R. Rost
Konjunktur der Zeit
„Ganz recht Fräulein, legen Sie nur den Hermelin ganz vor m’s Fenster, —
vielleicht dauert9s nicht mehr lange, bis wir ’ne Bestellung auf Krönungsmäntel
bekommen/“
Eine ganz harmlose Kleinigkeit hatte sich in
meiner Wohnung ereignet: ich war, als ich in
mein Arbeitszimmer trat, gestrauchelt, bind
nachmittags, da mein Freund, der Architekt
Alfred Wagenberg kam, erzählte ich ihm —
weiß Gott in was für einem Anfall von plötz-
licher Geistesverwirrung — von diesem Gescheh-
nis. — „Hast du auch nach dem Grunde deines
StrauchelnS geforscht?" fragte Alfred inter-
essiert. Ich verneinte: „Mir lag nichts daran,
gefallen bin ich nicht und die Porzellanfigur, die
ich in der Hand hielt, blieb auch noch ganz."
„WaS einmal glücklich ablief, kann ein andermal
Schaden stiften. — Du erlaubst schon?" — Und
wein Freund kniete bereits auf dein Fußboden. —
„Was willst du tun?" — Alfred lächelte mild:
„Ach gar nichts, ich will nur den Fußboden
Don Erwin Stranik
untersuchen, vielleicht ist er schon schadhaft.
Weil ihr aber den Teppich darübergespannt
habt, muß ich erst diesen mit meinem Feder-
messer ablösen." Und er löste bereits. Zwar
gingen hiebei ein paar Eckteilchen des Teppichs
kaputt, aber das genierte ihn nicht. „Hauptsache
ist, daß wir die schadhafte Stelle des Fußbodens
freibekommen. Hier ist sie schon!" — Alfred
wies auf ein winziges Loch zwischen den Parkett-
brettern: „In dieser Spalte verklemmte sich
dein Absatz. Du mußt ihn von einem Fußboden-
tischler ausbessern lassen. Ich weiß einen, der
macht solche Sachen direkt umsonst. — Ich
werde ihn dir morgen schicken."
Meine Erwiderungen verhallten ungehört.
Am nächsten Morgen, 7 Uhr früh, nahte bereits
Herr Walzek, der Fußbodentischler. Obwohl ich
tat, als ob mich die ganze Sache nicht inter-
essierte und absolut nichts von einem Auftrag
wissen wollte, so ließ sich der biedere Meister
doch nicht verdrängen. „Werden wir gleich
haben", meinte er gemütlich, kniete nieder und
riß den Teppich abermals ein Stück weiter auf,
„hier ist nur ein kleines Loch, aber wer weiß,
wieviele noch irgendwo versteckt sind. Man muß
alles untersuchen." Und schon rückte er Schreib-
tisch und Klubgarnitur beiseite. „Platz braucht
man vor allem zur Arbeit", belehrte er mich
wieder, „und hier wirds ziemlich viel zu tun
geben." Tatsächlich ließ er nicht locker, als bis
er den ganzen Teppich abgerissen und noch
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Konjunktur der Zeit
„Ganz recht Fräulein, legen Sie nur den Hermelin ganz vor m’s Fenster, —
vielleicht dauert9s nicht mehr lange, bis wir ’ne Bestellung auf Krönungsmäntel
bekommen/“
Eine ganz harmlose Kleinigkeit hatte sich in
meiner Wohnung ereignet: ich war, als ich in
mein Arbeitszimmer trat, gestrauchelt, bind
nachmittags, da mein Freund, der Architekt
Alfred Wagenberg kam, erzählte ich ihm —
weiß Gott in was für einem Anfall von plötz-
licher Geistesverwirrung — von diesem Gescheh-
nis. — „Hast du auch nach dem Grunde deines
StrauchelnS geforscht?" fragte Alfred inter-
essiert. Ich verneinte: „Mir lag nichts daran,
gefallen bin ich nicht und die Porzellanfigur, die
ich in der Hand hielt, blieb auch noch ganz."
„WaS einmal glücklich ablief, kann ein andermal
Schaden stiften. — Du erlaubst schon?" — Und
wein Freund kniete bereits auf dein Fußboden. —
„Was willst du tun?" — Alfred lächelte mild:
„Ach gar nichts, ich will nur den Fußboden
Don Erwin Stranik
untersuchen, vielleicht ist er schon schadhaft.
Weil ihr aber den Teppich darübergespannt
habt, muß ich erst diesen mit meinem Feder-
messer ablösen." Und er löste bereits. Zwar
gingen hiebei ein paar Eckteilchen des Teppichs
kaputt, aber das genierte ihn nicht. „Hauptsache
ist, daß wir die schadhafte Stelle des Fußbodens
freibekommen. Hier ist sie schon!" — Alfred
wies auf ein winziges Loch zwischen den Parkett-
brettern: „In dieser Spalte verklemmte sich
dein Absatz. Du mußt ihn von einem Fußboden-
tischler ausbessern lassen. Ich weiß einen, der
macht solche Sachen direkt umsonst. — Ich
werde ihn dir morgen schicken."
Meine Erwiderungen verhallten ungehört.
Am nächsten Morgen, 7 Uhr früh, nahte bereits
Herr Walzek, der Fußbodentischler. Obwohl ich
tat, als ob mich die ganze Sache nicht inter-
essierte und absolut nichts von einem Auftrag
wissen wollte, so ließ sich der biedere Meister
doch nicht verdrängen. „Werden wir gleich
haben", meinte er gemütlich, kniete nieder und
riß den Teppich abermals ein Stück weiter auf,
„hier ist nur ein kleines Loch, aber wer weiß,
wieviele noch irgendwo versteckt sind. Man muß
alles untersuchen." Und schon rückte er Schreib-
tisch und Klubgarnitur beiseite. „Platz braucht
man vor allem zur Arbeit", belehrte er mich
wieder, „und hier wirds ziemlich viel zu tun
geben." Tatsächlich ließ er nicht locker, als bis
er den ganzen Teppich abgerissen und noch
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