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ich blieb trostlos zurück. DaS ganze Erlebnis
in allen seinen Phasen trat mir wieder durch
daS Gehirn. Alles war mir klar, der Arzt, der
Direktor, der Maler, der Ehegatte, nur eines
wußte ich durch meinen schrecklichen Leichtsinn
nicht: Wer war die Dame? Wer war die
Dame? DaS foltert und quält mich. Das ist
daS einzige Unklare, der einzige schwarze Punkt
in dem ganzen Problem, daS ich fast vollständig
gelöst habe. DaS ist das 3:, ohne das ich kein
klares Resultat erzielen kann." Verzweifelt
schlürfte er den siebenten Mokka.

Felix ist am nächsten Abend wieder abgereist.
Das Fahrgeld bis Graz mußte ich ihm vor-
strecken, denn er behauptet, auf ganz rätselhafte
Weise seine Brieftasche verloren zu haben.

Run sitzt er wohl schon zu Hause, liegt viel-
leicht schon im Bett und fiebert nach diesem
unentdeckten 3:. Ich flehe Sie an, liebe Leser,
helfen Sie! Retten Sie einen Unglücklichen vor
dem sicheren Tode. Vielleicht gelingt es Ihnen,
das Problem zu lösen. Wer war die Dame?

Wenn sie die Lösung gefunden haben, schreiben
Sie erpreß, telegraphieren Sie bitte, ehe es zu
spät ist, an:

Felix Tupferl, Graz, Katzianergasse 7/III.

Qas ,ß

t^CleiniöLeit

nur eine vieiniö*

VON PETER KKICKA

An einem trüben Rovemberabend fing mein
rechtes Ohr sonderbar zu schmerzen an. Ich
beachtete das nicht sehr und betastete das Ohr
nur unwillkürlich von Zeit zu Zeit, aber am
dritten Tage brachte ich schließlich die erforder-
liche Mannhaftigkeit auf und ging zum Arzte.
Der Arzt leuchtete in das Ohr hinein, stocherte
darin herum und sagte freundlich: „Eine ge-
wöhnliche Entzündung des Gehörgangs. Eine
Kleinigkeit. DaS verschwindet in einer Woche."
Er steckte mir einen heißen Pfropfen in das
Ohr, verband mir den Kopf mit einem Gaze-
verband und ich begab mich zufrieden nach
Haufe.

Auf der Treppe begegnete ich dem Brief-
träger. „Ergebenster Diener, Herr Ingenieur,
schön guten Morgen!" lächelte mich der Opfer-
priester Merkurs an. „Was denn, was denn?
Doch nicht etwa, um des lieben Herrgotts willen,
irgendein Unfall?" fuhr er, ernst werdend, mit
ungekünstelter Teilnahme fort. „Gott sei Dank,
durchaus nicht", erwiderte ich höflich und bereit-
willig, „eine gewöhnliche Entzündung des Ge-
hörgangs, eine Kleinigkeit. Das verschwindet in
einer Woche."

Bevor ich daheim die dringendste Korrespon-
denz erledigt hatte, war eS Mittag. Ich ging
zum Essen. „Haben Sie den Krawall bei
Revidentens gehört?" fragte mich mit funkeln-
den Augen im Haustor die Frau HauSmeijterin.
„Die Marka hat per Schub die Kündigung
gekriegt. Der alte Hallodri könnt' auch schon
die Weibsbilder in Ruh lassen ... JessaSmarja!"
schrie sie entsetzt auf und starrte angsterfüllt
mein verbundenes Haupt an. „Was ist Ihnen
passiert?"

„RichtS Besonderes, Frau KonipäSkovü",
beschwichtigte ich die gute Frau, „eine gewöhn-

liche Entzündung des Gehörgangs. Eine Kleinig-
keit. Das verschwindet in einer Woche."

„Ja, der Blinddarm, — das heißt, ich wollte
jagen, das Mittelohr", fuhr beflissen der Herr
Ober in der „Krone" fort und focht mir vor
der Rase mit einer Serviertasse mit Suppen-
töpfchen herum, „das Mittelohr — das ist kein
^paß! Ich weiß, was mein armes Weib ge-
litten hat. Sie jpielt schon das zweite Jahr
damit herum, und sie hat sich geäußert, daß sie
es nicht einmal der Frau Hausmeister wünschen
würde. Ja, das ist zum Verrücktwerden. Illnd
wenn der Mensch ein Stück Gefühl im Leibe
hat«,. . Was gaffst du da herum?" brüllte er
den Pikkolo an, indem er seiner Frage durch eine
genau gezielte Maulschelle Rachdruck verlieh.

„Siehst du nicht, daß der Herr Kontrollor das
Glas leer hat, Blödian?"

„Es ist nicht so schlimm in meinem Fall",
versuchte ich gewandt, meine Worte in den
flotten Redestrom des menschenfreundlichen
Kellners münden zu lasten. „Es ist eine ge-
wöhnliche Entzündung des Gehörganges. Eine
Kleinigkeit. DaS verschwindet in einer Woche."

„Ich will nicht fragen und ich habe nichts
gesagt, flüsterte mir geheimnisvoll Herr blmon,
Raseur und Haarkünstler, zu und seifte eigen-
händig das Stoppelfeld auf ineinen Wangen
ein, „aber ich gebe mich der Vermutung hin...
Pepi, bürste den Herrn ab ... ich gebe mich der
Vermutung hin, daß ich nicht fern von der
Wahrheit bin ... Karl, Serviette und einseifen!

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Index
Carl Barth: Masken
Peter Kricka: Das ist nur eine Kleinigkeit
 
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