Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

■Wut* „nM1’

xchen >»

-V

lU^tgr^

&*£ Si- -E

."••uu<4 " ^cell>

^^.lblonde
^MlkN vo>
Swßnmn'a
/.,M-' _ -^Kchen

mit


■>&£*

!M

-::, «»irf
giften, trinkt

//'

-:;';4 gtbwben, JS
*** mM*

Äl»>

iintft

»4 fef“ra!

Lmtsch

Ji«** § unf.!

;;,;:,[i(k.»r, tragt b.Cp

m6 *■£ fl

,• ?M tag dltchmsik

«fd bas NX

Die

süftoßen [infe* ®,c 3pPfa^
:^Mflien 35p[e ivaren ai

cJPeöenJe vom (drillen ClJ^eiöli

egende vom

VON KARL

Die Märzensonne strahlte über das Dritte Reich. Es war Sonntag
und die Damen von Berlin XV trugen ihre neuesten Moden: deutsche
Tuche, deutsche Farben mit diskret angebrachten Hakenkreuzmustern durch
den Kurfürstendamm. Endlose Prozessionen wanderten zur Statue des
großen Adolf, welche heute enthüllt werden sollte. Lastkraftwagen
brachten Stahlhelmleute und S.-A.-Mannschaften in nagelneuem Dreß
nack der von der jüdischen Pest befreiten Metropole. Überall war
Feiertag im Dritten Reiche. Die Glocken intonierten feierlich das Horst-
Wesi el-Lied, und die Dichter der neuen Zeit erhoben sich tränenersüllten
Auges von ihren Plätzen. Die treudeutschen Herzen waren zu großen
Hymnen gestimmt, und die Kommerzienräte von katholischem Adel be-
eilten sich, den einfachen Mann im Arbeitskittel zu umarmen. Nur die
Friseure hatten noch alle Hände voll zu tun. Man hatte die längst
bestellten Perücken nicht schnell genug hereinbekommen können: gute,
flachsblonde Perücken für Herren und Damen zweifelhafter Deszendenz.
Eine neue Industrie blühte aus in deutschen Landen, nachdem der Chef
deS neudeutschen Kunstlebens den kosmetischen Fabriken die Herstellung
von Puder und Lippenrot verboten hatte. Germanische Perücken wurden
in Massen hergestellt, und der große Adolf, der gestern die Parade seiner
Liebden abgenommen hatte, strahlte, als ein flachsblondes Menschenmeer
vor seinem faschistischen Gruß erschauerte. Professor Joseph mußte
Überstunden machen. Don morgens bis tief in die Nacht drängten sich
Leidensgefährten in seinen Wartezimmern, und unaufhörlich wurden

SCHOCK

Hakennasen, Adlernasen, Judennasen und andere Nasenmonstrositäten
gehobelt, geschnitten und zurechtgemodelt, bis sie dem neuen vollgermani-
schen Nasenidealtyp ähnelten. Da war ein Hosiannah! in allen Landen.
Ein jeglicher hatte sein Huhn im Topfe und die Arbeiter begannen, sich
ihre Wohnungen mit Klubsesseln einzurichten. An den Grenzen des
Dritten Reiches wurde noch immer fieberhaft gearbeitet. Es galt, das
ganze Reich nach chinesischem Muster mit großen Mauern abzugrenzen.
So gab es Arbeit genug, und Arbeitslose gab es im ganzen Lande nicht
mehr. Die Kommunisten hatte man nach Rußland verfrachtet, die
Sozialdemokraten trugen saubere Anzüge und lasen den „Völkischen
Beobachter". Die Herren von der ehemaligen Staatspartei faßen in
schalldichten Zimmern und setzten eine HuldigungSadresse an den Erretter
Deutschlands aus der Zinsknechtschaft auf.

Noch war das „Romanische" leer. Der germanische Recke an der
Drehtür wartete auf die neuen Gäste. Draußen hing ein Schild: „Heute
frischer Met." Man mußte warten, biö die Enthüllungsfeier vorüber
war. Ein einsamer Herr im schlichten Frühjahrsmantel ging durch die
Straßen und murmelte lange Sätze vor sich hin. Ein S.A.-Mann, der
vielleicht gerade il\ Lenze zählen mochte, stieß plötzlich ein markerschüt-
terndes „Juda verrecke!" aus und stellte dem einsamen Spaziergänger
ein Bein. Dann ging er weiter und nahm den Dank einiger zu Tränen
gerührter, pensionierter Generalswitwen entgegen. Der Gestürzte erhob
sich und wischte sich daS Blut von der Stirne. Aus der ersten Etage
Index
E. W. Kallen: Walroß und Haselroß
Karl Schück: Legende vom Dritten Reich
 
Annotationen