Brautwerbung
„Ich muß dir aber gestehen, Alex, viel
Geld hat mein Vater nicht!"
„Na, bis zu unserer Scheidung werde ich
schon damit auskommen!"
DIE LIEBEN GÄSTE
VON WALTHER FRANKE-RUTA
3m Winter und im Hochsommer haben wir
im allgemeinen Ruhe vor ihnen, wir sitzen am
Kaminseuer oder in tropischer Hitze und ver-
spachteln ungeheure Massen Makkaroni ganz
alleine, aber um die Tages- und Nachtgleiche
herum haben wir das Haus voll lieber Gäste,
kostbarer, zahlender Gäste, denen wir jeden
Wunsch von den Augen absehen und um derent-
willen wir uns gern jede Verzierung abbrechen.
Da sieht nun so ein lieber Gast an unserem
Balkonfenster, sieht über die Heerscharen der
blühenden Mandelbäumchen aus das blaue
Meer, nimmt zur Kenntnis, daß im Hinter-
gründe ein paar braune Segel verdämmern und
im Vordergründe die Mimosen ihr Äußerstes
Lun — — so lehnt also der liebe Gast am
Balkonsenster und hält Ausschau nach etwas,
was er abscheulich sinden könne.
Manchmal gelingt ihm das nicht, dann reist
er bald wieder ab und wir haben das Nach-
sehen. Gewöhnlich aber bleiben sie ein paar
Wochen, vorausgesetzt, daß man ihnen zum
Frühstück einen kleinen Mißstand mitserviere,
von dem sie feststellen können, daß er wo
anders nicht passieren könnte — und dann
werden sie allmählich ganz froh und vergnügt.
Manchmal genügen schon kleine lllnregel-
mäßigkeiten an der Wasserspülung, um die er-
forderliche Saturierung an Mißständen zu
bewerkstelligen, auch der Hinweis, daß bei uns
die Radfahrer besonders rücksichtslos um die
Ecken führen, genügt vielen schon.
Der Kunstmaler aus Zwickau zum Beispiel
war schon ganz zufriedengestellt, als er hörte,
daß die vielen bunten Häuschen am Bergabhang
alle kleinen Leuten gehörten, die sich auf hoher
See oder in den Staaten ein paar Taler zu-
sammengespart hätten und nun auf ihre alten
Tage ihre Makkaronistauden allein bebauten.
„Also: Kleinbürgertum!" stellte er fest, und
tiefe Befriedigung huschte über seine vor Ver-
achtung gekräuselten Lippen und verlief sich in
den Nackenfalten seines sächsischen Charakter-
kopfes. Er blieb sechs Wochen, so zufrieden
war er.
Schwieriger war es schon mit der Amalie
Notteboom.
Die hatte eS mit der Sonne und dem Son-
nengeflecht, allmorgendlich bot sie den Kelch
ihres Leibes dem Tagesgestirn dar, daS, an
Vieles gewohnt, trotzdem zwölf Stunden pro
Tag weiterzuleuchten geruhte.
Da lag nun ein Haus in unserer Sicht, an
dem waren alle Fenster verschlossen, die Türen
verriegelt, kein Hund bellte, kein freundliches
Gesicht lächelte hinter Gardinen.
Amalie prüfte dieses Haus mit zufriedenem
Blick.
„WaS für ein Lemurendasein führen diese
Leute!" rief sie aus. „Tag und Nacht einge-
schlossen und verriegelt, kein Sonnenstrahl!
Schauderhaft! 3^ könnte niemals so leben!"
Wir hüteten uns natürlich sehr, Amalie da-
hingehend aufzuklären, daß dieses HauS seit
3ahr und Tag unbewohnt war. 3nfvlgedessen
blieb sie volle zwei Monate, sie zahlte uns
Mk. 3.50 volle Pension täglich, wir hatten ein
üppiges Leben um diese Zeit.
