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„Ich weiß", sagte Sherlock Holmes, „daß
du einiges Interesse für nieine kleinen, Fälle
hegst. „Oh!" wehrte er ab, „komm mir nicht
damit, daß wir uns nur zur Erholung in der
Schweiz befinden! Mein Geist kann eben ein-
mal nicht stille stehen und während die anderen
Hotelgäste Skilaufen und Tango tanzen, fallen
mir wie von selber gewisse Dinge auf, die der
Polizei — sie scheint übrigens hier nicht besser
als anderswo zu sein — entgehen. Weit ent-
fernt davon, mich in ihre Angelegenheiten
mengen zu wollen, ziehe ich nur meine ge-
wohnten Schlüsse. — Was hältst du von
diesem Ding?" endete er rasch und hielt mir
eine Brille hin.

Ich kannte meinen Freund zu genau, um

ihn an die Pflichten seiner Gesundheit gegen-
über erinnern zu wollen, die eben damals durch
die Anstrengungen in Angelegenheit des dem
Papste gestohlenen FischerringeS schwer erschüt-
tert war. ^zch schwieg also, trat an daS Fenster
und betrachtete die Brille.

„Soviel ich", bemerkte ich, „aus den ersten
Vlick sehen kann, ist ihr Besitzer auf dem rechten
Auge kurzsichtiger als auf dem anderen linken.
Denn daS rechte Glas ist viel abgenützter als
das andere."

Sherlock Holmes nickte anerkennend. „Sehr
gut! ^)ch sehe, du hast dir meine Methode schon
ein wenig zu eigen gemacht. Sie ist, meinen
Begriffen nach, auch nichts anderes als die
Fähigkeit, immer das Naheliegende 31t finden

— und was schließt du noch aus dieser Brille?"

Ich muß ein sehr verständnisloses Gesicht
gemacht haben, denn der berühmte Detektiv
brach in unbändiges Gelächter aus. „Watson",
jubelte er, indes er aus dem tiefen Klubfauteuil
aufsprang, „ich sehe, daß ich doch noch immer
das Vergnügen haben darf, deinen Gedanken
nachzuhelfen. Trägst du mir's nach? — Nun,
sieh her", fuhr er fort, „betrachte doch einmal
die Ohrenspangen!"

Ich hielt das Ding in das helle Mittaglicht,
das auf dem Schnee der Graubündner Berge
flimmerte und sah: ein Haar. Es war ein
graumeliertes, rötliches Haar.

„Solche Haare muß ich schon irgendwo ge-
sehen haben", sagte ich unsicher.
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Hermann Geiseler: Der Clown
A. Malata: Der Hoteldieb
 
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