„Dafür", ruft Emilie ablenkend, „trocknet er
feuchtes Haar ganz kolossal rasch." Und schon
hat sie umgeschaltet, Dante Isolde fährt ein
Föhnsturm ins Gesicht, gegen den die Winds-
braut am Brocken ein Mailüftchen ist, Dante
fliegen alle Haare vom Kopf, das Zäpfchen,
das sie als Droh gegen den unsittlichen Bubi-
kopf trägt, schlingt sich ihr nicht mehr zum
Nacken hinab, sondern hängt auf dem Bilde
„Ruhende Kühe", und ein Kahlköpfchen wird
sichtbar, daS in rotem Zorne glüht wie das
Feuer der Hölle.
Ach, was soll ich noch mehr erzählen? Dom
Telephon, seinen falschen Anschlüssen und sinn-
losen Verbindungen, vom Heißwasserspeicher,
der dem Besuch einen Strahl EiSwasserS über
die Hände schüttet, vom Photoapparat, der
glaubt, man wünscht Ausnahmen für ein
Lachkabinett zu inachen, während man Erinne-
rungsbildchen für eine Trauerfeier herzu stellen
gedachte? — Es ist schon so, wie ich eingangs
sagte: die Gegenstände gleichen den Muster-
kindern. Geschaffen, uns immer zu erfreuen,
wenn wir eigentlich keiner Freude bedürfen, —
und uns bestimmt beschämend und dem Spott
unserer lieben Nächsten auSsehcnd, sobald wir
mit ihnen paradieren wollen, blnd das ist der
heilsame Fortschritt der Technik im traulichen
Heim!
Mittelmäßigkeit
Don G. Günther
Der mittelmäßig gewachsene, mittelmäßig
hübsche, mittelmäßig kluge, mittelmäßig be-
güterte und mittelmäßig verdienende Kaufmann
Albert Dielhus heiratete die für seine Mittel-
mäßigkeit viel zu schöne, viel zu kluge, viel zu
verwöhnte Dera Lerman.
Daß der Mittelmäßige aus die Auserlesene
verfiel, ist nicht erstaunlich. Daß aber Dera
Lerman den Mittelmäßigen geheiratet hat?
Nun, ihre bisherigen Erfahrungen mit den
Männern, mit den sehr hübschen, mit den sehr
klugen, mit den sehr reichen und den sehr ver-
dienenden Männern waren schlecht gewesen. Sie
alle hatten sich sehr, sie hatten sich sogar außer-
ordentlich für Deras ausfallende Erlesenheit
interessiert. Man huldigte ihr. Man unterhielt
sich mit ihr. Man verschwendete Geld für sie.
Man reiste mit ihr und hüllte sie in Luxus.
Aber keiner hatte sie geheiratet. So verfiel Dera
auf den Mittelmäßigen. Es war zugleich eine
kleine Ruhepause, die jede Frau nach einem
anstrengenden Leben nötig hat, eS ist besser für
ihre Schönheitspflege, für ihren Ruf, für ihr
Gleichgelvicht. Es gibt für solch eine Ruhepause
nichts Geeigneteres als einen Mittelmäßigen.
Die schöne Frau Dera Dielhus saß in einem
Opel, sie saß darin sehr herablassend und der
Opel paßte nicht zu ihr. Ein „Ästhet" bot ihr
deshalb einen Cardillar an. Die kluge Dera
Dielhus unterhielt sich mit ihrem Mann über
das Wirtschaftsproblem des Kleinhandels und
die schlechten Aussichten aus dem Weltmarkt
solvie über den niederen Stand der Papiere.
Ein Großindustrieller, der gute Verträge mit
Rußland und anderen Staaten in der Tasche
hatte, sprach viel großzügiger über die Ge-
schäftslage und die Großzügigkeit paßte sich
DeraS Außerordentlichkeit viel besser an. Albert
Dielhus brachte, seinen Verhältnissen ent-
sprechend, Dera zu einer mittelmäßigen
Schneiderin, bei der auch seine Schwester
arbeiten ließ. Dera ließ sich dort Garten-
kleider nähen, die Mittelmäßigkeit wirkte an ihr
grotesk, wie die Erscheinung einer Rose unter
Gänseblümchen. Man sorgte von anderer Seite
dafür, daß sie in erstklassigen SchneideratelierS
arbeiten lassen konnte. Selbstverständlich revan-
chierte sich Dera für die Anregungen innerer und
äußerer Art, die ihr zuteil wurden und die ihrer
Außerordentlichkeit zukamen. Sie revanchierte
sich auserlesen-aber sie vergaß dabei nicht
an ihren guten, mittelmäßigen Hintergrund, den
Albert Dielhus. bind deshalb ließ sie sich nicht
von ihm scheiden. (Fortsetzung S. 791)
Rudolf Kriesch
feuchtes Haar ganz kolossal rasch." Und schon
hat sie umgeschaltet, Dante Isolde fährt ein
Föhnsturm ins Gesicht, gegen den die Winds-
braut am Brocken ein Mailüftchen ist, Dante
fliegen alle Haare vom Kopf, das Zäpfchen,
das sie als Droh gegen den unsittlichen Bubi-
kopf trägt, schlingt sich ihr nicht mehr zum
Nacken hinab, sondern hängt auf dem Bilde
„Ruhende Kühe", und ein Kahlköpfchen wird
sichtbar, daS in rotem Zorne glüht wie das
Feuer der Hölle.