Ganz besonderer Kunstgriffe aber bedurfte
eS, um den Kulturhistoriker und Folkloristen
Fr. Leutner
Emil Napfkuchen an unser gastfreies HauS zu
fesseln.
Denn nicht entging eS seinem im Aufsuchen
von Mißständen geübten Blick, daß daS zu
diesem Zweck bereitgehaltene LemurenhauS tar-
sächlich unbewohnt war, auch daS kunstvoll
arrangierte öftere Versagen des elektrischen
Stromes genügte ihm nicht. Zu allem Illnheil
war das Wetter dauernd schön und sonnig, die
Bevölkerung ausgesucht liebenswürdig, die
Zigarren rauchbar, der Wein jung, aber süffig,
Lustmorde passierten auch keine — kurz, Emil
geriet in einen Zustand von Klaglojigkeit, der
uns befürchten ließ, daß er uns bald vertanen
würde. Wenn nicht endlich etwas eintrat, wo
er sagen konnte: „Seht ihr's! 3^) Hab s ja
immer gesagt!"..., dann würde er uns ab-
springen.
Da wurde Nino gerufen, der alte Hader-
lump und Dorfdepp, der bekam ein reichliches
Trinkgeld und genaue 3"struktionen.
Als wir daS nächste Mal zum Strande gin-
gen, unter wucherndem Orangensegen und
blühenden Glyzinien, Dingen also, die Emil mit
dem Mißmut des Mannes, der nichts auSzu-
setzen findet, schiefmäulig betrachtete, trat plötz-
lich Nino aus eineyi Seitenweg, entblößte sich
schamlos und demonstrierte das navigare
necesse est.
Das Trinkgeld war reichlich gewesen und
Nino hatte es wortwörtlich angelegt, so konnte
er reichlich halten, was ihm befohlen.
Hervortretenden Augapfels verfolgte Emil
diesen volkstümlichen Vorgang, Heiterkeit und
tiefe Befriedigung umspielten seine Züge und
tiefbeglückt stellte er fest: „Nein, so etwas!
Nein, so etwas! Das könnte bei uns natürlich
nicht Vorkommen!"
Emil blieb drei Monate bei uns, um so
mehr, als Nino sich leicht bewegen ließ, in ein
festes kontraktliches Verhältnis einzutreten, und
obwohl wir Emils Pensionspreis ob der haben-
den Spesen auf acht Mark heraufsetzten.
<§/,
tna
3n 3ena, Hinter der Kirche 3, gibt es einen
„Chinesischen Klub". Er versendet Aufrufe:
„Der chinesisch-japanische Konflikt, wie er in
Wirklichkeit aussieht!" Diese Zettel sollen daS
Gewissen der Völker aufrütteln gegen daS
„skandalöse Treiben im Fernen Osten", gegen
den Raubzug der 3^paner in der Mandschurei.
„Es ist skandalös, wenn die japanischen
Staatsmänner die widerrechtlichen Raubzüge
durch den schönen und gutgewählten Ausdruck
,Zwischen fall* vertuschen wollen", schreiben die
Chinesen des 3enaer Klubs. „»Zwischen-
fall?* Aber die 3apa"er haben alle strate-
gischen Punkte der Mandschurei besetzt. »Zwi-
schenfall???' Aber die japanische Regie-
rung hat ein Budget von 3,3 Millionen Jen
(7 Millionen Reichsmark) für diese Okkupation
bewilligt! Nicht »Zwischenfall' ist das,
sondern Krieg, Krieg im echtenSinne
eines imperialistischen Raub-
zuges! — Unö im Auslande lebenden Chi-
nesen bleibt nur übrig, einzustimmen in den
Ruf: Krieg dem imperialistischen
Raubzug! Schafft den Weltfrie-
„Was is denn, Alisi, warum schaugst denn
so irr?"
„Wei i aufs Schnupfa vagessen hab', be-
vor i an Stoa ei'gmauert hab'!"
