Die Politik
Der Gau tag der Wiener Nazi gab auch den
anderen „kampfesfrohen" Parteien Gelegenheit
zu uniformierter Demonstrationstätigkeit.
An diesem Tage geschah eS nun, daß an einer
Straßenkreuzung in Hernals vier in allen
Parteifarben des Spektrums prangende Jüng-
linge zusammenstießen: ein Jungsozialist ln der
blauen Bluse, ein knallroter Rotsrontkämpe, ein
Nazi-Braunhemdler und ein junger Mann in
einem kackerlgelben Sporthemd.
Selbstverständlich grüßten sie einander —
justament.
Der Marxist in Blau ries: „Freundschaft!"
„Heil Hitler", donnerte der Braune.
„Rotsront!" gröhlte der blutrote Kommunist.
Der vierte aber, der knallgelbe, sagte schlicht:
„LecktS mi am-!"
Da fragten die drei anderen, sichtlich erstaunt:
„JessaS, was iS denn deeS wieder für a neuer
Parteigruß???" Spt.
Der Satan im Haus. . .
Der englische Rundfunk sucht seit Wochen
für die Aufführung eines nach Milton ge-
schriebenen Hörspiels „Der Rat der Höllen-
fürsten" einen Darsteller, dessen Stimme durch
Tonfall und Klangcharakter den Satan sinn-
fällig verkörpert. Man hat schon mit einer
ganzen Reihe von Sprechern geprobt, aber kein
rechter Satan ist unter ihnen; die Stimmen
sind alle „zu menschlich" und entbehren des
rechten „höllischen Beigeschmacks". Man will
nun im Auslande suchen.
— DaS ist der richtige Weg. Der Teufel ist
immer nur im Ausland. T—s.
Weihnachtseinkäufe
V o n G. G ü n t h e r
Weihnachten rückt immer näher. Aber Hilde
hat für Weihnachtseinkäufe keine Zeit. Eigent-
lich wäre Mama zu beschenken. Papa. Der
große Bruder Kurt. Die kleine Schwester Lola.
Bielleicht sogar Hans, der Verehrer —? Aber
nein, ihn streicht sie in Gedanken sofort wieder
aus. Wegen des knappen Taschengeldes, blnd
dann soll man Männer nicht verwöhnen. Hilde
ist ein modernes Mädchen.
Aber sie kommt einfach nicht dazu, die Ein-
käufe zu machen. Heute vormittag war Hal-
lentennis. Nachmittags Tanztee. Abends Ball
bei Brauns. Morgen vormittag Gymnastik.
Nachmittags Tanzkonkurrenz. Abends liest einer
der Verehrer, wenn auch zweite Garnitur, Teile
seines Dramas in einem Verein für junge
Künstler, blbermorgen Besprechung wegen des
WohltätigkeitSabendS. Nein, sie möchte ja gern,
aber eS geht beim besten Willen nicht. DaS
überlegt Hilde und schlendert vom Tanztee zu
einer Verabredung mit Hans in eine kleine Kon-
ditorei, bevor sie nach Hause eilt, um sich für
abends umzuziehen. Aber jetzt geht sie langsam.
Ihre Nerven sind von der vielen Arbeit über-
reizt. DaS schadet der Schönheit. Sie wird
nach dem Süden fahren müssen.
Der Querulant
,Die Weihnachtsfahrpreise sind zwar ganz niedrig, aber das Gepäcknetz
ist immer noch zu hoch!“
O TANNENBAUM
Von Walther C. F. Lierke
0 Tannenbaum, o Tannenbaum,
da siehst du reich behängt
im Fenster bei der Firma Meier
im Hinblick auf die Weihnachtsfeier,
damit hier kauft, wer schenkt.
O Tannenbaum, o Tannenbaum
mit imitierten Äpfeln
und mit Elektro-Kerzenlicht!
(Die schiefen Kerzen stören nicht,
sie können ja nicht tröpfeln.)
0 Tannenbaum, o Tannenbaum
mit Sternchen dran aus Gold!
0 mach die Kaufkraft wieder flott!
(Bekanntlich hat der liebe Gott
die Krise nicht gewollt.)
O Tannenbaum, o Tannenbaum!
0 frohes Fest, das nah ist!
Floriert der Weihnachts-Umsatz nur,
dann baut der Mensch auf Konjunktur,
obwohl sie gar nicht da ist.
0 Tannenbaum, o Tannenbaum,
wann wird die Kurve steigen?
Du kommst sehr bald ins Ofenloch.
Die Krise aber wird uns noch
geraume Zeit was geigen.
