Tänzerin Ch. Paul
DIE
ABSCHIEDSREDE
VON PAUL BURKE
„Jicin, meine Herren, es Hilst alles nichts,
ich muß den Vorsitz im Verein ,Die Promi-
nenten' in Ihre Hände zurücklegen. Ihr Drän-
gen ehrt mich und es fällt mir wahrhaftig
schwer genug, mich von Ihrer liebgewonnenen
Runde zu trennen. Aber ich bin nicht mehr-
würdig, in Ihrer Mitte zu sitzen, geschweige
denn, meine geringen Kräfte der Leitung dieses
Klubs zu widmen."
Ich bin gewiß nicht eingebildet. Aber doch
kann ich wohl mit einigem Recht behaupten,
daß ich bei wichtigen Gelegenheiten noch immer
das paffende Wort gefunden habe. Ob es sich
nun darum handelte, ein Mitglied unseres
Bundes von Unbesonnenheiten zurückzuhalten,
ob ein anderer lieber Kollege daS Feuer meiner
Rede brauchte, um ihm für ein neues Unter-
nehmen den nötigen Schwung und Mut zu
geben: nie habe ich vergeblich auf die Über-
zeugungskraft meiner Worte gerechnet. Es ist
eine Gabe!
„Gewiß, Sie sollen meine schwerwiegenden
Gründe erfahren", setzte ich meine Abschieds-
rede an jenem denkwürdigen DersammlungS-
abend fort. „Ich kann nicht länger die Vor-
bedingungen für eine Mitgliedschaft im Verein
,Die Prominenten' erfüllen. Kurz gesagt, ich
stehe vor einem Berufswechsel."
Ich muß offen gestehen, daß mich für einen
Augenblick die Rührung übermannte. Nicht
daß ich im allgemeinen zu übermäßigen Ge-
fühlsbewegungen neige; aber dieses letzte Bei-
sammensein rief doch zu viele liebe Erinnerungen
wach.
Nie wieder sollte ich den guten alten Dick
sehen, wenn er, Meister, der er ist, von
einem gelungenen Einbruch zurückkommt; nie
wieder wird mir der flotte Henry von seinen
vergnüglichen Fahrten als Taschendieb be-
richten! Schatten der Vergangenheit, da Bill
mir von seinen Wechseltricks erzählte oder Tom
jich über die leichtgläubigen Frauen lujtig
machte!
Wo seid ihr, Tage, da wir fröhliche Feste
feierten, wenn wieder ein Mitglied unseres
Bundes von reichem Beutezug zurückkehrte,
oder ängstlichen Gemüts den Verhandlungen
vor Gericht folgte, wenn ein lieber Kollege um
feine Freiheit kämpfte?
„Drei Jahrzehnte hindurch habe ich diesem
Kreise angehört", fuhr ich fort. „Mit Stolz
bin ich unter Ihnen gesessen und mit Freude
habe ich die Geschäfte dieses Vereins geleitet,
sofern ich nicht gerade auf kürzere oder längere
Zeit behördlichen Weisungen auf eine Klausur
folgen mußte. In aller Bescheidenheit kann ich
auf eine stattliche Reihe von Berufsarbeiten
verweisen, die ich in dieser Zeit unternommen
habe. Getreu unserer Devise »Vorsichtig und
schnell' bin ich so manchem Anfänger mit
gutem Beispiel vorangegangen, ja, darf wohl
behaupten, habe so manchem unter Ihnen
erst die Grundbegriffe erfolgreichen Arbeitens
beigebracht."
Es ist doch etwas Erhebendes, wenn man
sieht, daß man von seinen Nächsten nach seinem
wahren Wert eingeschätzt wird, daß Verdienste
denn doch nicht einfach vergessen werden. Eine
Begeisterung ohnegleichen zwang mich zur
ünterbrechung meiner Rede.
„Meister, Führer!", schrie es von allen Sei-
ten und man machte wahrhaftig Anstalten, mich
auf den Schultern im Triumphzug durch den
Versammlungssaal zu tragen. Aber ich liebe
nun einmal derartige Huldigungen nicht; sie
widersprechen meiner streng demokratischen Welt-
anschauung.
„Sie alle wissen", setzte ich nach Wiederher-
stellung der Ruhe fort, „daß heutzutage nur
der Spezialist etwas gilt. So wie ein Arzt sich
etwa nur der Kosmetik widmet, ein Techniker
sich vielleicht auf Radio festlegt oder ein Rechts-
anwalt vornehmlich Scheidungssachen über-
nimmt, genau so ist auch für uns die Zeit vor-
bei, da ein und derselbe Kollege heute Laden-
dieb, morgen Fassadenkletterer oder Heirats-
schwindler war. Mein eigenes Gebiet brauche
ich Ihnen, meine Herren, wohl kaum zu nennen.
