
Torheiten zu machen wie irgendeine Nell aus
der Biedermeierzeit", erklärt Nell, als sie
unten etwas ernüchtert bemerkt, daß sie an
der Schläfe nur einen Kratzer hat, und durch-
aus keine Todesgefahr vorliegt. „Du bist aber
auch zu jung, um gar keine Torheiten zu
machen", sagt Konny entschieden. Der Auto-
verkäufer aber, der trotz Monokel und Oxford-
hosen ein Philosoph ist, denkt, während er die
Ouittung für die Anzahlung ausschreibt, dar-
über nach, daß diese beiden jungen Leute,
trotzdem sie scheinbar ganz von den Einzel-
heiten des Autos und der Abzahlung in An-
spruch genommen sind, in ihrem amerikanischen
Kleinauto genau so töricht oder vernünftig
sein werden wie ihre belächelten Großeltern
aus dem Plüschsosa der guten Stube oder der
heimlichen Waldbank mit den eingeritzten
Herzen.
Rangerhöhung
„Im neuen Jahr heeße ick mir janz einfach ,Kokotte' und schlage dafür
zehn Prozent druff!"
ajisjtnn
Ein Schullehrer gibt seinen Schülern einen
Aufsatz auf, der zum Thema hat: „Wie ich mir
meine Zukunft vorstelle." Der kleine Isaak
HO
überreicht am nächsten Tage folgenden Aufsatz:
„Mein Wunsch ist, ein schönes Konfektions-
geschäft zu haben, und alle meine Bemühungen
werden dahin gehen, diesen Plan zu verwirk-
lichen. In meinem Geschäft werde ich nur ganz
erstklassige Ware zu sehr mäßigen Preisen
führen, und demzufolge erlaube ich mir, Sie,
Herrn Lehrer, von jetzt an zu meinen geschätzten
Kunden zu zählen."
(Din
£Tro(t’.
Der Arbeitgeber-Verband in M. empfahl
kürzlich seinen Mitgliedern den Bezug eines
Heftchens „Ende des Kapitalismus.?", das bei
der Geschäftsstelle des Verbandes zu haben fei.
Ich schicke unseren Boten, den biederen alten
Krause, hin, um ein Exemplar holen zu lassen.
Alö er mittags zurückkommt, sagt er: „Ja, das
Ende des Kapitalismus ist noch nicht da! Sie
sollen aber telephonisch Bescheid kriegen, wenn
es kommt."
Seitdem sehe ich allen bolschewistischen und
sonstigen blmsturzgelüsten mit Ruhe entgegen.
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