Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
37. JAHRGANG

1 932 / NR. 42

as

e i

an

er

an

Von E. V. Lucas

Das Gespräch war auf daS Übernatürliche
geraten und die meisten von unS hatten irgend-
ein seltsames Ereignis erzählt, ohne jedoch eine
besondere Wirkung zu erzielen. Unter den An-
wesenden befand sich auch ein älterer Herr mit
einem ängstlichen, blassen Gesicht, der mir un-
bekannt war. Er beobachtete jeden Sprecher
mit größter Aufmerksamkeit, sagte aber nichts.
Endlich wandte sich Dabney, unser Gastgeber,
um ihn in das Gespräch zu ziehen, an ihn und
fragte, ob er nicht auch eine Geschichte zum
besten geben könne, die etwas Unerklärbares
enthalte.

Der Angeredete dachte einen Augenblick lang
nach. „Ja", sagte er dann, „eine Geschichte im

gewöhnlichen Sinne des Wortes i>t eS freilich
nicht. Ich könnte Ihnen etwas erzählen, was
mir persönlich widerfahren ist und sonderbarer-
weise gerade erst heute nachmittags seinen Ab-
schluß gesunden hat."

„Erzählen Sie", baten wir alle.

„Vor ungefähr zwei Jahren wohnte ich in
einem alten Haus in der Ormond-Straße. Die
Wände des Schlafzimmers waren von einem
früheren Mieter her eintönig grau gemalt,
aber das Haus war feucht und es zeigten sich
große, verfärbte Flecke. Einer von diesen sah,
wie eS ja häufig vorkommt, genau so auS wie
ein menschliches Gesicht, aber viel treuer und
überraschender, lebensähnlicher als gewöhnlich.

Wenn ich des Morgens noch im Bett lag und
das Aufstehen ein wenig aufschob, pflegte ich
das Gesicht wieder und wieder anzusehen, und
mit der Zeit begann ich eS für wirklich zu
halten — für einen Hausgenossen sozusagen.
DaS Sonderbare daran war dies: während die
anderen Flecke größer wurden und ihre Um-
risse veränderten, blieb dieser eine immer ganz
gleich.

In der Zeit, da ich dort wohnte, hatte ich
eine böse Grippe, die mich lange ans Bett
fesselte. Damals war es, daß das Gesicht mich
mehr und mehr zu beschäftigen begann. Ich
muß gestehen, es beherrschte bald meine Ge-
danken bei Tag und Nacht. Es wurde immer


zsa



c

v%ij\

c

\


Wj

' Lj,

'

5



”®=s.

u

y


Der Erbe

Heinrich Kley

658
Register
Heinrich Kley: Der Erbe
E. v. Lucas: Das Gesicht an der Wand
 
Annotationen