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„Verdammt!" beginnt der Baron zu toben, als er eö merkt, „was
haben Sie gemacht, Sie Hornochse? Das sollen Sie mir teuer bezahlen.

„Hornochse", wiederholte der Neue bedächtig, „ist eine schwere Be-
leidigung, mein Herr, die Sie nicht billig zu stehen Kommen durfte.
Daö Haar, wie ich es geschnitten hätte, wäre tadellos." ^

Aber der Baron springt aus und sängt zu brüllen an: ,/xjd) werde
wochenlang nicht unter die Leute gehen können. In Ziffern ausgedrückt
bedeutet das einen Schaden von Hunderten von Mark."

„Ich bin dagegen in meiner Ehre aufs tiefste verletzt worden , sagt
der Neue beherrscht, und legt leise bebend seine Schere hin. „Ich bin nur
ein Friseur, aber in diesem Punkte sehr empfindlich. Schon einmal bin
ich schwer erkrankt infolge einer Kränkung."

Ein rattengesichtiger kleiner Herr, der im Stuhle nebenan rasiert wird
und mit lebhafter Befriedigung den Auftritt verfolgt, erhebt sich und
sagt geschmeidig zu dem Baron: „Sie sind natürlich völlig im Recht.
Ich bin Jurist. Ich habe die Aufzählung Ihrer Wünsche vorsorglich
mitangehört und biete mich Ihnen als Zeuge an. Selbstredend vertrete
ich Sie; ich werde sofort mit dem Chef der Firma konferieren, durch einen
Vergleich schafft man so etwas am besten aus der Welt. — Über mein
Honorar reden wir noch", setzt er leise hinzu und schiebt eilig ab, mit
Seifenschaum am Ohr, mit der Serviette unterm Kinn, ehe der Baron
Stellung zu dem Vorschlag nehmen kann. Es ruht in diesen Augenblicken
jegliche Tätigkeit in dem Friseursalon; alles wohnt mit Vergnügen dem
kleinen Skandale an und erhofft sich weitere Verwicklungen.

Der Rattengesichtige rudert o-beinig in die rückwärtigen Räume des
Geschäfts, wo der Chef zu finden sein wird, aber der Baron wünscht
diese Einmischung vielleicht gar nicht und läuft ebenso eilig hinterdrein,
und ihm folgt auf dem Fuß der Neue, der offenbar auch mit von der
Partie sein will.

Sie treffen Sartorius in einem kleinen Boudoir der Damenabteilung,
wo er gerade ein Paar Würstchen mit Senf verzehrt. Er schiebt seinen
Teller beiseite und erwartet verbindlich lächelnd die ziemlich aufgeregten
Herren. Der Nattengesichtige fängt sogleich voll Pathos den Fall zu
entwickeln an und läßt einen solchen Schwall von Worten von sich, daß
der Baron kaum Zeit findet, wenigstens die Summe zu fixieren, die er
als Ersatz für die Schändung seines Äußeren verlangt. Er nennt ohne
Wimperzucken zweihundertfünfzig Mark. Der Neue entgegnet darauf,
daß er als Sühne für die Kränkung nur die Hälfte fordere.

Sartorius hat nicht zu lächeln aufgehört. Als er zu Wort kommt, meint
er, daß ihm die ganze Sache aus bestimmtem Grunde äußerst peinlich sei.
„Ich bin", sagt er, „fast möchte ich es bedauern, gewarnt worden
vor einem besseren Herrn, der durch die feinen Frisiersalons zieht,

Verordnung

„Darf ich Faschingsfeste besuchen, Herr Doktor?"

„Gewiß, aber wenn Sie in diesem Kostüm gehen wollen,
müssen Sie den Hals ein wenig warm halten."

C^)evd/cL=am ertLani jeher o«£ wijcLenfall

Auf dem Münchener Hauptbahnhof ver-
ursachten zwei reisende Amerikanerinnen vor
dem W.C. eine an Aufruhr grenzende Volks-
versammlung.

Die eleganten Damen hatten in einem unab-
weisbaren Drange das Ihrige erledigt und
wollten sich in heiterer Stimmung zu ihrem Zug
begeben, als jene Dame, die das Recht dazu hat,
ä io Pfennige von ihnen verlangte.

„Ausgeschlossen!" riefen die beiden Damen.

„Aber san's do' vernünfti', i muß deeS do'
verlanga — i bi' do' als Beamte dazu da, un'
Sö ham do' aa was davo' g'habt", redete die
Bedürfnisdame ihnen eindringlich zu.

„Fällt uns nicht ein!" schrien die eleganten
Damen und wollten weitergehen.

„Halt's öS auf!" zeterte die erbitterte Be-
amtin, ,,mei' Geld will i ham!"

Was rennt das Volk, was wälzt sich dort,
und so weiter. Natürlich dachte die erregte
Öffentlichkeit an Taschendiebe und dergleichen
und nahm drohende Haltung an.

Tobte nun schon die Menge, so war daS,
was die eleganten Damen von sich gaben, über-
haupt nicht mehr zu verstehen. Außerdem taten
sie eS auf englisch. Ihre Hartnäckigkeit schien
eine Katastrophe zeitigen zu sollen. Da trat ein
deS Englischen kundiger Reisender dazwischen
und hob ein feierliches Dolmetschen an.

Was stellte sich heraus?

Daß die Damen ihre Rundreise bei Cook &
Sons inklusive aller Bedürfnisse vorausbezahlt
hatten.

„Cook zahlt alles!" schrien die eleganten
Damen.

Sie waren im Recht. Niemand soll sagen,
daß Amerikaner je etwas Unrechtes begehren;
es stimmt auf den Pfennig, was sie abzurechnen
haben. So auch hier.

Die eleganten Damen wurden nach langen
Verhandlungen überredet, die zwanzig Pfennige
trotzdem zu bezahlen. Seitdem halten sie mit
ihrem skeptischen Urteil über Deutschland nicht
zurück.

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Index
Josef Geis: Zeichnung ohne Titel
Trim: Deutsch-amerikanischer Zwischenfall
Josef Fenneker: Verordnung
 
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