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J U G

36. JAHRGANG

END

1931 / NR. 28

VON ARKADIJ AWERTSCHENKO

Der Beamte Pljumaschew spaziert am Ufer
des Flusses und schaut ziellos auf den glitzernden
Wasserspiegel. Sein kurzsichtiger Blick sucht
die gelbe Badekabine am anderen User und
bleibt auf einer Gestalt, die bis zu den Knien im
Wasser steht, haften.

„Eine Frau", denkt Pljumaschew und kneift
die Augen zu dünnen Schlitzen zusammen, „bei
Gott, eine Frau und anscheinend eine junge".
Seine dünnen, alten Knie zittern und ein an-
genehmer Schauer rinnt ihm über den Rücken.

„Ach!" seufzt er. „Verfluchte Kurzsichtig-
keit! ... Zu dumm, daß ich kein Fernglas bei
mir habe!" Er wischt sich die Augen und seufzt
wieder.

„Ich sehe da was Gestreiftes, aber, schlagt
mich tot, ich bring nicht heraus, was es ist!
Aha! Da ragt ein Fels aus dem Wasser! Ich

setze mich in das Gebüsch und warte, vielleicht
schwimmt sie näher her."

Schwitzend ersteigt er seine Aussichtswarte,
da erblickt er hinter dichtem Gesträuch, ganz
nah, eine Gymnasiastenmütze. „Da schau her ..
so ein Spitzbube!" seufzt neidisch Pljumaschew,
denn er hat bemerkt, daß der Gymnasiast einen
Operngucker gespannt auf das andere Ufer
gerichtet hält. Der junge Mann dreht sich
Pljumaschew zu, blinzelt kameradschaftlich und
sagt grinsend: „Ah, Sie auch!"

„Gemeiner Kerl! Tut noch vertraut", denkt
Pljumaschew und will sich abwenden. Aber der
Operngucker hält ihn zurück, so daß er sich
neben den Jungen hinkauert und einschmeichelnd
kichert:

„He—he! Neugierig ... lohnt sich's?"

„Das will ich meinen! Sie ist hübsch!"

trumpft der Gymnasiast auf, „die Hüften allein
schon! Und was für schlanke, weiße Beine!"

„Und ... das andere", erkundigt sich Pljuma-
schew mit verhaltener Stimme.

„O, das andere! Ein bißchen rundlich, aber
stramm beinander!"

„Könnten Sie mir ... auf eine Minute...
Ihr Glas leihen?"

Ohne den Operngucker von den Augen zu
nehmen, schüttelt der Bengel verneinend den
Kopf. „O nein, Onkelchen! Sie hätten Ihr
eigenes Glas mitnehmen sollen!"

Pljumaschew streckt die zitternde Hand aus.
„Geben Sie's doch her, für eine Minute!"

„Nicht um viel! Ich Hab' es nicht umsonst
meiner Tante gemaust... Oho ...!"

Der Gymnasiast neigt sich weiter nach vorn
und drückt daS Glas gieriger an die Augen.

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Josef Hegenbarth: In der Sonne
Arkadij Timofejewitsch Awertschenko: Die schöne Frau
 
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