DER LETZTE WUNSCH
Von Fritz Schick
Der wegen Bankeinbruchs mit darauffolgen-
dem Totschlag zum elektrischen Stuhl ver-
urteiltö Jack Maligan empfing drei Tage vor
seinem schrecklichen Ende den Besuch eines sehr
würdigen und wohlbeleibten Herrn. Es hatte
den Herrn schwere Mühe gekostet, von der
Gefüngnisdirektion die Erlaubnis zu diesem
Besuch zu erhalten. Aber er hatte erklärt, daß
er die Absicht habe, für die Witwe und die
Kinder deö hinzurichtenden Verbrechers zu sor-
gen und daß er zu diesem Zweck unbedingt den
Verurteilten noch einmal sprechen müsse. Der
Gesängnisdirektor wollte einer so philantropi-
schen Absicht nicht hindernd im Wege stehen,
lind so konnte Jack Maligan durch daS dicke
Eisengitter deS Besuchszimmers und in Gegen-
wart von drei schwerbewaffneten Wärtern mit
dem Fremden eine kurze Unterredung führen.
Diese Unterredung wurde sehr schnell und sehr
leise geführt, und obwohl sich die Wärter
Mühe gaben, etwas davon zu verstehen, drang
außer einigen „Ja" und „Wieso" nicht viel an
ihre aufmerksam lauschenden Ohren.
Als sie den würdigen Besucher darauf auf-
merksam machten, eS müsse laut gesprochen
werden, sonst seien sie gezwungen, den Delin-
quenten in die Zelle zurückzusühren, sagte der
wohlbeleibte Herr: „Danke, wir sind schon
fertig." Und zu Jack Maligan gewendet, fuhr
er fort: „Ich denke, wir brauchen nichts
Schriftliches. Mein Wort gilt und Ihres,
hoffe ich, auch!"
„Ich bin ein Ehrenmann", sagte der Ver-
brecher gekränkt. „Auf mich können Sie
Häuser bauen!" Der Fremde verbeugte sich
höflich und ging. Jack Maligan wurde in
seine Zelle zurückgebracht.
„Haben Sie noch einen letzten Wunsch, Jack
Maligan?" fragte der Gefängnisdirektor den
Verbrecher.
„Ich möchte noch eine gute Zigarre zu Ende
rauchen", wünschte Jack Maligan.
Der Gefängnisdirektor zog eine Zigarre aus
seinem eigenen Etui. „Hier", sagte er. „Lassen
Sie sich's schmecken!"
Ein Journalist gab dem Verbrecher Feuer.
Der tat zwei, drei Züge, blies den Rauch von
sich und verzog daS Gesicht zu einer mißmutigen
Fratze. „Dieses Kraut kann man nicht rau-
chen", sagte er. „Hat keiner der Herren eine
bessere Marke?"
Obwohl die Situation ernst war, mußten
die Journalisten lächeln. Einer beeilte sich und
bot Jack Maligan eine neue Zigarre.
Der Verbrecher rauchte schweigend zwei
Minuten, dann warf er die Zigarre wütend
weg. „Fürchterlich", sagte er. „Ich erinnere
mich nicht, jemals einen so schauderhaften
Glimmstengel zwischen den Zähnen gehabt zu
haben. Hat denn keiner eine Zigarre aus Car-
modys Zigarrengeschäft am Michjgan-Boulc-
vard Nr. i[\2 bei sich? DaS sind die einzigen
Zigarren, die man in Amerika wirklich rauchen
kann!"
Die Journalisten sahen sich an. Der Ge-
sängnisdirektor wurde blaß. Aber er konnte
den letzten Wunsch eines zum Tode Verur-
teilten nicht unerfüllt lassen. Es blieb nichts
übrig, als die Hinrichtung um eine Stunde zu
verschieben und aus Carmodys Geschäft am
Michigan-Boulevard durch einen Expreßboten
eine Zigarre holen zu lassen.
Der Verurteilte nahm sie mit gerührter Ge-
nugtuung in Empfang. Innigste Zufriedenheit
und wohligster Genuß spiegelten sich in seinem
harten Antlitz, als er die Zigarre rauchte.
„Sehen Sie, meine Herren", sagte er. „DaS
ist ganz was anderes! Jetzt können Sie mich
ruhig hinrichten!"
Die Zeitungen brachten in balkendicken Let-
tern die sensationellsten Überschriften:
Hinrichtung Jack Maligans!
Der Bankraub gesühnt!
Maligan verlangt vordem elektrischen Stuhl
eine Zigarre!
Erklärt Carmodys Zigarren für die besten in
ganz Amerika!
Carmody-Zigarren ausverkauft!
blnd am Michigan-Boulevard rieb sich der
wohlbeleibte und würdige Herr Carmody die
Hände. Er hatte den besten Reklame-Einsall
seines Lebens gehabt. Nicht sehr geschmackvoll,
aber von einer unerreichten Wirkung.
Jos. Geis
Neue Große Unterstützungsaktion
IV.
„Jeder Mittelständler soll seinen Goldfisch im Topfe haben!“
Die Verteilung von munteren Goldfischchen an den verarmten Mittelstand, der durch
den Kauf von mündelsicheren Goldpfandbriefen, oder durch Abgabe seines Goldes an
den Staat, unverschuldeter Weise in Not geriet, wird das Ertragen dieser Goldverluste
zweifellos wesentlich erleichtern.
