3. Hegenbarth
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K
Jeder hat zu kämpfen
„Ach wissen Sie, heule hal’s niemand leicht, wir Zahnärzte leben auch nur von der Hand in anderer Leute Mund.“
Der Kontrolleur
(Fortsetzung von S. 795)
fnopff aus, daß der Bankprokurist nicht den
Mut hatte, ein Gespräch über den Regenschirm
anzufangen, den er nicht besaß.
Ein paar Tage später, als Fräulein Gloria
sich früh morgens verspätet hatte und in der
letzten Minute nach der Elektrischen stürzen
mußte, entdeckte sie, daß sie ihr Portemonnaie
zti Hause hatte liegen lassen.
„Ein einziges Mal", dachte sie, „kann ich
wohl schwarzfahren. Ich werde versuchen, mir
den Schaffner zu merken, und ihn das nächste
Mal bezahlen.
Zum Glück war der Wagen sehr besetzt,
klnter den Fahrgästen befand sich auch Her-
mann Agard, aber das merkte Fräulein Gloria
nicht gleich. Dicht hinter Fräulein Gloria be-
stieg Ernst Waldati den Wagen. Als sie eine
Weile dagesessen hatte, blickte sie sich um, ob
von seiten des Schaffners eine Gefahr drohte.
Da entdeckte sie die beiden stillen Bewunderer.
Der Schaffner ging ein paarmal durch den
Wagen und bemerkte Fräulein Gloria als Neu-
eingestiegene nicht. Waldau und Agard, die
Fräulein Gloria von Anfang an mit den Augen
verschlungen hatten, sahen deutlich, daß sie
keinen Fahrschein gelöst hatte.
Der Wagen rollte anscheinend ruhig tind
friedlich weiter. Fräulein Gloria konnte die
Gewitterwolke nicht sehen, die in Gestalt eines
Kontrolleurs auf dem Hinterperron aufzog.
Aber Herr Agard, der rückwärts fuhr, be-
merkte den Kontrolleur und lächelte grausam.
„Jetzt kommt die Strafe, du eingebildetes
Ding, weil du meinen Regenschirm ausge-
schlagen hast!" dachte er.
Als Fräulein Gloria den Kontrolleur ent-
deckte, wurde sie über und über rot.
„Ach, wie schrecklich! Ausgerechnet das ein-
zige Mal, das ich schwarzfahren will, muß
so ein schrecklicher Kontrolleur kommen! Hätte
ich bloß diesen Menschen mit seinem Schirm
damals nicht abgewiesen, dann hätte er gern
für mich ausgelegt!"
Fräulein Gloria zitterte jetzt am ganzen
Leibe. Sie hatte eine dunkle Ahnung, daß inan
wegen Betrugs bestraft werden kann, wenn man
beim Schwarzfahren ertappt wird.
Der Kontrolleur kam immer näher. Schließ-
lich war er bei der neben Fräulein Gloria
sitzenden Dame angelangt und sah sich ihren
Fahrschein an. Sie hoffte, daß sich der Fuß-
boden öffnen und sie verschlingen würde.
Aber wider alle Naturgesetze und Straßen-
bahnvorschristen ging der Kontrolleur ganz ge-
mütlich an Fräulein Gloria vorbei.
Dieses Versehen war unfaßbar, aber es war
am besten, die Gelegenheit wahrztinehmen, ehe
er seinen Irrtum vielleicht entdeckte. Fräulein
Gloria stieg an der ersten Haltestelle ab. DaS
tat Ernst Waldau auch. Hinter sich hörte
Fräulein Gloria eine Stimme:
„Verzeihung, ich bin Kontrolleur Janssen.
Wie ist es mit..."
„Ogottogottogott!" rief Fräulein Gloria
Bartsch. „Ich habe heute mein Portemonnaie
zu Hause liegen lassen. Es ist daS erste Mal,
daß ich ohne zu bezahlen Elektrische gefahren
bin."
„Soo?" sagte der Bankprokurist mit ge-
spielter Strenge. „Schwarzfahrerin sind Sie
auch? Eigentlich handelte es sich um ..."
„Ogottogottogott! Sie kommen wohl vom
Rundfunk..."
„Sooo? Rundfunkschwarzhörerin sind Sie
auch?"
„Ach Gott, ich weiß, Sie kommen von den
Gaswerken!"
