K. Wils*
ERKENNTNISSE
VON PAUL VALERI E
Es gibt keinen wirklichen Haß, da, wo man
nicht geliebt hat oder zumindest hätte lieben
können.
Im genialen Kunstwerk muß das Genie so
gut hinter dem Talent versteckt bleiben, daß
man verführt wird, auf die Kunst des
Schaffenden zurückzuführen, was seiner Natur
zu kommt.
Gott schuf den Mann, und, weil er ihn nicht
allein genug fand, gab er ihm die Frau, damit
er sein Alleinsein deutlicher fühle.
Ressentiment entsteht, wenn man nicht wenig-
stens ein bißchen mehr erhält, als man gibt,
aus der Angst, kein gutes Geschäft zu macken.
Die öffentliche Meinung ist den Eitlen und
Ehrgeizigen, über die sie zwar spottet, gar nicht
so abgeneigt, viel eher den Bescheidenen und
Abgewandten, die sie lobt. Sie weiß nur zu
gut, daß die Ehrgeizigen ihre zärtlichen Lieb-
haber sind, die nur an sie denken und sich einzig
um sie bewerben.
Eine Gefahr des Geistreichen: Überhaupt und
auch privat nur noch polemisch zu denken,
wie vor einem Publikum, wie vor dem Feind.
(Ausgewählt und übersetzt von Dr. Fränze Herzfeld>
ZIGARREN
VON JO HANNS RÖSLER
Zock braucht Zigarren.
Zock raucht nur gute Zigarren. Gute Zigar-
ren kosten viel Geld. Biel Geld hat Zock nicht.
5. Büchner
Zock verschafft sich die Zigarren auf andere
Weise.
Zock geht in ein hohes Hotel.
Setzt sich in die Halle. Beguckt die Gäste.
Sucht sich den dicksten, reichsten und vornehm-
sten Raucher aus.
Geht zum Portier:
„Ist das nicht Baron von Bleichenröder?"
„Nein", erwidert der Portier, „das ist der
bekannte Kommerzialrat Kasfenström. Er
wohnt schon über eine Woche bei uns."
„Vielen Dank."
„Bitte sehr."
Zock geht in die Bar.
^ritt an die Theke. ^5e) leljt sich die Zigarren.
„Mein Freund, der Kommerzialrat Kassen-
ström", sagt er dann, „läßt Sie bitten, sofort
zwei Kistchen Jmportzigarren Brasiliana auf
sein Zimmer zu schicken."
„Wird besorgt", dankt der Barmann, „Kell-
ner, tragen Sie diese beiden Kistchen Brasiliana
sofort auf Zimmer dreiundachtzig."
*
Zock geht in die Halle zurück.
Tritt zu Kommerzialrat Kasfenström.
„Herr Kommerzialrat?" grüßt er.
„Bitte?"
„Ich bin der Vertreter der Jmportzigarren
Brasiliana. Ich möchte Ihnen ein besonders
vorteilhaftes Angebot in unseren Zigarren
unterbreiten."
„Danke", sagte Kasfenström, „verzichte."
„Vielmals Verzeihung, aber Ihre Weige-
rung ist mir doppelt unangenehm, weil ich
bereits in der festen Annahme Ihres Interesses
zwei Kistchen unserer Zigarren in Ihr Zimmer
gestellt habe."
„Was? In mein Zimmer?"
„In Zimmer dreiundachtzig."
„Das ist der Gipfel der Frechheit. Sofort
koinmen Sie mit und holen sich Ihre Ziaarren
zurück. Vorwärts."
Zock wird in den Fahrstuhl geschoben. Kassen-
ström hinterher.
Auf dem Tisch des Zimmers dreiundachtzig
stehen die beiden vollen Kistchen Jmportzigarren
Brasiliana.
„ So — schnell — nehmen Sie und lassen
Sie sich hier nicht wieder blicken", stemmt ihm
Kasfenström die Zigarren unter den Arm.
„Wie Sie wünschen", verbeugt sich Zock.
Kasfenström begleitet ihn bis zur Hoteltür.
Damit er keinen anderen belästigt. Damit die
Zigarren ja aus dem Haus kommen. Endlich
ist Zock durch die Türe verschwunden.
„So eine Frechheit von dem Kerl", schimpft
Kasfenström hinter ihm her.
(Fortsetzung Seite 806>
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