bei* auf der anderen Seite des Steges verankert
ist, fest. Von hier aus sieht er, der mit Namen
Matthias heißt, nur nach den Kopf Mariens.
Ein schmales, scharfgeschnittenes Haupt, an
dem die starken, vvrfpringenden Lippen auf-
fallen. Das braune Haar ist im Scheitel zu-
rückgekämmt. Unbewegt und ruhig sitzt die
junge Frau im Boot, wobei sie sich mit der
rechten Hand an den Planken des Steges fest-
hält. Paul ist mit einer Kanne und einem Brot-
beutel unterm Arm in weiten Sprüngen zum
Dorf gelaufen.
Die Landschaft ist stetig, sanft und schlicht.
OaS Wasser deS Flusses ist weich. Matthias
hat sich über den Rand feines Bootes geneigt
und die Hand in den Fluß getaucht. Die Win-
ker kommen aus den Weinbergen, Frauen und
Männer. Das Fährboot, dessen Fahrt lang-
sam und bedächtig ist, bringt sie an das andere
Ufer.
Paul bleibt lange aus. Matthias, dem die
Hand im Wasser kalt geworden ist, löst die
Leine vom Kahn und schickt sich an, langsam
mit dem Wasser treibend, weiter zu fahren bis
zu jenem weich sich schwingenden Berghang, der
sich vor den Fluß stellt und ihn im Bogen ab-
drängt. Gemächlich treibt er zum anderen blser,
als ihn mit einem Male der Zuruf Mariens
trifft. Sie hat seinen Namen gerufen, sonst
nichts. Die Sonne ist nahe ihrem höchsten
Stande, das Wasser gleist. DaS Fährboot
liegt drüben weit ab und still, gerade hat eS
das Gefährt eines wandernden Korbhändlers
an das andere blser gebracht. Die Menschen
sind plötzlich aus der Landschaft herauSgenom-
men, und nur ein Angler, der einige zehn Meter
vom Stege entfernt steht, ist geblieben. Mat-
thias hat scharf zu fahren, um an das Boot
zu gelangen, in dem Marie sitzt. Jetzt hat er-
es erreicht und daran festgemacht. Er streckt
sich und legt sich zurück. Eine Woche schon
fährt er mit Paul und Marie den Fluß hinab,
nachts schläft er mit Paul aus Stroh, für
Marie wird ein Bett im Gasthaus gesucht. Die
milde, schlichte Landschaft hat die drei einge-
taucht in einen wunschlosen, zufriedenen Zu-
stand. JuchtS steht zwischen ihnen.
Marie und Matthias ruhen stumm in ihren
Booten. Matthias, der feinen Blick Marie zu-
wendet, sieht, daß ihre Lippen zucken; er sieht,
wie ihre schmale, lange Hand zittert. Es wird
ihm heiß und blnruhe befällt ihn. Warunt ist
auch der Fluß, sind die blser, die Berghänge so
still? — „Marie", fragt er, „Marie, ist dir
nicht gut?" — Die Gefragte wendet ihr Gesicht
zu ihm hin, schüttelt leise das Haupt und blickt
ihn init ihren braunen Augen groß und erstaunt
an. Sie fährt mit ihren Fingern durch das
Wasser und saßt Matthias' Hand, die sie heftig
drückt. — „Hast du nur dieses zu fragen,
NlatthiaS?" — Matthias ist hilflos. Der Fluß
ist ein reißendes Band, die Hänge stehen
drohend auf, die sanften Linien der weintragen-
den Berge beginnen sich zu zacken. — Der
Angler, der einige zehn Nieter vom Stege ent-
fernt steht, hat einen Fang getan. Don neuem
wirst er die Schnur. Daö Fährboot liegt un-
bewegt am anderen blser. Im DorsauSgang
zeigt sich niemand. „Immer bin ich allein.
Warum wohl muß ich allein fein, Matthias?
Allein mit ihm."
blnd jetzt kommt Paul aus den Häusern ge-
schritten. Er schwingt den Brotbeutel, er-
schwingt die Kanne. Er ist froh. Er lacht und
in seinem dunklen Gesicht blinken die Zähne.
Fluß, Hang und Berg sind wieder sanft und
schlicht geworden. Die Lust zittert über dem
Gummi der Spritzdecke, mit der der zweite un-
A. Lamm
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ist, fest. Von hier aus sieht er, der mit Namen
Matthias heißt, nur nach den Kopf Mariens.
