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„Ja, ja, so lang d'Leut' net wissen, zu welcher politischen Partei ’s Christ-
kindl g'hört, is halt in der Weihnachtszeit mit’m Zeitungshandel koa G'schäft
z'macha!"

einig", meint der Chef, „es handelt sich nur um
die Gehaltsfrage!"

„Oh, bitte — ich bin mit dem zufrieden, was
mein Vorgänger gehabt hat —"

„Ja — ja — das schon —", meint nach-
denklich der Chef, „ohne Zweifel — ich zahle
Ihnen ja gerne die 26 Mark 25 Pfennig —
wer wird aber die auf Sie entfallende Steuer
von 271 Mark 25 Pfennig bezahlen?"

H. K. B.

Neuartiges Mittel zur
Entlarvung von Holzdieben

Von Michail S o s c h t s c h e n k o

Diese wahre Begebenheit trug sich um die
Weihnachtszeit zu. Ich, als gründlicher und
wißbegieriger Mensch, konnte mich mit so ein
paar dünnen Zeitungs-Andeutungen nicht zu-
frieden geben. So ermittelte ich denn die An-
schrift des Schuldigen, suchte ihn auf, errang
sein Vertrauen und bat ihn, mir die ganze Ge-
schichte recht ausführlich darzulegen.

Nun, bei einer Flasche Bier wurde mir dann
die Sache klar.

Der Leser ist meistenteils ein mißtrauisches
Geschöpf. Er wird vielleicht meinen, daß ich
stark aufschneide. Ich schneide nicht auf, lieber
Leser. Ich kann dir jetzt und immer treuherzig
in die Augen schauen und behaupten: ich lüge
nicht. Überhaupt, ich spreche niemals die Un-
wahrheit und bemühe mich, auch wenn ich
schreibe, mich nur an Tatsachen zu halten. Mit
Phantasie bin ich nicht begabt und liebe es
deshalb nicht, meine kostbaren wirklichen Er-
lebnisse in irgendwelche unmöglichen Erfindun-
gen umzuwandeln. Ich, lieber Leser, weiß, daß
das Leben wesentlicher ist als die Literatur.
Folglich bitte ich um Gehör für meinen weih-
nachtlichen Bericht!

„Holz", sagte mein Gewährsmann, „Holz
ist eine sehr kostspielige Sache. Zumal wenn
der Schnee hoch liegt und der Frost knirscht, —
was gäbe es dann Besseres auf der Welt als

Holz? Man kann es sogar als Angebinde zu
Festlichkeiten verwenden. — Meiner Schwä-
gerin Elisabeth Jgnatieff zum Beispiel habe
ich zu ihrem Namenstage einen Faden Holz
verehrt. Ihr Gemahl aber, ein ungebildeter
und heißblütiger Mensch, dieser Hundesohn,
hat mir nach der Feier mit einem Scheit eins
auf den Kopf gegeben! — Wir — so erklärte
a dabei — leben nicht mehr im Jahre 1919,
um einander Holz zu schenken ... Heutzutage
ist das schon wieder eine Beleidigung." —

Nun, ungeachtet seiner Meinung, habe ich
meine eigene in bezug auf den Wert des Holzes.
Holz ist sozusagen eine sakrosankte Sache!

Ein Holzdieb aber stellt eine ganz besondere
Art von Verbrecher dar. Der Taschendieb iß
gegen ihn nur eine unscheinbare soziale Plage,
denn ein Holzdieb ist ein verzweifelter Mann,
der kaum jemals zur Verantwortung gezogen
werden kann.

Nun, zufällig habe gerade ich so einen Holz-
dieb überführt.

blnser Brennholz lag also aufgeschichtet auf
dem Hof. Es gehörte allen Mietern des Hauses
gemeinsam, blnd dies gemeinsame Holz begann
allmählich zu verschwinden. Jeden Tag beim
Nachzählen fehlten drei bis vier Klötze.

Am meisten regte sich darüber Sergei Pio-
troff aus dem vierten Stock auf. — „Liebe
Brüder — sprach er zu uns — man muß un-
bedingt etwas dagegen unternehmen!" —

Die Allgemeinheit war einverstanden. Jeder
Hausbewohner stellte eine Wache. Wir wachten
abwechselnd, aber das Holz verschwand nach
wie vor.

So verging ein Monat. Da besuchte mich
mein Neffe Mischka Wlassoff.

„Ich bin", erzählte er mir, „wie du weißt,
lieber Onkel, im Chemischen Institut tätig.
Wenn du Lust hast, könnte ich dir zu Weih-
nachten zu einem Spottpreise eine kleine Dyna-
mitpatrone mitbringen. Ich würde dir raten,
diese in ein gespaltenes Holzscheit zu stecken und
die Wirkung abzuwarten. Wir aus Lenin-
grad", so fuhr er fort, „tun daS alle schon
längst. Die Diebe wissen eö, fürchten sich und
hüten sich wohl, zu stehlen. Dieses Mittel", so

NEUJAHRS - TOAST

VON HERBERT STRUTZ

Man fühlt sich heut zum Lachen kommandiert.
13o alles lacht, will man nicht trüb erscheinen.
Mitunter freilich möchte man gern weinen,
denn ach, man lebt auf müden, schwachen
Beinen

und alle Lustigkeit ist nur utriert.

Das Leben hat das Gutsein nicht mehr feil.
Man kriegt es nicht in den Bazars zu kaufen,
blnd wenn wir auch besorgt die Haare raufen:
die Sorgen rinnen dick aus allen Traufen.

So hat ein jeder, laut und stumm, sein Teil.

Was soll man tun? Die Zeiten sind banal.
Am besten ists: man schminkt sich die Gesichter
und schaut durch rosa Brillen wie ein Dichter.
Dann wird vielleicht der Alltag wieder lichter
und auch das Herz ein wenig ideal.

Denn die Gefühle sind so seltsam rar
und kärglich alle seelischen Bilanzen.

Vielleicht ists morgen gut im großen ganzen.
Versuchen wir, ins Glück hineinzutanzen.
Prosit Neujahr!

schloß er, „kann ich dir folglich durchaus
empfehlen."

„Na ja, du Schlaukopf", erwiderte ich ihm,
„bringe deine Dynamitpatrone nur mit..."

Er brachte sie.

Ich bohrte eine kleine Höhlung in ein Holz-
scheit, legte das Ding hinein und verstopfte die
Öffnung mit Spänen. Dann legte ich den

Weihnachtsiiberraschung 1931

„Und sag’ mal, Liebling, worüber hast du
dich heuer am meisten geireut?"

„Uber den Kredit, den du noch in den
Geschäftshäusern hast!"

i

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Register
H. K. B.: Das Problem
Teha: Weihanchts-Inserate 1931, die nicht in die Weltpresse kamen
Peter Paul Althaus: Merkwürdige Stimmung in einem Hotelzimmer in Delft
Jo Hanns Rösler: Kürbis und der liebe Gott
J. Heger: Weihnacht
 
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