B r o t z e i t
Gustav Essig
Ich verhielt mich mäuschenstill — es rvar
beängstigend, daß er so regungslos dastand.
Ich umgab chn lautlos mit meinem Licht.
Da hörte ich ihn plötzlich einen Namen
stüstern, wie aus -der Buhne: ganz langsam,
Buchstabe am Buchstabe, und dabei so
dringend, als müßte sofort die fehlende Person
erscheinen, so beschwörend, als gäbe es keine
Weigerung, kein Ausbleiben, so drohend, als
hätte Widersetzlichkeit, diesem Befehl gegen-
über, furchtbare Folgen. Jeder Laut rvar
stahlblank und von der Form eines Schwertes,
und jeder stach sausend in die Straße, wo
nichts vor ihm verschont bleiben konnte. Aber
keinem wurde 'Antwort.
Noch einen Augenblick stand er mit seinem
verständnislosen, nackten Kops vor der Tür,
der Stille gegenüber, als wollte er sich im
Zweikampf mit ihr messen, dann fiel er mit
zwei taumelnden Schritten in meinen grünen
Kegel, schlug seine beiden Hände um meinen
Pfahl, daß ich dröhnend und heftig mit den
Scheiben klirrend vor mir selber erschrak, und
stieß jenen Namen mit furchtbarer An-
strengung pfeifend noch einmal aus sich hin-
aus, mit einen: stolpernden Rachenlaut am
Ende, der wie ein nasses Tuch gegen die
schwarze Wand klatschte.
Alles, was er in sich gehabt, war mit diesem
Namen aus ihm hinauSgefahren. Er war
m'chtS in ehr. Gar nichts. Nicht einmal ein
Skelett. Er lag vor meinem Fuß wie ein
Haufen Schmutz, den einer zusammengekehrt
und liegen gelassen hat.
Später haben sie ihn weggeholt.
Ach — würde ich auch weggeholt! Sollten
lieber eine kalte Bogenlampe hierher hängen,
die vertrüge es besser.
Ich verstehe eS nicht, ich werde es nie ver-
stehen. — Jetzt kommt er schon wieder, der
ohne Gesicht, und ich hatte doch geglaubt, er
hätte endlich seine Ruh'.
D — sähe mich noch einmal ein menschliches
Antlitz an!
*
692
Gustav Essig
Ich verhielt mich mäuschenstill — es rvar
beängstigend, daß er so regungslos dastand.
Ich umgab chn lautlos mit meinem Licht.
Da hörte ich ihn plötzlich einen Namen
stüstern, wie aus -der Buhne: ganz langsam,
Buchstabe am Buchstabe, und dabei so
dringend, als müßte sofort die fehlende Person
erscheinen, so beschwörend, als gäbe es keine
Weigerung, kein Ausbleiben, so drohend, als
hätte Widersetzlichkeit, diesem Befehl gegen-
über, furchtbare Folgen. Jeder Laut rvar
stahlblank und von der Form eines Schwertes,
und jeder stach sausend in die Straße, wo
nichts vor ihm verschont bleiben konnte. Aber
keinem wurde 'Antwort.
Noch einen Augenblick stand er mit seinem
verständnislosen, nackten Kops vor der Tür,
der Stille gegenüber, als wollte er sich im
Zweikampf mit ihr messen, dann fiel er mit
zwei taumelnden Schritten in meinen grünen
Kegel, schlug seine beiden Hände um meinen
Pfahl, daß ich dröhnend und heftig mit den
Scheiben klirrend vor mir selber erschrak, und
stieß jenen Namen mit furchtbarer An-
strengung pfeifend noch einmal aus sich hin-
aus, mit einen: stolpernden Rachenlaut am
Ende, der wie ein nasses Tuch gegen die
schwarze Wand klatschte.
Alles, was er in sich gehabt, war mit diesem
Namen aus ihm hinauSgefahren. Er war
m'chtS in ehr. Gar nichts. Nicht einmal ein
Skelett. Er lag vor meinem Fuß wie ein
Haufen Schmutz, den einer zusammengekehrt
und liegen gelassen hat.
Später haben sie ihn weggeholt.
Ach — würde ich auch weggeholt! Sollten
lieber eine kalte Bogenlampe hierher hängen,
die vertrüge es besser.
Ich verstehe eS nicht, ich werde es nie ver-
stehen. — Jetzt kommt er schon wieder, der
ohne Gesicht, und ich hatte doch geglaubt, er
hätte endlich seine Ruh'.
D — sähe mich noch einmal ein menschliches
Antlitz an!
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