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Von Fritz Schick
Der wegen Bankeinbruchs mit darauffolgen-
dem Totschlag zum elektrischen Stuhl ver-
urteiltö Jack Maligan empfing drei Tage vor
seinem schrecklichen Ende den Besuch eines sehr
würdigen und wohlbeleibten Herrn. Es hatte
den Herrn schwere Mühe gekostet, von der
Gefüngnisdirektion die Erlaubnis zu diesem
Besuch zu erhalten. Aber er hatte erklärt, daß
er die Absicht habe, für die Witwe und die
Kinder deö hinzurichtenden Verbrechers zu sor-
gen und daß er zu diesem Zweck unbedingt den
Verurteilten noch einmal sprechen müsse. Der
Gesängnisdirektor wollte einer so philantropi-
schen Absicht nicht hindernd im Wege stehen,
lind so konnte Jack Maligan durch daS dicke
Eisengitter deS Besuchszimmers und in Gegen-
wart von drei schwerbewaffneten Wärtern mit
dem Fremden eine kurze Unterredung führen.
Diese Unterredung wurde sehr schnell und sehr
leise geführt, und obwohl sich die Wärter
Mühe gaben, etwas davon zu verstehen, drang
außer einigen „Ja" und „Wieso" nicht viel an
ihre aufmerksam lauschenden Ohren.
Als sie den würdigen Besucher darauf auf-
merksam machten, eS müsse laut gesprochen
werden, sonst seien sie gezwungen, den Delin-
quenten in die Zelle zurückzusühren, sagte der
wohlbeleibte Herr: „Danke, wir sind schon
fertig." Und zu Jack Maligan gewendet, fuhr
er fort: „Ich denke, wir brauchen nichts
Schriftliches. Mein Wort gilt und Ihres,
hoffe ich, auch!"
„Ich bin ein Ehrenmann", sagte der Ver-
brecher gekränkt. „Auf mich können Sie
Häuser bauen!" Der Fremde verbeugte sich
höflich und ging. Jack Maligan wurde in
seine Zelle zurückgebracht.
„Haben Sie noch einen letzten Wunsch, Jack
Maligan?" fragte der Gefängnisdirektor den
Verbrecher.
„Ich möchte noch eine gute Zigarre zu Ende
rauchen", wünschte Jack Maligan.
Der Gefängnisdirektor zog eine Zigarre aus
seinem eigenen Etui. „Hier", sagte er. „Lassen
Sie sich's schmecken!"
Ein Journalist gab dem Verbrecher Feuer.
Der tat zwei, drei Züge, blies den Rauch von
sich und verzog daS Gesicht zu einer mißmutigen
Fratze. „Dieses Kraut kann man nicht rau-
chen", sagte er. „Hat keiner der Herren eine
bessere Marke?"
Obwohl die Situation ernst war, mußten
die Journalisten lächeln. Einer beeilte sich und
bot Jack Maligan eine neue Zigarre.
Der Verbrecher rauchte schweigend zwei
Minuten, dann warf er die Zigarre wütend
weg. „Fürchterlich", sagte er. „Ich erinnere
mich nicht, jemals einen so schauderhaften
Glimmstengel zwischen den Zähnen gehabt zu
haben. Hat denn keiner eine Zigarre aus Car-
modys Zigarrengeschäft am Michjgan-Boulc-
vard Nr. i[\2 bei sich? DaS sind die einzigen
Zigarren, die man in Amerika wirklich rauchen
kann!"
Die Journalisten sahen sich an. Der Ge-
sängnisdirektor wurde blaß. Aber er konnte
den letzten Wunsch eines zum Tode Verur-
teilten nicht unerfüllt lassen. Es blieb nichts
übrig, als die Hinrichtung um eine Stunde zu
verschieben und aus Carmodys Geschäft am
Michigan-Boulevard durch einen Expreßboten
eine Zigarre holen zu lassen.
Der Verurteilte nahm sie mit gerührter Ge-
nugtuung in Empfang. Innigste Zufriedenheit
und wohligster Genuß spiegelten sich in seinem
harten Antlitz, als er die Zigarre rauchte.
„Sehen Sie, meine Herren", sagte er. „DaS
ist ganz was anderes! Jetzt können Sie mich
ruhig hinrichten!"
Die Zeitungen brachten in balkendicken Let-
tern die sensationellsten Überschriften:
Hinrichtung Jack Maligans!
Der Bankraub gesühnt!
Maligan verlangt vordem elektrischen Stuhl
eine Zigarre!
Erklärt Carmodys Zigarren für die besten in
ganz Amerika!
Carmody-Zigarren ausverkauft!
blnd am Michigan-Boulevard rieb sich der
wohlbeleibte und würdige Herr Carmody die
Hände. Er hatte den besten Reklame-Einsall
seines Lebens gehabt. Nicht sehr geschmackvoll,
aber von einer unerreichten Wirkung.
Jos. Geis
Neue Große Unterstützungsaktion
IV.
„Jeder Mittelständler soll seinen Goldfisch im Topfe haben!“
Die Verteilung von munteren Goldfischchen an den verarmten Mittelstand, der durch
den Kauf von mündelsicheren Goldpfandbriefen, oder durch Abgabe seines Goldes an
den Staat, unverschuldeter Weise in Not geriet, wird das Ertragen dieser Goldverluste
zweifellos wesentlich erleichtern.
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