744
„Ich muß dir aber gestehen, Alex, viel
Geld hat mein Vater nicht!"
„Na, bis zu unserer Scheidung werde ich
schon damit auskommen!"
DIE LIEBEN GÄSTE
VON WALTHER FRANKE-RUTA
3m Winter und im Hochsommer haben wir
im allgemeinen Ruhe vor ihnen, wir sitzen am
Kaminseuer oder in tropischer Hitze und ver-
spachteln ungeheure Massen Makkaroni ganz
alleine, aber um die Tages- und Nachtgleiche
herum haben wir das Haus voll lieber Gäste,
kostbarer, zahlender Gäste, denen wir jeden
Wunsch von den Augen absehen und um derent-
willen wir uns gern jede Verzierung abbrechen.
Da sieht nun so ein lieber Gast an unserem
Balkonfenster, sieht über die Heerscharen der
blühenden Mandelbäumchen aus das blaue
Meer, nimmt zur Kenntnis, daß im Hinter-
gründe ein paar braune Segel verdämmern und
im Vordergründe die Mimosen ihr Äußerstes
Lun — — so lehnt also der liebe Gast am
Balkonsenster und hält Ausschau nach etwas,
was er abscheulich sinden könne.
Manchmal gelingt ihm das nicht, dann reist
er bald wieder ab und wir haben das Nach-
sehen. Gewöhnlich aber bleiben sie ein paar
Wochen, vorausgesetzt, daß man ihnen zum
Frühstück einen kleinen Mißstand mitserviere,
von dem sie feststellen können, daß er wo
anders nicht passieren könnte — und dann
werden sie allmählich ganz froh und vergnügt.
Manchmal genügen schon kleine lllnregel-
mäßigkeiten an der Wasserspülung, um die er-
forderliche Saturierung an Mißständen zu
bewerkstelligen, auch der Hinweis, daß bei uns
die Radfahrer besonders rücksichtslos um die
Ecken führen, genügt vielen schon.
Der Kunstmaler aus Zwickau zum Beispiel
war schon ganz zufriedengestellt, als er hörte,
daß die vielen bunten Häuschen am Bergabhang
alle kleinen Leuten gehörten, die sich auf hoher
See oder in den Staaten ein paar Taler zu-
sammengespart hätten und nun auf ihre alten
Tage ihre Makkaronistauden allein bebauten.
„Also: Kleinbürgertum!" stellte er fest, und
tiefe Befriedigung huschte über seine vor Ver-
achtung gekräuselten Lippen und verlief sich in
den Nackenfalten seines sächsischen Charakter-
kopfes. Er blieb sechs Wochen, so zufrieden
war er.
Schwieriger war es schon mit der Amalie
Notteboom.
Die hatte eS mit der Sonne und dem Son-
nengeflecht, allmorgendlich bot sie den Kelch
ihres Leibes dem Tagesgestirn dar, daS, an
Vieles gewohnt, trotzdem zwölf Stunden pro
Tag weiterzuleuchten geruhte.
Da lag nun ein Haus in unserer Sicht, an
dem waren alle Fenster verschlossen, die Türen
verriegelt, kein Hund bellte, kein freundliches
Gesicht lächelte hinter Gardinen.
Amalie prüfte dieses Haus mit zufriedenem
Blick.
„WaS für ein Lemurendasein führen diese
Leute!" rief sie aus. „Tag und Nacht einge-
schlossen und verriegelt, kein Sonnenstrahl!
Schauderhaft! 3^ könnte niemals so leben!"
Wir hüteten uns natürlich sehr, Amalie da-
hingehend aufzuklären, daß dieses HauS seit
3ahr und Tag unbewohnt war. 3nfvlgedessen
blieb sie volle zwei Monate, sie zahlte uns
Mk. 3.50 volle Pension täglich, wir hatten ein
üppiges Leben um diese Zeit.
