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Als der Zug beinahe schon die Grenze erreicht
hatte, stieß eine gelbe, knochige Hand die Tür
deö Abteils aus. — ,,'tschuldigen", quäkte dazu
eine etwas weinerlich klingende Stimme, „ist
hier noch ein Platz frei?" Und obwohl niemand
klar antwortete, drängte sich bereits ein kleiner
Herr in grauem Reiseanzug ins Kupee —
„So", lächelte er, „da wäre ich." — blnd sich
an einen eleganten Herrn wendend: „Ach bitte,
meine Kräfte reichen leider nicht, möchten Sie
mir nicht meinen Koffer ins Gepäcknetz heben?"

— Der elegante Herr sah erstaunt auf. Aber
er wollte nicht unhöflich erscheinen und so schob
er mit einem Schwupps den ziemlich schweren
Koffer des kleinen Mannes ins oberste Fach.

„Danke vielmals", nickte der Kleine, „wissen
Sie, ich kann nämlich überhaupt nichts
Schweres tragen, ich verlasse mich stets auf die
Hilfsbereitschaft meiner Mitmenschen. Edlc
Seelen findet man ja immer noch, nicht wahr,
hihi?"

Er blickte ermunternd im Kr.'.'se herum. Doch
fünf Menschen mit eingefrorenen Mienen be-
zeigten keine Lust, mit dem neuen Fahrgast, der
ihre bisherige, ach so einträchtige Ruhe störte,
ein Gespräch beginnen zu wollen.

Allein der kleine Mann schien diese Ab-
weisung nicht zu bemerken, Umständlich kramte
er jetzt auS seiner Tasche das Kursbuch hervor.

— „So", begann er wieder und blätterte nervös
in dem dicken Wälzer herum, „werden wir
gleich haben. Ja, da stehts schon, also gerade

noch eine halbe Stunde bis zur Grenze. Dann
ist alles glücklich vorüber!" Und wieder sandte
er ein freundliches Lächeln zu den anderen
Passagieren. — „Sie müssen nämlich wissen,
ich fahre sehr oft diese Strecke, nun, hehe, bei
diesen Zeiten, — Sie verstehen-

Der junge Mann links in der Ecke sah jetzt
auf. Und interessiert echote er: „Sie sagen, Sie
fahren oft hier?"

„Ja", wackelte der Kleine mit dein Kopf,
„sehr oft, beinahe jede Woche. Ich bin da
geradezu schon bekannt. Ich brauche nicht ein-
mal mehr meinen Paß herzuzeigen."

Nun räusperte sich auch die hübsche junge
Dame von gegenüber. — „Verzeihen Sie, mein
Herr", begann sie zaghaft, „wenn Sie so oft
hier fahren, da wissen Sie wohl auch, hm, ich
meine, — ist die Grenzkontrolle sehr streng?"

Der kleine Graue ließ eine pfiffige Miene
sehen.

„Ja", flüsterte er geheimnisvoll, „das läßt
sich nicht so einfach sagen. Manchmal ist sie
streng, manchmal nicht. Heute wird sie wieder
sehr streng sein."

„Heute, wieso gerade heute?" mischte sich nun
auch der dritte Fahrgast, ein beleibter Herr
mittleren Alters, mit glänzender Glatze, ins
Gespräch, „woher wollen Sie wissen, daß
gerade heute —"

Der kleine Graue zog aus seiner Tasche ein
winziges Notizbuch.

„Sehen Sie", klopfte er darauf, „ich habe
mir da die Touren der Kontrollorgane aus-
geschrieben Ganz genau. So weiß ich immer,
wer drankommt, Und darnach richte ich mich.
Sind es die freundlichen Grenzer, dann verstecke
ich gar nichts. Denn die sehen meinen Koffer
ohnehin nicht durch. SindS aber die strengen,
dann muß man gewiß sein, daß sie alle Gepäck-
stücke öffnen lassen und genau nach zollpflich-
tigen Papieren und Valuten Ausschau halten."

Der elegante Herr tastete nach seinem Kneifer.
„Und heute —" zitterte seine Stimme, „heute
jinds gerade die strengen?"

„Ja", wiederholte der Kleine mit einer fast
schon sadistisch zu nennenden Freude, „die ganz
strengen. Die haben bei mir zwei Krerizerln, wie
im Baedeker, hehe! Voriges Mal verlangten
diese Leute sogar Leibesvisitation. Nicht nur für
Herren, sondern auch bei den Damen. Jawohl,
mein Fräulein, bis aufs — oh pardon! Aber
wirklich, alles hat man auSziehen müssen."

„Und was wurde gefunden?"

„Alles wurde gefunden. Geld, noch so gut
versteckt, kam ans Tageslicht. Ein Herr hatte
einen Scheck über einen hohen Betrag in einer
Rasiercremetube verborgen. Ausgerechnet diese
Rasiercremetube machten die Grenzer auf. Eine
Dame trug ein paar Dollar unter ihrem
Büsten — oh, pardon, Fräulein, — aber. es
war wirklich so. Die Grenzer rufen die Toilette-
frau, die greift — und die Dollar sind schon da!"

„Na, und daö Gepäck?"

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1932 / JUGEND Nr. 49

777
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Erwin Stranik: Nur ein nervöser kleiner Herr
 
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