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37. JAHRGANG
N D
1 93 2 / N R. 1
IDE IR HUND
AUF DEN TQTIEN SCHIFFEN
Als der Frachtdampfer „Euböa" Bordeaux
— den letzten Hafen vor der Heimkehr — ver-
ließ, da war schon alles entschieden. DaS Tele-
gramm lag oben auf den Briefschaften in der
Kajüte des Kapitäns: Die „Euböa" hatte
mit den drei anderen alten Schiffen der Linie
das Los getroffen. Der Platz für das Auf-
legen war angegeben; Materialabgabe dort
lind dort. Die Reederei hatte bis
zuletzt darum gekämpft, das zu
verhindern; es war nicht möglich
gewesen.
Bei Spanien noch war war-
mes Herbstwetter gewesen. Nun
ließen die gelben Regenflagen das
Schiff nicht mehr los. Sie froren
alle auf der „Euböa", und es
schien ihnen so, als wenn die
Kälte keinen Widerstand mehr in
ihnen fand.
Als sie draußen vor dem Strom
den Lotsen übernahmen, da sagte
der: „Dies ist nun der Elfte ..
und niemand antwortete darauf.
Die Persennings waren hart wie
Bretter vom Regen, aus allen
Speigatten rannen Bäche: gelb
und ölig. Die auf Deck Wache
hatten, sahen auf, als vom Schorn-
stein noch einmal die Dampfpfeife
brummte, ganz tief und anhaltend
für das Einfahrtmanöver.
*
Die letzten Arbeiten auf der
„Euböa" versahen sie alle mit
einer Eile, als hätte keiner Zeit
zu versäumen. Die Türen schlu-
gen, über die Eisentreppen klap-
perten viele Schritte. Dann war
plötzlich alles still. Einer nach
dem andern ging mit kurzem Gruß
über die Gangway an Land, den
Seesack auf dem Buckel.
Der Kapitän sah immer wieder
von der Arbeit auf; die Stille da
draußen auf dem KajütSgang hatte
etwas Lauerndes. Er schrieb hastig
Der Kapitän hatte das mit
Zurr noch eben in Ordnung ge-
bracht. Der Wirt vom „Atlantik"
übernahm ihn in Pflege; er tat es
nicht einmal ungern, denn Zurr
war ein strammer, untersetzter
Kerl und in diesen Zeiten durch-
aus nicht zu verachten. Als der
Kapitän dann nach dem Zahlen
auf der Straße stand, hörte er
vom Hof, wohin Zurr einstweilen
zum „Eingewöhnen" gebracht wor-
den war, kräftiges und zornerfüll-
tes Bellen des Überlisteten.-
Drei oder vier Tage dauerte
diese Herrlichkeit, dann war Zurr
verschwunden. Der Wirt hatte bei
dem Gespräch vor dem Haus nicht
sonderlich auf ihn geachtet; war
ja ganz manierlich gewesen, der
Hund. Nun pfiff und suchte er
vergebens, bis die Dämmerum
kam und das Geschäft lebendige
wurde.
*
den Bericht zu Ende, unterschrieb, stempelte:
„S. S. ,Euboea'". Dann griff er nach dem
Koffer. So kam wohl alles in Ordnung; die
Kiste war ja heute morgen schon an Land ge-
kommen. Er sah sich nicht mehr um in der
Kajüte.
2>m Gang horchte er auf, ein Tappen kam
aus dem Dunkel. Es dauerte einige Zeit, bis
er dort hinten am Niedergang die Konturen
eines Hundes sah. Es war Zurr, der feit vier
Jahren jede Reife nach Spanien und der
Levante mitgemacht hatte; Zurr, der Draht-
haarige, der an den warmen Abenden vor
Griechenland um keinen Preis in fein Nest ge-
krochen war, sondern unbeweglich oben auf der
Kompaßbrücke gelegen hatte. Sie hatten ihn
vergessen; so apathisch waren sie
in dieser Stunde gewesen, daß sie
den Kameraden Zurr vergessen
konnten.