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Der Gau tag der Wiener Nazi gab auch den
anderen „kampfesfrohen" Parteien Gelegenheit
zu uniformierter Demonstrationstätigkeit.
An diesem Tage geschah eS nun, daß an einer
Straßenkreuzung in Hernals vier in allen
Parteifarben des Spektrums prangende Jüng-
linge zusammenstießen: ein Jungsozialist ln der
blauen Bluse, ein knallroter Rotsrontkämpe, ein
Nazi-Braunhemdler und ein junger Mann in
einem kackerlgelben Sporthemd.
Selbstverständlich grüßten sie einander —
justament.
Der Marxist in Blau ries: „Freundschaft!"
„Heil Hitler", donnerte der Braune.
„Rotsront!" gröhlte der blutrote Kommunist.
Der vierte aber, der knallgelbe, sagte schlicht:
„LecktS mi am-!"
Da fragten die drei anderen, sichtlich erstaunt:
„JessaS, was iS denn deeS wieder für a neuer
Parteigruß???" Spt.
Der Satan im Haus. . .
Der englische Rundfunk sucht seit Wochen
für die Aufführung eines nach Milton ge-
schriebenen Hörspiels „Der Rat der Höllen-
fürsten" einen Darsteller, dessen Stimme durch
Tonfall und Klangcharakter den Satan sinn-
fällig verkörpert. Man hat schon mit einer
ganzen Reihe von Sprechern geprobt, aber kein
rechter Satan ist unter ihnen; die Stimmen
sind alle „zu menschlich" und entbehren des
rechten „höllischen Beigeschmacks". Man will
nun im Auslande suchen.
— DaS ist der richtige Weg. Der Teufel ist
immer nur im Ausland. T—s.
Weihnachtseinkäufe
V o n G. G ü n t h e r
Weihnachten rückt immer näher. Aber Hilde
hat für Weihnachtseinkäufe keine Zeit. Eigent-
lich wäre Mama zu beschenken. Papa. Der
große Bruder Kurt. Die kleine Schwester Lola.
Bielleicht sogar Hans, der Verehrer —? Aber
nein, ihn streicht sie in Gedanken sofort wieder
aus. Wegen des knappen Taschengeldes, blnd
dann soll man Männer nicht verwöhnen. Hilde
ist ein modernes Mädchen.
Aber sie kommt einfach nicht dazu, die Ein-
käufe zu machen. Heute vormittag war Hal-
lentennis. Nachmittags Tanztee. Abends Ball
bei Brauns. Morgen vormittag Gymnastik.
Nachmittags Tanzkonkurrenz. Abends liest einer
der Verehrer, wenn auch zweite Garnitur, Teile
seines Dramas in einem Verein für junge
Künstler, blbermorgen Besprechung wegen des
WohltätigkeitSabendS. Nein, sie möchte ja gern,
aber eS geht beim besten Willen nicht. DaS
überlegt Hilde und schlendert vom Tanztee zu
einer Verabredung mit Hans in eine kleine Kon-
ditorei, bevor sie nach Hause eilt, um sich für
abends umzuziehen. Aber jetzt geht sie langsam.
Ihre Nerven sind von der vielen Arbeit über-
reizt. DaS schadet der Schönheit. Sie wird
nach dem Süden fahren müssen.
Der Querulant
,Die Weihnachtsfahrpreise sind zwar ganz niedrig, aber das Gepäcknetz
ist immer noch zu hoch!“
O TANNENBAUM
Von Walther C. F. Lierke
0 Tannenbaum, o Tannenbaum,
da siehst du reich behängt
im Fenster bei der Firma Meier
im Hinblick auf die Weihnachtsfeier,
damit hier kauft, wer schenkt.
O Tannenbaum, o Tannenbaum
mit imitierten Äpfeln
und mit Elektro-Kerzenlicht!
(Die schiefen Kerzen stören nicht,
sie können ja nicht tröpfeln.)
0 Tannenbaum, o Tannenbaum
mit Sternchen dran aus Gold!
0 mach die Kaufkraft wieder flott!
(Bekanntlich hat der liebe Gott
die Krise nicht gewollt.)
O Tannenbaum, o Tannenbaum!
0 frohes Fest, das nah ist!
Floriert der Weihnachts-Umsatz nur,
dann baut der Mensch auf Konjunktur,
obwohl sie gar nicht da ist.
0 Tannenbaum, o Tannenbaum,
wann wird die Kurve steigen?
Du kommst sehr bald ins Ofenloch.
Die Krise aber wird uns noch
geraume Zeit was geigen.
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