Es war Vorschrift, Handschuhe zu tragen und sich der Partnerin beim
Ganzen nicht mehr als ein Viertelmeter zu nähern, Nur die S.-A.-Leute
hatten Sondererlaubnis und waren begreiflicherweise sehr gefragt, bim
9 Uhr war Polizeistunde. Man ging nach Hause und holte sich die
alten Nummern der Zeitschrift „Trautes Heim" oder die gesammelten
Reden Adolfs aus der Ecke. Man steckte die Füße in Filzlatschen und
erzählte sich das Märchen vom jüdischen Wolf und dem deutschen Rot-
käppchen. Es gab keine Ausländer mehr Ln Berlin. Es gab keine
Pferderennen mehr noch irgendwelche BarS. Jeden Morgen wurde man
von Militärkapellen mit dem Wessellied geweckt. Die Arbeiter konnten
eö nicht abwarten, zeitig genug zur Arbeit zu kommen. In jedem
Maschinensaal, in jedem Büro gab es einen S.-A.-Mann, der mit
Peitsche und Signalpfeife aufpaßte, daß kein unerlaubtes Wort ge-
sprochen wurde. Einmal gab es doch eine Explosion, bei der dreihundert
Arbeiter ums Leben kamen. Da es sich natürlich um eine geheim-jüdische
Verschwörung handelte, wurden kurzerhand drei getaufte jüdische
Bankiers erschossen. Die Arbeiter der Fabrik sangen Dankeslieder und
wanden eine Rose um das Hakenkreuz. Als der letzte Krach der Explosion
verhallt war, wachte ich aus meinem qualvollen Traume auf... die
blhr zeigte sieben. Draußen im Vorsaal klapperte es. Ächzend und
erschöpft von dem alpbeschwerten Schlaf schleppte ich mich in den
Korridor. Der Zeitungsmann hatte die Zeitung eingeworfen...
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