Ach, was soll ich noch mehr erzählen? Dom
Telephon, seinen falschen Anschlüssen und sinn-
losen Verbindungen, vom Heißwasserspeicher,
der dem Besuch einen Strahl EiSwasserS über
die Hände schüttet, vom Photoapparat, der
glaubt, man wünscht Ausnahmen für ein
Lachkabinett zu inachen, während man Erinne-
rungsbildchen für eine Trauerfeier herzu stellen
gedachte? — Es ist schon so, wie ich eingangs
sagte: die Gegenstände gleichen den Muster-
kindern. Geschaffen, uns immer zu erfreuen,
wenn wir eigentlich keiner Freude bedürfen, —
und uns bestimmt beschämend und dem Spott
unserer lieben Nächsten auSsehcnd, sobald wir
mit ihnen paradieren wollen, blnd das ist der
heilsame Fortschritt der Technik im traulichen
Heim!
Mittelmäßigkeit
Don G. Günther
Der mittelmäßig gewachsene, mittelmäßig
hübsche, mittelmäßig kluge, mittelmäßig be-
güterte und mittelmäßig verdienende Kaufmann
Albert Dielhus heiratete die für seine Mittel-
mäßigkeit viel zu schöne, viel zu kluge, viel zu
verwöhnte Dera Lerman.
Daß der Mittelmäßige aus die Auserlesene
verfiel, ist nicht erstaunlich. Daß aber Dera
Lerman den Mittelmäßigen geheiratet hat?
Nun, ihre bisherigen Erfahrungen mit den
Männern, mit den sehr hübschen, mit den sehr
klugen, mit den sehr reichen und den sehr ver-
dienenden Männern waren schlecht gewesen. Sie
alle hatten sich sehr, sie hatten sich sogar außer-
ordentlich für Deras ausfallende Erlesenheit
interessiert. Man huldigte ihr. Man unterhielt
sich mit ihr. Man verschwendete Geld für sie.
Man reiste mit ihr und hüllte sie in Luxus.
Aber keiner hatte sie geheiratet. So verfiel Dera
auf den Mittelmäßigen. Es war zugleich eine
kleine Ruhepause, die jede Frau nach einem
anstrengenden Leben nötig hat, eS ist besser für
ihre Schönheitspflege, für ihren Ruf, für ihr
Gleichgelvicht. Es gibt für solch eine Ruhepause
nichts Geeigneteres als einen Mittelmäßigen.
Die schöne Frau Dera Dielhus saß in einem
Opel, sie saß darin sehr herablassend und der
Opel paßte nicht zu ihr. Ein „Ästhet" bot ihr
deshalb einen Cardillar an. Die kluge Dera
Dielhus unterhielt sich mit ihrem Mann über
das Wirtschaftsproblem des Kleinhandels und
die schlechten Aussichten aus dem Weltmarkt
solvie über den niederen Stand der Papiere.
Ein Großindustrieller, der gute Verträge mit
Rußland und anderen Staaten in der Tasche
hatte, sprach viel großzügiger über die Ge-
schäftslage und die Großzügigkeit paßte sich
DeraS Außerordentlichkeit viel besser an. Albert
Dielhus brachte, seinen Verhältnissen ent-
sprechend, Dera zu einer mittelmäßigen
Schneiderin, bei der auch seine Schwester
arbeiten ließ. Dera ließ sich dort Garten-
kleider nähen, die Mittelmäßigkeit wirkte an ihr
grotesk, wie die Erscheinung einer Rose unter
Gänseblümchen. Man sorgte von anderer Seite
dafür, daß sie in erstklassigen SchneideratelierS
arbeiten lassen konnte. Selbstverständlich revan-
chierte sich Dera für die Anregungen innerer und
äußerer Art, die ihr zuteil wurden und die ihrer
Außerordentlichkeit zukamen. Sie revanchierte
sich auserlesen-aber sie vergaß dabei nicht
an ihren guten, mittelmäßigen Hintergrund, den
Albert Dielhus. bind deshalb ließ sie sich nicht
von ihm scheiden. (Fortsetzung S. 791)
Rudolf Kriesch