Als Herr Waldau glaubte, Fräulein Gloria
798
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Jeder hat zu kämpfen
„Ach wissen Sie, heule hal’s niemand leicht, wir Zahnärzte leben auch nur von der Hand in anderer Leute Mund.“
Der Kontrolleur
(Fortsetzung von S. 795)
fnopff aus, daß der Bankprokurist nicht den
Mut hatte, ein Gespräch über den Regenschirm
anzufangen, den er nicht besaß.
Ein paar Tage später, als Fräulein Gloria
sich früh morgens verspätet hatte und in der
letzten Minute nach der Elektrischen stürzen
mußte, entdeckte sie, daß sie ihr Portemonnaie
zti Hause hatte liegen lassen.
„Ein einziges Mal", dachte sie, „kann ich
wohl schwarzfahren. Ich werde versuchen, mir
den Schaffner zu merken, und ihn das nächste
Mal bezahlen.
Zum Glück war der Wagen sehr besetzt,
klnter den Fahrgästen befand sich auch Her-
mann Agard, aber das merkte Fräulein Gloria
nicht gleich. Dicht hinter Fräulein Gloria be-
stieg Ernst Waldati den Wagen. Als sie eine
Weile dagesessen hatte, blickte sie sich um, ob
von seiten des Schaffners eine Gefahr drohte.
Da entdeckte sie die beiden stillen Bewunderer.
Der Schaffner ging ein paarmal durch den
Wagen und bemerkte Fräulein Gloria als Neu-
eingestiegene nicht. Waldau und Agard, die
Fräulein Gloria von Anfang an mit den Augen
verschlungen hatten, sahen deutlich, daß sie
keinen Fahrschein gelöst hatte.
Der Wagen rollte anscheinend ruhig tind
friedlich weiter. Fräulein Gloria konnte die
Gewitterwolke nicht sehen, die in Gestalt eines
Kontrolleurs auf dem Hinterperron aufzog.
Aber Herr Agard, der rückwärts fuhr, be-
merkte den Kontrolleur und lächelte grausam.
„Jetzt kommt die Strafe, du eingebildetes
Ding, weil du meinen Regenschirm ausge-
schlagen hast!" dachte er.
Als Fräulein Gloria den Kontrolleur ent-
deckte, wurde sie über und über rot.
„Ach, wie schrecklich! Ausgerechnet das ein-
zige Mal, das ich schwarzfahren will, muß
so ein schrecklicher Kontrolleur kommen! Hätte
ich bloß diesen Menschen mit seinem Schirm
damals nicht abgewiesen, dann hätte er gern
für mich ausgelegt!"
Fräulein Gloria zitterte jetzt am ganzen
Leibe. Sie hatte eine dunkle Ahnung, daß inan
wegen Betrugs bestraft werden kann, wenn man
beim Schwarzfahren ertappt wird.
Der Kontrolleur kam immer näher. Schließ-
lich war er bei der neben Fräulein Gloria
sitzenden Dame angelangt und sah sich ihren
Fahrschein an. Sie hoffte, daß sich der Fuß-
boden öffnen und sie verschlingen würde.
Aber wider alle Naturgesetze und Straßen-
bahnvorschristen ging der Kontrolleur ganz ge-
mütlich an Fräulein Gloria vorbei.
Dieses Versehen war unfaßbar, aber es war
am besten, die Gelegenheit wahrztinehmen, ehe
er seinen Irrtum vielleicht entdeckte. Fräulein
Gloria stieg an der ersten Haltestelle ab. DaS
tat Ernst Waldau auch. Hinter sich hörte
Fräulein Gloria eine Stimme:
„Verzeihung, ich bin Kontrolleur Janssen.
Wie ist es mit..."
„Ogottogottogott!" rief Fräulein Gloria
Bartsch. „Ich habe heute mein Portemonnaie
zu Hause liegen lassen. Es ist daS erste Mal,
daß ich ohne zu bezahlen Elektrische gefahren
bin."
„Soo?" sagte der Bankprokurist mit ge-
spielter Strenge. „Schwarzfahrerin sind Sie
auch? Eigentlich handelte es sich um ..."
„Ogottogottogott! Sie kommen wohl vom
Rundfunk..."
„Sooo? Rundfunkschwarzhörerin sind Sie
auch?"
„Ach Gott, ich weiß, Sie kommen von den
Gaswerken!"
Als Herr Waldau glaubte, Fräulein Gloria
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