Ein schmales, scharfgeschnittenes Haupt, an
dem die starken, vvrfpringenden Lippen auf-
fallen. Das braune Haar ist im Scheitel zu-
rückgekämmt. Unbewegt und ruhig sitzt die
junge Frau im Boot, wobei sie sich mit der
rechten Hand an den Planken des Steges fest-
hält. Paul ist mit einer Kanne und einem Brot-
beutel unterm Arm in weiten Sprüngen zum
Dorf gelaufen.
Die Landschaft ist stetig, sanft und schlicht.
OaS Wasser deS Flusses ist weich. Matthias
hat sich über den Rand feines Bootes geneigt
und die Hand in den Fluß getaucht. Die Win-
ker kommen aus den Weinbergen, Frauen und
Männer. Das Fährboot, dessen Fahrt lang-
sam und bedächtig ist, bringt sie an das andere
Ufer.
Paul bleibt lange aus. Matthias, dem die
Hand im Wasser kalt geworden ist, löst die
Leine vom Kahn und schickt sich an, langsam
mit dem Wasser treibend, weiter zu fahren bis
zu jenem weich sich schwingenden Berghang, der
sich vor den Fluß stellt und ihn im Bogen ab-
drängt. Gemächlich treibt er zum anderen blser,
als ihn mit einem Male der Zuruf Mariens
trifft. Sie hat seinen Namen gerufen, sonst
nichts. Die Sonne ist nahe ihrem höchsten
Stande, das Wasser gleist. DaS Fährboot
liegt drüben weit ab und still, gerade hat eS
das Gefährt eines wandernden Korbhändlers
an das andere blser gebracht. Die Menschen
sind plötzlich aus der Landschaft herauSgenom-
men, und nur ein Angler, der einige zehn Meter
vom Stege entfernt steht, ist geblieben. Mat-
thias hat scharf zu fahren, um an das Boot
zu gelangen, in dem Marie sitzt. Jetzt hat er-
es erreicht und daran festgemacht. Er streckt
sich und legt sich zurück. Eine Woche schon
fährt er mit Paul und Marie den Fluß hinab,
nachts schläft er mit Paul aus Stroh, für
Marie wird ein Bett im Gasthaus gesucht. Die
milde, schlichte Landschaft hat die drei einge-
taucht in einen wunschlosen, zufriedenen Zu-
stand. JuchtS steht zwischen ihnen.
Marie und Matthias ruhen stumm in ihren
Booten. Matthias, der feinen Blick Marie zu-
wendet, sieht, daß ihre Lippen zucken; er sieht,
wie ihre schmale, lange Hand zittert. Es wird
ihm heiß und blnruhe befällt ihn. Warunt ist
auch der Fluß, sind die blser, die Berghänge so
still? — „Marie", fragt er, „Marie, ist dir
nicht gut?" — Die Gefragte wendet ihr Gesicht
zu ihm hin, schüttelt leise das Haupt und blickt
ihn init ihren braunen Augen groß und erstaunt
an. Sie fährt mit ihren Fingern durch das
Wasser und saßt Matthias' Hand, die sie heftig
drückt. — „Hast du nur dieses zu fragen,
NlatthiaS?" — Matthias ist hilflos. Der Fluß
ist ein reißendes Band, die Hänge stehen
drohend auf, die sanften Linien der weintragen-
den Berge beginnen sich zu zacken. — Der
Angler, der einige zehn Nieter vom Stege ent-
fernt steht, hat einen Fang getan. Don neuem
wirst er die Schnur. Daö Fährboot liegt un-
bewegt am anderen blser. Im DorsauSgang
zeigt sich niemand. „Immer bin ich allein.
Warum wohl muß ich allein fein, Matthias?
Allein mit ihm."
blnd jetzt kommt Paul aus den Häusern ge-
schritten. Er schwingt den Brotbeutel, er-
schwingt die Kanne. Er ist froh. Er lacht und
in seinem dunklen Gesicht blinken die Zähne.
Fluß, Hang und Berg sind wieder sanft und
schlicht geworden. Die Lust zittert über dem
Gummi der Spritzdecke, mit der der zweite un-
A. Lamm
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