ich tot bin, wie Tante Kathrin — willst du
mich dann hier drinnen begraben?"
„Warum denn, kleines Geschemädchen?"
„Ich möchte bald Lot sein, Onkel — und
dann möchte ich unter diesem Fenster schlafen
— versprichst du mir das?"
So ein kleines Kind, Herr, das schon von
Totsein spricht. Glauben Sie, daß das von den
Gräbern kommt, Herr? Soll man nicht bei
Gräbern sein?
Ja, und da ist mit einem Mal die Türe auf-
gegangen, und Hermann Friesing hat dagestan-
den, dem jetzt der Hof gehört: „Komm da
runter, Gesche..." hat er sofort ge-
schrien .. „M ädchen, waStustduda.."
und „Paß auf, du Patron!" hat er zu mir
gesagt...
DaS Gefchekind hat aufgehört mit Lanzen —
so ganz große Augen hat sie gehabt, auf den
Zehen hat sie noch gestanden, wie sie aufgehört
hat — — und dann ist das Gefchekind hin-
gefallen — gegen das Geländer...
Wollen Sie es hören, Herr? — DaS Ge-
länder ist morsch, der Wurm sitzt darin, daS
Geld haben sie immer gespart in der Gemeinde,
der Friesingbauer vorneweg-da i s L d a S
Geländer abgebrochen, eine Stange
davon, und das Gefchekind ist hinunter-
gefallen ...
Und dann haben sie mir die Schuld geben
wollen...
Haben Sie einen Glauben, jun-
ger Herr? —-
Hat daS Gefchekind nicht unter dem Fenster
begraben sein wollen, in der Kirche drin?
Sie haben sie nicht einmal auf dem Kirchhof
hier begraben, wo doch Kathrin Friesing hier
liegt... Die KaarssenS von Dannenberg sind
gekommen und haben daS Kind geholt, noch
wie es bei Leben war; sie wollten keinen Kran-
ken auf ihrem Hof, die Friesingbauern. Drei
Tage danach war sie tot. In Dannenberg, ja,
auf dem Kirchhof liegt sie bei den Kinder-
gräbern, die kleine Gesche Dudenholt.
Haben Sie einen Glauben? —
Ich — will — Ihnen — etwas — zeigen
— — von dem Sie nicht reden müssen—:
Die kleine Gesche Dudenholt — — i s t —
doch — hier... Sie müssen hierher
sehen-sehen Sie?-DaS
i s t das Gesicht von der kleinen
Gesche Dudenholt...
DaShatdie Sonne in die Scheibe
eingegraben, als das Gefchekind
davor gestanden hat...
Sie müssen still sein jetzt, und nichts zu mir
sagen. Ich bin dreißig Jahre hier und grabe
die Toten ein. Da sieht sich manches Ding
anders an, als wie die Leute es haben wollen ..
*
Aber Sie müssen gehen, Herr, wenn Sie
nach Egestorf wollen.
Wenn das Licht so auf den Machandelbaum
fällt, gibt es Regen.
Es riecht schon den ganzen Tag nach
Regen .. .
ote
Es war zur Zeit, als der Stern der Sän-
gerin Adelina Patti schon im Aufgohen war.
Man war des Lobes voll über diese herrliche,
noch nie gehörte Stimme.
Auf einer Soiree des kunstliebenden Finanz-
ministerS Pereire in Paris fang sie eine Arie
aus dem „Barbier von Sevilla". Als sie
geendet hatte, ertönte von allen Seiten ein
hingerissenes: „Dis! Bis!" Abwartend blickte
Adelina Patti zu Pereire hinüber, und als er
ihr zustimmend zunickte, wiederholte sie die
Arie.
Nach dem Schluß des Vortrages trat
Pereire auf sie zu und übergab ihr dankend
eine Tausendfrancsnote.
Lächelnd nahm sie sie in Empfang. „Es
war aber ,Bis'" sagte sie leise.
Und der Finanzminister griff abermals in
>die Tasche «und reichte ihr einen zweiten
Tausendfrancsschein.
Mit diesem damals für die Patti unge-
wöhnlich hohen Betrag eilte sie strahlend zu
Rossini und verkündete ihm, daß sie für den
Dortrag einer seiner Arien zweitausend Francs
erhalten habe.
Rossini nickte gleichgültig: „Das ist schön,
mein Kind! Mit diesem Geld können Sie
endlich richtig singen lernen."
L A N D S T R E I C H E R L I E D
Das Geld liegt auf der Straß'
und auf der Straß' liegt Staub,
und frißt du nicht das Geld wie Gras,
so schluckst du doch den Staub.
Und darum, Mensch, bleib gut und glaub!
Ist auch die Tasche leer,
hast du den Magen voll von Staub,
du bist von Gelde schwer.
DaS Glück jedoch, das Glück, das Glück —
das Glück liegt auf der Strass!
So wandre zu, und sieh und pflück'
die Blum' in Staub und Gras.
A. E. Rutra
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