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VON FRANZ JOSEF
Mein Freund Felix aus Graz ist mit mir acht
Jahre auf der gleichen Schulbank gesessen. Wir
hielten uns gegenseitig immer die Waage und
verstanden uns daher sehr gut. Was er über-
trieb, balancierte ich aus. So war er zum Bei-
spiel Vorzugsschüler. Seine schwache Seite
waren nicht Frauen, sondern mathematische
Probleme. Ein unentdecktes 3£ konnte ihm
schlaflose Nächte bereiten, ein A hat ihn einmal
acht Tage ins Bett geworfen. Für ihn war das
ganze Leben ein ewiges Problem, die einfachsten
Dinge verwickelten sich in seinen komplizierten
Gedankengängen zu einem gordischen Knoten.
Den Frauen gegenüber war er sehr skeptisch
und für die Liebe absolut unzugänglich. Außer
seiner Schwester, Mutter und Großmutter hat
er nie ein Mädchen geküßt. Ich mußte ihn
wohl oder übel der guten Freundschaft willen
auch in diesem Punkte ausbalancieren. Ich
erzähle das alles nur, weil es von Bedeutung ist,
um die ganze Tragik des Vorfalles zu
ermessen.
Während ich weiterstudierte, gelang eS
Felix, eine bescheidene Stellung in Staats-
diensten zu erreichen. Da er nicht rauchte
und nicht trank und auch nicht liebte,
gelang es ihm trotz der elenden Bezahlung,
einige Schillinge auf die Seite zu legen.
Als Felix nun kürzlich einen vierzehn-
tägigen Erlaub bekam, hatte er die groß-
artige Idee, eine Reise zu machen, und
zwar wollte er mich besuchen. Ja, und
der Hauptschlager war der, er wollte
sich nicht erst anmelden, sondern mich
regelrecht überraschen. Wie gesagt, er
packte also seine Koffer und trat unter
den Segenswünschen seiner Großmutter,
die erst nach langen und inständigen
Bitten die Bewilligung zur Reise ge-
geben hatte, die Fahrt nach Marseille an.
Als ich eines Abends gegen elf Ehr
nach Hause kam, sagte mir der Portier,
es sei ein kostümierter Herr hier ge-
wesen, der nach mir gefragt habe, er
käme um elf Ehr wieder. Ich dachte
einen Moment nach: „Kostümierter
Herr?" Das wollte mir nicht recht
einleuchten, was um diese Zeit ein
kostümierter Herr von mir wollte. Plötz-
lich ging die Türe von außen wieder
aus und eine Gestalt in einem steirischen
Lodenanzug und einem Ausseer Hut, den
ein großer Gamsbart schmückte, trat ein. Ich
traute meinen Augen nicht, es war Felix. Ich
begrüßte ihn mit aufrichtiger Herzlichkeit,
klopfte ihm auf die Schulter und machte gleich
einen Witz, aber Felix lachte nicht. Er drückte
mir nur stumm die Hand und zwar so fest,
daß eS mir ordentlich weh tat — ja und er
ließ sie gar nicht wieder aus, es war, als
wollte er sich an einem Rettungsanker fest-
klammern. Daher schaute ich ihn an, und ich
erschrak ordentlich, sein gewöhnlich vor Gesund-
heit strotzendes Gesicht war bleich wie eine
Kerze, er sah ganz verstört drein. Enter seinen
Augen zogen sich zwei breite, dunkle Ränder.
„Dich hat wohl die Reise angegriffen, Felix?"
Er sagte nichts, sondern hielt immer nur meine
Hand. „Ja, was ist denn los mit dir?" Da
stammelte er plötzlich: „Mir ist etwas Schreck-
liches passiert!" Inzwischen hatten sich in der
Vorhalle schon einige Leute versammelt, die alle
k. B e c k
neugierig sein merkwürdiges Kostüm anstarrten,
ich nahm ihn also unter den Arm, was er sich
ohne Widerstreben gefallen ließ, und führte ihn
in ein Cafe. Auf dem Wege wollte ich mich
nach Daheim erkundigen, aber es war nichts
aus ihm herauszubringen. Nur einmal kam es
mir vor, als knirschte er zwischen den Zähnen:
„Wer war die Dame?"
Erst beim dritten Mokka, als meine Geduld
schon zu Ende ging und ich ihn anfuhr: „Zum
Teufel, jetzt sag schon einmal, was eigentlich los
ist!", begann er zu sprechen. „Gut, ich komme
doch allein zu keiner Lösung, vielleicht kannst du
mir helfen, ich muß auf jeden Fall und um jeden
Preis Klarheit haben. Hör zu, ich will dir alles
genau erzählen.
Ich fuhr also nach Marseille, um dich zu
besuchen und um die berüchtigte Stadt, die man
auch das Tor des Ostens nennt, zu besichtigen.
Die Reise war wunderschön. (Er wollte sich in
landschaftliche Schilderungen einlassen, ich
schnitt sie ihm jedoch kurzweg ab.)
Ich kam also in Marseille an und
begab inich in dein Hotel. Der Portier
sagte mir, du seiest auswärts und kämst
erst gegen elf Ehr wieder zurück. Ich
hatte also drei volle Stunden vor mir,
ehe ich dich sehen konnte. In ein Cafe
lvollte ich nicht gehen, du weißt, was
einein fremden jungen Menschen für Ge-
fahren drohen und außerdem hat mich
meine Großmutter genauestenö darauf
aufmerksam gemacht. Ich beschloß also,
mir die Stadt in einem kleinen Spazier-
gang anzusehen. Ich bummelte also die
große Straße, ich glaube, sie heißt
Canebiere, hinunter und drehte mich
dann links in die Seitengassen. Da kam
mir plötzlich eine Dame entgegen und
sagte etwas zu mir; ich glaubte, sie ver-
kenne sich, aber höflich, wie man mich zu
Hause erzogen hat, fragte ich sie, was
sie wünsche. (Ich habe zu erwähnen
vergessen, daß mein Freund gebrochen
französisch spricht.) Sie erwiderte dar-
auf: ,zehn Francs!* Ich sagte: ,Je ne
comprends pas!‘ Da zeigte sie mir die
zehn Finger und sagte noch einmal: ,Dix
francs!‘ Ich konnte mir immer noch
nicht vorstellen, was das heißen sollte,
aber ich dachte mir, sie sammle viel-
leicht für ein Wohltätigkeitsinstitut, und
. schien ihr aber
V# # 'ollete
unö sag":
j^jir mm flitan
schließ
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Jahre auf der gleichen Schulbank gesessen. Wir
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verstanden uns daher sehr gut. Was er über-
trieb, balancierte ich aus. So war er zum Bei-
spiel Vorzugsschüler. Seine schwache Seite
waren nicht Frauen, sondern mathematische
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Dinge verwickelten sich in seinen komplizierten
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begrüßte ihn mit aufrichtiger Herzlichkeit,
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