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Am Stephansplatz warten — wie jedes
Jahr — Hunderte feucht-fröhliche Leute auf
die Mitternachtsstunde. Beim zwölften Glocken-
schlag gibts dann die usuelle NeujahrSorgie:
wahllose Umarmung und Küsferei.

Auch der völkische Postbeamte Swoboda
wartet — in strammer Nazidreß — auf das
freudige Ereignis der Jahreswende. Die Glocke
schlägt, der Postbeamte breitet erwartungsvoll
die Arme aus und — sieht sich einer kleinen,
dicken Jüdin gegenüber.

Schon will sich der Schlachtruf „Juda ver-
recke!" über seine Lippen drängen, aber der
Postbeamte Swoboda überwindet diesmal feine
heiligsten Gefühle und gröhlt versöhnlich:
„Kumm her, Saujüdin, i gib d'r a Bussel!
Zum Erschlagen bin i heut vüll zu guat auf-
glegt!"

s-r.

Als der feinsinnige Dichter Anton WildganS
in Würdigung feines erstmaligen DersagenS als
Burgtheaterdirektor zum H o f r a t ernannt
worden war, da waren die Literaten im Cafo
Herrenhof ganz entsetzt: „Also, daS ist doch der
höchste Blödsinn, einen Dichter, einen echten,
richtigen Dichter, mit dem HofratStitel zu be-
lasten!"

Nur der Kritiker L. widersprach: „Warum?
WaS habt ihr daran auszusetzen? So ein Dich-
ter kann doch auch stundenlang traumverloren
in die Luft schau'n!"

Sptr.

runnen

di

er


evuen!

Man durchkramt gegenwärtig sämtliche
Schubfächer der deutschen Literatur nach Dich-
tungen, die sich in der Jungmühle der Revue-
und Singspielmode vermahlen lassen. Jetzt
kommen „Die Journalisten" von Freytag dran.
Ralph Benatzky macht ein Singspiel aus ihnen.
Max Hansen soll den Bolz spielen; nach einem
überlebensgroßen Darsteller des Schmock, der
einer ganzen Kaste übler Journalisten den
Namen gegeben hat, wird noch gesucht.

— Sollte er so schwer zu finden sein?

lerb

lerbeamfe

Verwandte und Bekannte, denen er zum
neuen Jahr hätte gratulieren müssen, besaß
der Supernumerar Putzke nicht.

Wohl aber einen Vorgesetzten, den Assisten-
ten Degenhardt.

Also betrat Supernumerar Putzke am 31. De-
zember ein einschlägiges Geschäft und begehrte
eine Neujahrs-Glückwunschkarte zu kaufen.

„In recht geschmackvoller Ausführung, Fräu-
lein!"

„Sehr wohl, mein Herr. Wir führen nur
künstlerisch hochwertige Karten!" versicherte die
Gute und brachte einen ganzen Karton mit
solchen Dingern geschleppt.

Putzke wühlte und wühlte. ..

„Ach, Fräulein!" sagte er dann schüchtern.
„Haben Sie keine anderen Karten? Die hier
st'nd nämlich alle mit Glücksschweinchen

„WaS haben Sie gegen Glücksschweinchen?"
fragte die Verkäuferin etwas indigniert. „Glücks-
schweinchen sind doch sehr apart, blnd sooo
symbolisch!"

„Das schon!" gab Herr Putzke zu. „Aber
ich hätte die Karte lieber mit Glücksklee. Der
Herr, an den ich sie schicken will, ist nämlich
Vegetarier." h.sfft.

gute

Der Präsident der größten Wiener Brot-
fabrik ist vor einiger Zeit nach Paris über-
siedelt und hat aus diesem Anlaß den armen
Arbeitslosen 100000 Leib Ankerbrot gespendet.

Wenige Tage später verlegte auch ein sehr-
bekannter Klavierfabrikant seinen Wohnsitz und
seine Tätigkeit ins Ausland. Man legte ihm
nahe, dem guten Beispiel deS „Ankermendel"
zu folgen und gleichfalls ein Scherflein zur
Linderung der Not beizutragen. Der Auswan-
derer aber lehnte energisch ab: „DaS ist doch
ein blnsinn! WaS hat so ein armer Teufel,
der kaum zu essen hat, schon davon, wenn ich
ihm ein Klavier schenk'?!?" Spi.

Rarität

„Als aufheiternde Gesellschaft für das neue Jahr möchte ich Ihnen einen Fisch
empfehlen: von ihm werden Sie nie eine Klage über die schlechten Zeiten hören!"

9
Register
S-r.: Versöhnungstag
Spt.: Das gute Beispiel
H. Sfft.: Der Unterbeamte
Sptr.: Hofräte
Josef Hegenbarth: Rarität
[nicht signierter Beitrag]: Im Jungbrunnen der Revuen!
 
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