Ganz besonderer Kunstgriffe aber bedurfte
eS, um den Kulturhistoriker und Folkloristen
Fr. Leutner
Emil Napfkuchen an unser gastfreies HauS zu
fesseln.
Denn nicht entging eS seinem im Aufsuchen
von Mißständen geübten Blick, daß daS zu
diesem Zweck bereitgehaltene LemurenhauS tar-
sächlich unbewohnt war, auch daS kunstvoll
arrangierte öftere Versagen des elektrischen
Stromes genügte ihm nicht. Zu allem Illnheil
war das Wetter dauernd schön und sonnig, die
Bevölkerung ausgesucht liebenswürdig, die
Zigarren rauchbar, der Wein jung, aber süffig,
Lustmorde passierten auch keine — kurz, Emil
geriet in einen Zustand von Klaglojigkeit, der
uns befürchten ließ, daß er uns bald vertanen
würde. Wenn nicht endlich etwas eintrat, wo
er sagen konnte: „Seht ihr's! 3^) Hab s ja
immer gesagt!"..., dann würde er uns ab-
springen.
Da wurde Nino gerufen, der alte Hader-
lump und Dorfdepp, der bekam ein reichliches
Trinkgeld und genaue 3"struktionen.
Als wir daS nächste Mal zum Strande gin-
gen, unter wucherndem Orangensegen und
blühenden Glyzinien, Dingen also, die Emil mit
dem Mißmut des Mannes, der nichts auSzu-
setzen findet, schiefmäulig betrachtete, trat plötz-
lich Nino aus eineyi Seitenweg, entblößte sich
schamlos und demonstrierte das navigare
necesse est.
Das Trinkgeld war reichlich gewesen und
Nino hatte es wortwörtlich angelegt, so konnte
er reichlich halten, was ihm befohlen.
Hervortretenden Augapfels verfolgte Emil
diesen volkstümlichen Vorgang, Heiterkeit und
tiefe Befriedigung umspielten seine Züge und
tiefbeglückt stellte er fest: „Nein, so etwas!
Nein, so etwas! Das könnte bei uns natürlich
nicht Vorkommen!"
Emil blieb drei Monate bei uns, um so
mehr, als Nino sich leicht bewegen ließ, in ein
festes kontraktliches Verhältnis einzutreten, und
obwohl wir Emils Pensionspreis ob der haben-
den Spesen auf acht Mark heraufsetzten.
<§/,
tna
3n 3ena, Hinter der Kirche 3, gibt es einen
„Chinesischen Klub". Er versendet Aufrufe:
„Der chinesisch-japanische Konflikt, wie er in
Wirklichkeit aussieht!" Diese Zettel sollen daS
Gewissen der Völker aufrütteln gegen daS
„skandalöse Treiben im Fernen Osten", gegen
den Raubzug der 3^paner in der Mandschurei.
„Es ist skandalös, wenn die japanischen
Staatsmänner die widerrechtlichen Raubzüge
durch den schönen und gutgewählten Ausdruck
,Zwischen fall* vertuschen wollen", schreiben die
Chinesen des 3enaer Klubs. „»Zwischen-
fall?* Aber die 3apa"er haben alle strate-
gischen Punkte der Mandschurei besetzt. »Zwi-
schenfall???' Aber die japanische Regie-
rung hat ein Budget von 3,3 Millionen Jen
(7 Millionen Reichsmark) für diese Okkupation
bewilligt! Nicht »Zwischenfall' ist das,
sondern Krieg, Krieg im echtenSinne
eines imperialistischen Raub-
zuges! — Unö im Auslande lebenden Chi-
nesen bleibt nur übrig, einzustimmen in den
Ruf: Krieg dem imperialistischen
Raubzug! Schafft den Weltfrie-
„Was is denn, Alisi, warum schaugst denn
so irr?"
„Wei i aufs Schnupfa vagessen hab', be-
vor i an Stoa ei'gmauert hab'!"
744