Deutsche Misere
Von Walther C. F. Lierke
Sie sahen Kaiser samt der Krone schwinden
und sahen ihre Kinder-Waffen stumpfen.
Sie sahen Geld zu lauter Nullen schrumpfen
oder wie Schnitzel flattern mit den Winden . .
Sie spannen vor den festgefahrnen Karren
ewig den müden alten Väter-Gaul,
der sich begnügt, im alten Dreck zu scharren
zum Ziehn ist er zu faul.
Mal bohren sie am Riemenzeug ein Loch,
dann schnallen sie ins alte Loch zurück.
Sie nennen es die deutsche Republik,
und der vertrackte Gaul steht immer noch.
Es ist so schön, nach erblichen Gebräuchen
am Riemenzeug herumzuschnallen.
Es ist so schön, die alten Vogelscheuchen
zu stützen, daß sie ja nicht fallen.
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Jo Sailer
Der Herrenmensch
„Nur immer feste uff alle Kleider jetreten: det wirkt uff sensible Frauen-
naturen dämonisch!"
„Hier die Finger vom Herrn Amtsrichter und da die vom Herrn
Regierungsrat, aber der Daumen ist mir noch ganz unbekannt!"
(Forts, von S. 23>
gleichen Hat sie verleitet, in dem flüchtigen BegeisterungS-
tatßnel eines irregeleiteten Straßenpöbels, in diesem kin-
dischen Putschversuch verantwortungsloser Demagogen den
Eintritt einer neuen Ära zu erblicken. Eine Weltzeitung wie
der »Liberty Herald' hat nicht Platz für hirnlose Phantasien.
Ich stelle Ihnen hiermit Ihren neuen Herrn Chefredakteur
und die neuen Kollegen des innenpolitischen Ressorts vor.
Ich hoffe, daß Sie mich diesmal richtig verstehen, wenn ich
Sie wieder aus die historische Bedeutung des heutigen Dages
aufmerksam mache, ^zch danke ^hnen, meine Herren, und
nun jeder an seine Arbeit!"
Eine Stunde daraus rasen die Boys des „Liberty Herald"
tvieder durch die aufgeregten Straßen, werfen ihre druck-
feuchten Extrablätter unter die Ncenfchen und die knallen-
den Überschriften schreien: „D i e D e r n u n f t hat
gesiegt! Der wahnwitzige Putsch der Rechtsradikalen
kläglich zusammengebrochen?!!"
Die Aktien des „Liberty Herald" schnellen wieder empor.
Auf 218 — 274 — 339 — 422- Diesmal erschießt sich
der Großaktionär Davidson, weil er bei 111 verkauft hatte.
Robert BookmanS Gehalt wird auf 33 000 Dollar erhöht.
Bookman trifft immer den Nagel auf den Kopf.
Wenn die Kommunalbeamten Gehaltserhöhung wünschen,
Bookman läßt den Lokalredakteur für ihre Forderungen ein-
treten. Gleichzeitig veranlaßt er, daß im Handelsteil ein
Artikel erscheint, der die wirtschaftliche blnmöglichkeit nach-
weisi, im Augenblick die Beamtengehälter auszubessern.
Fordern die Hafenarbeiter Lohnaufbesserung — aus einen
Wink BookmanS setzen sich warmherzige Artikel für sie ein.
Natürlich muß er auch die Gegenseite zu Wort kommen
lassen, und so erscheint an anderer Stelle des Blattes ein
Aufsatz der Arbeitgeber, die an Hand ausführlichen Ziffern-
materials belegen, daß eine Lohnerhöhung momentan zu-
mindesi katastrophale Folgen in sich birgt.
Bookman ist ein Genie. Mag es sich um Politik oder
Wirtschaft, um brennende Fragen auS Kunst oder Wissen-
schaft handeln, Bookman besitzt jenen sechsten Sinn, den
man journalistisches Fingerspitzengefühl nennt. Dies Finger-
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