Die aufgelegten Dampfer lager
draußen im Alten Bassin zr
Viererreihen hintereinander; wi>
dunkle Türme standen die leeren
ausgebuchteten Leiber in die Luft
Da oben irgendwo, ganz sinnlos
jetzt, die Ladelinie. Die Ankerketten
der Flankenschiffe schlugen im
Takt,, wenn einmal ein Schleppzug
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37. JAHRGANG
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1 93 2 / N R. 1
IDE IR HUND
AUF DEN TQTIEN SCHIFFEN
Als der Frachtdampfer „Euböa" Bordeaux
— den letzten Hafen vor der Heimkehr — ver-
ließ, da war schon alles entschieden. DaS Tele-
gramm lag oben auf den Briefschaften in der
Kajüte des Kapitäns: Die „Euböa" hatte
mit den drei anderen alten Schiffen der Linie
das Los getroffen. Der Platz für das Auf-
legen war angegeben; Materialabgabe dort
lind dort. Die Reederei hatte bis
zuletzt darum gekämpft, das zu
verhindern; es war nicht möglich
gewesen.
Bei Spanien noch war war-
mes Herbstwetter gewesen. Nun
ließen die gelben Regenflagen das
Schiff nicht mehr los. Sie froren
alle auf der „Euböa", und es
schien ihnen so, als wenn die
Kälte keinen Widerstand mehr in
ihnen fand.
Als sie draußen vor dem Strom
den Lotsen übernahmen, da sagte
der: „Dies ist nun der Elfte ..
und niemand antwortete darauf.
Die Persennings waren hart wie
Bretter vom Regen, aus allen
Speigatten rannen Bäche: gelb
und ölig. Die auf Deck Wache
hatten, sahen auf, als vom Schorn-
stein noch einmal die Dampfpfeife
brummte, ganz tief und anhaltend
für das Einfahrtmanöver.
*
Die letzten Arbeiten auf der
„Euböa" versahen sie alle mit
einer Eile, als hätte keiner Zeit
zu versäumen. Die Türen schlu-
gen, über die Eisentreppen klap-
perten viele Schritte. Dann war
plötzlich alles still. Einer nach
dem andern ging mit kurzem Gruß
über die Gangway an Land, den
Seesack auf dem Buckel.
Der Kapitän sah immer wieder
von der Arbeit auf; die Stille da
draußen auf dem KajütSgang hatte
etwas Lauerndes. Er schrieb hastig
Der Kapitän hatte das mit
Zurr noch eben in Ordnung ge-
bracht. Der Wirt vom „Atlantik"
übernahm ihn in Pflege; er tat es
nicht einmal ungern, denn Zurr
war ein strammer, untersetzter
Kerl und in diesen Zeiten durch-
aus nicht zu verachten. Als der
Kapitän dann nach dem Zahlen
auf der Straße stand, hörte er
vom Hof, wohin Zurr einstweilen
zum „Eingewöhnen" gebracht wor-
den war, kräftiges und zornerfüll-
tes Bellen des Überlisteten.-
Drei oder vier Tage dauerte
diese Herrlichkeit, dann war Zurr
verschwunden. Der Wirt hatte bei
dem Gespräch vor dem Haus nicht
sonderlich auf ihn geachtet; war
ja ganz manierlich gewesen, der
Hund. Nun pfiff und suchte er
vergebens, bis die Dämmerum
kam und das Geschäft lebendige
wurde.
*
den Bericht zu Ende, unterschrieb, stempelte:
„S. S. ,Euboea'". Dann griff er nach dem
Koffer. So kam wohl alles in Ordnung; die
Kiste war ja heute morgen schon an Land ge-
kommen. Er sah sich nicht mehr um in der
Kajüte.
2>m Gang horchte er auf, ein Tappen kam
aus dem Dunkel. Es dauerte einige Zeit, bis
er dort hinten am Niedergang die Konturen
eines Hundes sah. Es war Zurr, der feit vier
Jahren jede Reife nach Spanien und der
Levante mitgemacht hatte; Zurr, der Draht-
haarige, der an den warmen Abenden vor
Griechenland um keinen Preis in fein Nest ge-
krochen war, sondern unbeweglich oben auf der
Kompaßbrücke gelegen hatte. Sie hatten ihn
vergessen; so apathisch waren sie
in dieser Stunde gewesen, daß sie
den Kameraden Zurr vergessen
konnten.
Die aufgelegten Dampfer lager
draußen im Alten Bassin zr
Viererreihen hintereinander; wi>
dunkle Türme standen die leeren
ausgebuchteten Leiber in die Luft
Da oben irgendwo, ganz sinnlos
jetzt, die Ladelinie. Die Ankerketten
der Flankenschiffe schlugen im
Takt,, wenn einmal ein Schleppzug
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