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„Ja, Daisy?" •

„Ich habe eine große Bitte an dich."

„So?"

„Eine ganz große Bitte."

„Ah?"

„Teddy ..." sagte Daisy und fuhr mit den Fingern zärtlich durch
des Genannten Haar (obwohl sie Rückstände von Brillantine auf ihren
zarten Fingerspitzen nicht liebte). „Ich habe einen unerhörten Gelegen-
heitskauf in Aussicht. Etwas noch nie Dagewesenes. Etwas überhaupt
noch nicht Dagewesenes. Einen Nerz für ioo Mark! Für sage und
schreibe ioo Mark! Du, einen Nerz... so was Schönes hast du nocb
nicht gesehen, bind fast gar nicht getragen! ünd sooo billig! Es ist ein-
fach nicht zu glauben und doch ist eS so. Der Nerz gehört nämlich einer
Freundin eines Freundes der Kusine des Onkels des Mannes meiner
Schwester, die ihn dringendst verkaufen muß, weil ihr Freund Pleite
gemacht hat. Für ioo Mark, Teddy! Einfach verschleudert! Darf
man eine solche Gelegenheit fahren lassen? Man darf eS nicht, Teddy!
Es wäre eine Sünde. Geradezu eine Sünde ... Nicht...?"

Teddy zerquetschte nervös seine Zigarette zwischen den Fingern und
warf ihre mißhandelten Überreste in den Aschenbecher.

„Weil es halt so ein fabelhafter Gelegenheitskauf ist, Daisy . . ."
sagte er schwach und tastete nach seiner Brieftasche.

*

Albert (tip, top und überlegener Frauenkenner) schüttelte mit der
unerreichten Bravour des hundertprozentigen Gentlemans den Cocktail-
Shaker.

„Eine ganz neue Mischung, Daisy", sagte er geheimnisvoll. „Einer
der ersten Barmixer dieses Planeten, Jack Hoodle, vom Cafä Anglais
in London, hat sie mir in einer schwachen Stunde unter dem Siegel
tiefster Verschwiegenheit verraten. DaS Rezept lautet: man nehme
erstens-"

„Albert!" unterbrach Daisy mit jenem girrenden ünterton, der selbst
überlegene FranenkenNer zeitweilig um ihre Überlegenheit bringt.

„Ja, Daisy?"

„Ich habe eine große Bitte an dich."

„So?"

„Eine ganz große Bitte."

„Ah?"

„Albert. .." sagte Daisy und fuhr mit den Fingern zärtlich durch
des Genannten Haar. „Ich habe einen unerhörten Gelegenheits-
kanf-"

„Ich nehme also den Nerz", sagte Daisy. „Für fünfhundert Mark,
wie vereinbart."

Die Freundin des Freundes der Kusine des Onkels des Mannes ihrer
Schwester folgte ihr den Nerz aus.

„Tadellos steht Ihnen der Pelz, Fräulein Daisy", stellte jie fest.
„Aber sagen Sie mir einmal — ganz unter uns — wie haben Sie in
diesen Zeiten so schnell die Fünfhundert aufgebracht?"

Daisy zögerte einen Augenblick und blinzelte vielsagend mit den
Augen.

„Mein Freund hat sie mir gegeben", sagte sie offenherzig.

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Alexandre Lunois: Im Atelier
 
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