Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
rd Hallgarten

Alkoholiker genannt
t*" (Bewegung.)
i zu: „Du Gauner!"
erzählen Sie wahr-
Sie eigentlich dabei
i Kopf zogen?"

enen Vater entblößt
jf dev Jpand. Oeiviß
eßefyen Sie aufrichtig
it nur nützen. Man
> Ihrem Dater unter

den Kopf ziehen."

waren

Sie damals nicht

Verteidiger zu Sem und Japhet: „Meine
Herren, sagen Sie doch, warum haben Sie
Ihren Dater verlassen und unter dem Baum
liegen lassen? Sie hätten doch, als Sie sahen,
daß Ihr Vater an einem öffentlichen Ort, nur
mit einem Hemd bekleidet, schlief, Ihren Herrn
Dater zudecken sollen, wenigstens mit einem
Taschentuch. Aber Sie haben Herrn Noah bis
zur Ankunft der Gerichtskommission nackt liegen
lassen." (Große Bewegung.)

Zeuge Sem: „Wir hatten keine Taschen-
tücher, weil wir ebenfalls nur im Hemd waren,
da wir gerade aus dem Weinkeller kamen."

Verteidiger: „Das ist eine seltsame Wirt-
schasi!"

Japhet: „Ich verbitte mir Ihre Er-

mahnungen, Herr Doktor. Unsere Verhältnisse
gestatten uns nicht, uns ein zweites Paar Unter-
hosen zu kaufen. Und da sich der Vorfall an
einem Wochentag ereignete, hatten wir unsere
Feiertagsunterhosen nicht angezogen, um sie
nicht zu ruinieren."

Zeugen gehen ab. Cham lächelt ironisch.

Staatsanwalt: „Lachen Sie nicht, Angeklag-
ter, über so ernste Dinge. Es ist nachgewiesen,
daß Ihre Brüder ordentliche, sparsame Men-
schen sind, die sich bemühen, mit ihren Ein-
nahmen auszukommen. Don Ihnen dagegen ist
bekannt, daß Sie über Ihre Verhältnisse leben.
So besitzen Sie beispielsweise drei Paar Unter-
hosen und tragen sie sogar an Wochentagen
öffentlich zur Schau. Sie sind schon zweihun-

dertsünszig Jahre ohne Beschäftigung und vier-
hundert Jahre muß schon Ihr Vater für Sie
sorgen. Bei der Sintflut haben Sie im ge-
heimen den größten Lumpen, als sie am Er-
trinken waren, in die Arche geholfen und, um
für sie Platz zu schaffen, einige Paare seltener
vorsintflutlicher Tiere über Bord geworfen, wo-

Kasernensonntag

Von Theodor Kramer

Leer widerhallt am Sonntag nachmittag
in der Kaserne Flucht der Schritt, der zag
sich auf die Fliesen setzt; kühl weht der Flur,
der Gurt beengt und rauh ist die Montur.

Die Mannschaftszimmer schimmern reib-
sandrein,

streng ausgerichtet sind die Strohsackreih’n;
die blanken Läufe weh’n zum Weinen sacht
den an, der einsam seine Runde macht.

Nur die Maroden liegen bis zum Kinn
in rauhe Kotzen eingehüllt; das Zinn
der Schalen gleißt, vorm Fenster schwingt

Geäst,

verworr'ne Stimmen schall'n aus dem Arrest.

Der leere Hof neigt kahl die Schläfen vor,
stumm geht der Posten auf und ab vor'mTor;
aus der Kantine weht's nach Wurst und

Schaum,

die Straße rauscht, es rauscht im Hof der

Baum.

durch sie auSgestorben sind. Außerdem hat die
Gendarmerie und das Gemeindeamt ein schlechtes
Leumundszeugnis über Sie ausgestellt."

Hierauf werden die Protokolle der Gerichts-
ärzte verlesen, aus denen hervorgeht, daß Cham
ein pervers veranlagtes Individuum ist, mit
Neigungen zu sexuellen Verirrungen.

Verteidiger: „Im Hinblick auf diesen Aus-
spruch des Herrn Sachverständigen stelle ich den
Antrag, Herrn Cham zur Beobachtung seines
Geisteszustandes in eine Anstalt für Geistes-
kranke zu überführen."

Der Staatsanwalt verwahrt sich dagegen.

Frau Noah ruft von der Galerie: „Sperren
Sie ihn nur ein, den Lausbuben!"

Der Gerichtshof zieht sich zur Beratung
zurück und kehrt nach einer halben Stunde
wieder. Der Vorsitzende teilt mit, daß der
Gerichtshof dem Antrag der Verteidigung ent-
sprochen habe und daß die Verhandlung auf
unbestimmte Zeit vertagt sei.

Damit schließt vorläufig der interessante Pro-
zeß, zu dem wir noch zurückkehren werden. Wir
möchten hier nur eines betonen: Es liegt im
Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege, daß
die Zuhörer von der Galerie nicht herunter-
spucken. Wie kommen die Zuhörer im Saal
dazu, in ihren Haaren Bazillen nach Hause zu
tragen? Wir hoffen, daß dieser Hinweis ge-
nügt, um die Gerichtsverwaltung zum Aufstellen
von Spucknäpfen für die Zuhörer zu veran-
lassen.


WS5

R o d e I p I a t z

Max U n o I d

21
Register
Max Unold: Rodelplatz
Theodor Kramer: Kasernensonntag
 
Annotationen