Hat es doch seit Jahr und Tag in dieser Stadt
keinen Überfall auf Bankboten gegeben, den
ich nicht geleitet hätte, dem meine bescheidenen
Fähigkeiten nicht ihre eigene Note verliehen
hätten."
Dem Uneingeweihten mögen ja solche Aus-
drücke häßlich klingen, „Überfall", was für ein
unheimliches Wort! Und doch hinterläßt ein
sorgfältiger und wohlgezielter Hieb mit dem
Sandsack höchstens auf ein paar Tage Kopf-
schmerzen. Freilich, in den alten kulturlosen
Tagen, da man nicht ohne Schießen auskom-
men zu können glaubte, da war die Furcht vor
uns vielleicht nicht ganz unbegründet. Aber
heute? Man kann mir ruhig glauben, daß in
anderen Gewerben so manche Summe Geldes
mit viel mehr Brutalität und Rücksichtslosig-
keit, mit viel mehr Schmerzen und Tränen ver-
dient wird als bei uns!
„In dieser Spezialisierung liegt aber zugleich
der Grund zu meinem Scheiden aus Ihrer
Mitte", erklärte ich den Anwesenden weiter.
„Erinnern Sie sich noch, daß ich Ihnen vor ein
paar Wochen von meinem Plan erzählte, zwei
Kassenboten den schnöden Mammon abzu-
nehmen, wenn sie die Gelder für die Lohn- und
Gehaltszahlungen von der Kreditbank holen
würden? Nun gut. Sie alle wissen, wie un-
geheure Vorbereitungen wir Leute von der
Überfallsbrigade für unsere ünternehmungen
brauchen, wie wir oft monatelang an den ver-
schiedenen Einzelheiten arbeiten müssen, damit
dann später alles klappt. Ihnen als Fach-
leuten brauche ich das kaum genauer auSein-
anderzusetzen."
Es ist wirklich erstaunlich, wie wenig der
Aus Tirol ErichWalch
DIE
ABSCHIEDSREDE
VON PAUL BURKE
„Jicin, meine Herren, es Hilst alles nichts,
ich muß den Vorsitz im Verein ,Die Promi-
nenten' in Ihre Hände zurücklegen. Ihr Drän-
gen ehrt mich und es fällt mir wahrhaftig
schwer genug, mich von Ihrer liebgewonnenen
Runde zu trennen. Aber ich bin nicht mehr-
würdig, in Ihrer Mitte zu sitzen, geschweige
denn, meine geringen Kräfte der Leitung dieses
Klubs zu widmen."
Ich bin gewiß nicht eingebildet. Aber doch
kann ich wohl mit einigem Recht behaupten,
daß ich bei wichtigen Gelegenheiten noch immer
das paffende Wort gefunden habe. Ob es sich
nun darum handelte, ein Mitglied unseres
Bundes von Unbesonnenheiten zurückzuhalten,
ob ein anderer lieber Kollege daS Feuer meiner
Rede brauchte, um ihm für ein neues Unter-
nehmen den nötigen Schwung und Mut zu
geben: nie habe ich vergeblich auf die Über-
zeugungskraft meiner Worte gerechnet. Es ist
eine Gabe!
„Gewiß, Sie sollen meine schwerwiegenden
Gründe erfahren", setzte ich meine Abschieds-
rede an jenem denkwürdigen DersammlungS-
abend fort. „Ich kann nicht länger die Vor-
bedingungen für eine Mitgliedschaft im Verein
,Die Prominenten' erfüllen. Kurz gesagt, ich
stehe vor einem Berufswechsel."
Ich muß offen gestehen, daß mich für einen
Augenblick die Rührung übermannte. Nicht
daß ich im allgemeinen zu übermäßigen Ge-
fühlsbewegungen neige; aber dieses letzte Bei-
sammensein rief doch zu viele liebe Erinnerungen
wach.
Nie wieder sollte ich den guten alten Dick
sehen, wenn er, Meister, der er ist, von
einem gelungenen Einbruch zurückkommt; nie
wieder wird mir der flotte Henry von seinen
vergnüglichen Fahrten als Taschendieb be-
richten! Schatten der Vergangenheit, da Bill
mir von seinen Wechseltricks erzählte oder Tom
jich über die leichtgläubigen Frauen lujtig
machte!
