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37. JAHRGANG

G E N D

1 9 3 2 / NR. 31

)F A\ M II )L II IE

von Lena M. R h a n

Monsieur, der Verständnisvolle: Um Himmels
willen, warum weinst du? Beruhige dich doch,
willst du Aspirin oder ein neues Kleid oder ...

Madame, die trotzdem Unverstandene: Aber
nein. Ich will... ich möchte... ich kann es
nicht sagen. Ach, ich bin manchmal so schrecklich
allein!

Monsieur: Vielleicht wärst du mit einem
neuen Sommerpelz weniger allein, Amy, oder
mit einem kleinen Wagen oder mit einer Katze,
schließlich könntest du dir auch irgendwie die Zeit
vertreiben. Wenn du arbeiten würdest...

Madame: Aber Tino, du bist lächerlich,
arbeiten ist doch kein Zeitvertreib. Zeitvertreib
ist, was einem Vergnügen macht. Ich werde es
dir doch sagen, Valentin, ich möchte dich um
etwas bitten, aber du darfst nicht erstaunt sein.
Es fehlt uns etwas zur Familie, Tino, das
Dritte, würdest du traurig sein, wenn wir nicht
mehr ganz allein wären.

Monsieur: Jetzt verstehe ich
erst, daS wolltest du doch nie, seit
wann denn?

Madame: Aber, mein Gott,
das meiste, was man will, hat
inan früher einmal nicht gewollt.

Du wolltest Zigeuner oder Omni-
busschaffner werden, und jetzt bist
du Kaufmann, nicht wahr? Es
würde auch gar nicht so viel
teurer werden, ich würde auf der
anderen Seite doch sparen. Ich
würde zum Beispiel nicht mehr
jeden Tag in die Stadt zur
Tennisstunde fahren, ich würde
den ganzen Tag zu Hause bleiben
und nur noch hier spielen, und
was glaubst du, wie Jenny sich
ärgern würde. Du mußt auch
nicht denken, daß ich so bin wie
Hilda, die ihren Mann vernach-
läjsigt hat, sowie sie nur ein Kind
im Hause hatte.

Monsieur: Aber ich finde die
Idee ja gar nicht schlecht, Amy.

Madame: Siehst du, eine Frau
wie ich braucht so etwas, das

immer da ist, womit man sich beschäftigen kann,
und das nicht weglaufen muß, um Geschäfte zu
inachen. Du bist doch nicht böse?

Monsieur: Aber durchaus nicht, ich bin ganz
einer Meinung mit dir.

Madame: Du mußt natürlich bedenken, daß
es unseren Etat etwas verteuern wird, drei essen
mehr als zwei, als Zimmer könnten wir ja das
Fremdenzimmer nehmen, das sowieso immer
leersteht. Ich will auch gern auf alle Ver-
gnügungen verzichten, nur daS große Turnier
am 6. inöcht ich mitinachen, in dem Single gegen
Jenny muß ich gewinnen, und dazu muß ich
bestimmt jeden Tag trainieren. Der Arzt sagt
auch, das Tennisspielen kann meiner Gesundheit
nur zuträglich sein.

Monsieur: Ich sehe schon, sehr viel allein
werden wir nicht mehr sein.

Madame: Aber daS inerkt man gar nicht so,
Liebling, wir sitzen dann gemütlich zu dreien um

den Kamin herum, ohne viel zu reden, das liebst
du doch, und du dürftest dann auch ab und zu
in die Zeitung sehen. Vielleicht werden wir uns
sogar noch besser verstehen, wenn wir einen
unparteiischen .Schiedsrichter, der uns beide gern
hat, für unseren gelegentlichen Streit haben,
glaubst du nicht?

Monsieur: Gib mir einen Kuß, Amy, ich bin
begeistert. Ich hätte nie gedacht, daß du deine
mondänen Neigungen für ein glückliches
Familienleben und zwei Menschen opfern
könntest.

Madame: Aber du übertreibst, Tino, daran
denke ich gar nicht, ich glaube fast, du miß-
verstehst mich.

Monsieur: Keineswegs, mein Herz, nur in
der ersten Zeit wirst du vielleicht etwas vor-
sichtig sein müssen. Es ist unbedingt anstrengen-
der, zwei Menschen zu versorgen als einen, für
deine Nerven besonders, du bist sehr zart, Amy,
ich möchte auf keinen Fall, daß
deine Gesundheit darunter leidet...

Madame (gereizt): Du bist
taktlos, mein Lieber!

Monsieur: Taktlos ... taktlos
nennst du das, wenn ich mich um
dich sorge. Ich wünsche wirklich,
das Baby wäre erst groß genug,
um sein Urteil abzugeben.

Niadame: Baby? Aber du bist
verrückt, er ist durchaus groß
genug, er ist sogar zwei Jahre
älter als t)u, er wird demnächst...

Monsieur (dieRuhe verlierend):
Aber wer ... von wem sprichst du
denn eigentlich?

Madame: Wie merkwürdig du
bist... von dem Tennistrainer
Johannsen, von dem ich die ganze
Zeit spreche, und den ich gern inS
Haus nehmen möchte. Erstens ist
er ein reizender Mensch, zweitens
kann er sein Zimmer in der Stadt
reicht mehr bezahlen, und drittens
will ich mit ihm täglich für das
große Turnier am 6. trainieren.
Was dachtest du denn eigentlich?

Ehrbare Annäherung

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Heinrich Kley

432
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Heinrich Kley: Ehrbare Annäherung
Lena M. Rhan: Familie
 
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