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36. JAHRGANG
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193 1 / NR. 39
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VON DIETRICH LODER
Es war sonst nicht die Gewohnheit Lilians, zu horchen — geschweige
denn, ihren Mann zu belauschen. Sie gehörte nicht zu den Frauen,
die die Freiheiten, welche sie sich selbst gestatten, durch eine erhöhte
Eisersucht gegen den Ehemann auszugleichen suchen. Aber in diesem
Augenblick hatte sie einen Namen vernommen, der sie stutzen ließ. Sie
war vorzeitig nach Hause zurückgekehrt, da sie etwas vergessen hatte,
erfuhr, daß inzwischen Dr. Reinhold zu Alfred, ihrem Mann, ge-
kommen war, und schritt gerade über den weichen Teppich des Salons
auf das Herrenzimmer zu, um Reinhold zu begrüßen, als sie durch den
Vorhang feine Stimme hörte:
„— — der junge Claassen."
Alfreds Antwort kam prompt und lautete überraschend:
„Blech. Das glaub ich nicht."
Daraufhin blieb Lilian unbeweglich stehen und horchte. Nach einer
Weile sagte Reinhold:
„Ich kann mich natürlich irren. Es ist eine Vermutung — keinem
anderen hätte ich dergleichen gesagt. Aber schließlich sind wir seit dreißig
Jahren befreundet, und es muß ja nicht immer der Ehemann der letzte
sein, der etwas erfährt."
„Mein Lieber, deine Gründe sind mir vollkommen klar, blnd ich danke
dir auch. Jeden andern hätte ich nämlich hinausgeworfen. Aber ich
glaube es doch nicht."
„Nun gut. Aber sei nicht blind. Du meidest ja fast alle Gesellschaften,
in die Lilian geht, blnd wenn du dabei bist, dann sitzt du in irgendeinem
Sektwinkel und hörst und siehst nichts. Heute abend ist der Ball bei
Reimers. Gehst du hin?"
„N—n— eigentlich nicht. Warum?"
„Geht Lilian hin?" — „Ich glaube ja."
„Na — der junge Claasen geht auch hin. blnd dreißig andere Leute
Vielleicht entschließt du dich doch."
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Es war sonst nicht die Gewohnheit Lilians, zu horchen — geschweige
denn, ihren Mann zu belauschen. Sie gehörte nicht zu den Frauen,
die die Freiheiten, welche sie sich selbst gestatten, durch eine erhöhte
Eisersucht gegen den Ehemann auszugleichen suchen. Aber in diesem
Augenblick hatte sie einen Namen vernommen, der sie stutzen ließ. Sie
war vorzeitig nach Hause zurückgekehrt, da sie etwas vergessen hatte,
erfuhr, daß inzwischen Dr. Reinhold zu Alfred, ihrem Mann, ge-
kommen war, und schritt gerade über den weichen Teppich des Salons
auf das Herrenzimmer zu, um Reinhold zu begrüßen, als sie durch den
Vorhang feine Stimme hörte:
„— — der junge Claassen."
Alfreds Antwort kam prompt und lautete überraschend:
„Blech. Das glaub ich nicht."
Daraufhin blieb Lilian unbeweglich stehen und horchte. Nach einer
Weile sagte Reinhold:
„Ich kann mich natürlich irren. Es ist eine Vermutung — keinem
anderen hätte ich dergleichen gesagt. Aber schließlich sind wir seit dreißig
Jahren befreundet, und es muß ja nicht immer der Ehemann der letzte
sein, der etwas erfährt."
„Mein Lieber, deine Gründe sind mir vollkommen klar, blnd ich danke
dir auch. Jeden andern hätte ich nämlich hinausgeworfen. Aber ich
glaube es doch nicht."
„Nun gut. Aber sei nicht blind. Du meidest ja fast alle Gesellschaften,
in die Lilian geht, blnd wenn du dabei bist, dann sitzt du in irgendeinem
Sektwinkel und hörst und siehst nichts. Heute abend ist der Ball bei
Reimers. Gehst du hin?"
„N—n— eigentlich nicht. Warum?"
„Geht Lilian hin?" — „Ich glaube ja."
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