Wo seid ihr, Tage, da wir fröhliche Feste
feierten, wenn wieder ein Mitglied unseres
Bundes von reichem Beutezug zurückkehrte,
oder ängstlichen Gemüts den Verhandlungen
vor Gericht folgte, wenn ein lieber Kollege um
feine Freiheit kämpfte?
„Drei Jahrzehnte hindurch habe ich diesem
Kreise angehört", fuhr ich fort. „Mit Stolz
bin ich unter Ihnen gesessen und mit Freude
habe ich die Geschäfte dieses Vereins geleitet,
sofern ich nicht gerade auf kürzere oder längere
Zeit behördlichen Weisungen auf eine Klausur
folgen mußte. In aller Bescheidenheit kann ich
auf eine stattliche Reihe von Berufsarbeiten
verweisen, die ich in dieser Zeit unternommen
habe. Getreu unserer Devise »Vorsichtig und
schnell' bin ich so manchem Anfänger mit
gutem Beispiel vorangegangen, ja, darf wohl
behaupten, habe so manchem unter Ihnen
erst die Grundbegriffe erfolgreichen Arbeitens
beigebracht."
Es ist doch etwas Erhebendes, wenn man
sieht, daß man von seinen Nächsten nach seinem
wahren Wert eingeschätzt wird, daß Verdienste
denn doch nicht einfach vergessen werden. Eine
Begeisterung ohnegleichen zwang mich zur
ünterbrechung meiner Rede.
„Meister, Führer!", schrie es von allen Sei-
ten und man machte wahrhaftig Anstalten, mich
auf den Schultern im Triumphzug durch den
Versammlungssaal zu tragen. Aber ich liebe
nun einmal derartige Huldigungen nicht; sie
widersprechen meiner streng demokratischen Welt-
anschauung.
„Sie alle wissen", setzte ich nach Wiederher-
stellung der Ruhe fort, „daß heutzutage nur
der Spezialist etwas gilt. So wie ein Arzt sich
etwa nur der Kosmetik widmet, ein Techniker
sich vielleicht auf Radio festlegt oder ein Rechts-
anwalt vornehmlich Scheidungssachen über-
nimmt, genau so ist auch für uns die Zeit vor-
bei, da ein und derselbe Kollege heute Laden-
dieb, morgen Fassadenkletterer oder Heirats-
schwindler war. Mein eigenes Gebiet brauche
ich Ihnen, meine Herren, wohl kaum zu nennen.
Hat es doch seit Jahr und Tag in dieser Stadt
keinen Überfall auf Bankboten gegeben, den
ich nicht geleitet hätte, dem meine bescheidenen
Fähigkeiten nicht ihre eigene Note verliehen
hätten."
Dem Uneingeweihten mögen ja solche Aus-
drücke häßlich klingen, „Überfall", was für ein
unheimliches Wort! Und doch hinterläßt ein
sorgfältiger und wohlgezielter Hieb mit dem
Sandsack höchstens auf ein paar Tage Kopf-
schmerzen. Freilich, in den alten kulturlosen
Tagen, da man nicht ohne Schießen auskom-
men zu können glaubte, da war die Furcht vor
uns vielleicht nicht ganz unbegründet. Aber
heute? Man kann mir ruhig glauben, daß in
anderen Gewerben so manche Summe Geldes
mit viel mehr Brutalität und Rücksichtslosig-
keit, mit viel mehr Schmerzen und Tränen ver-
dient wird als bei uns!
„In dieser Spezialisierung liegt aber zugleich
der Grund zu meinem Scheiden aus Ihrer
Mitte", erklärte ich den Anwesenden weiter.
„Erinnern Sie sich noch, daß ich Ihnen vor ein
paar Wochen von meinem Plan erzählte, zwei
Kassenboten den schnöden Mammon abzu-
nehmen, wenn sie die Gelder für die Lohn- und
Gehaltszahlungen von der Kreditbank holen
würden? Nun gut. Sie alle wissen, wie un-
geheure Vorbereitungen wir Leute von der
Überfallsbrigade für unsere ünternehmungen
brauchen, wie wir oft monatelang an den ver-
schiedenen Einzelheiten arbeiten müssen, damit
dann später alles klappt. Ihnen als Fach-
leuten brauche ich das kaum genauer auSein-
anderzusetzen."
Es ist wirklich erstaunlich, wie wenig der
Aus Tirol ErichWalch