Picknick in dev Wüste
(Fortsetzung von Seite 85)
Ich sehe zum Beispiel nicht ein, warum man an Theaterkassen durch-
aus mit Geld bezahlen muß? Deshalb sind ja gerade unsere Theater so
schlecht besucht, weil sich die Kassiere so unbedingt aus dieses dumme
Geld versteifen! Ich habe ein altes Fahrrad, das unter Brüdern einen
Ring-ZykluS von Richard Wagner Orchester erste Reihe wert ist! Wenn
sich die Direktion deS Opernhauses entschließt, mein Fahrrad in Zahlung
zu nehmen, hat sie um einen Orchesterplatz zum „Ring" weniger Sorge.
Mein Freund Otto hat eine überflüssige Nachttischlampe, die er gerne
in eine Gitta-Alpar-Operette anlegen möchte. Mein Kollege Schar-
schmidt würde das Porträt seiner Schwiegermutter (in Ol gemalt, bitte!)
in einen Stehplatz zu Don Carlos investieren. Aber das ist nur eine
kleine Auslese! Wenn unsere Theaterdirektoren mit Swapping ernst
machen wollten, verpflichte ich mich, ihre Häuser für die Dauer einer-
ganzen Saison gegen Bodenkram, abgelegte Kleidungsstücke, Alteisen lind
Stoffreste auszuabonnieren.
Warum bleiben so viele Mädchen unverheiratet? Weil die Väter
nicht mehr die Mitgift aufbringen können. Wie wär's also auch hier-
mit Swapping? Ich kenne zum Beispiel einen Vater von vier Töchtern.
Er wäre gern bereit, seine Forderungen an die Amstelbank, seine Kriegs
anleihe und einen Posten Tausendmackscheine au6 dem Jahre 1916 im
Wege des Swapping als Mitgift zu geben. Ich bin ja leider schon
verheiratet! Wäre ich eS aber nicht, ich würde alle seine Töchter der
Reihe nach heiraten, nur um für Swapping Propaganda zu machen!
Warum weigert sich der Staat, daß ich meine Steuern mit den ge-
sammelten Werken von Rabindranath Tagore, zwölf guterhaltenen
Tauber-Platten und einem Drei-Röhren-Empfänger, der nur etwas
repariert werden müßte, begleiche? Warum will unser Butterhändler
kein Adreßbuch vom Jahre igi/j in Zahlung nehmen? Warum weigert
jich mein Schneider, die Klavierauszüge sämtlicher Opern unserer Ato-
nalen Ln Rechnung zu stellen? Warum? Warum? Warum?
Weil wir eS leider ringsum mit lauter rückständigen Menschen zu tun
haben, die den alten Trott gehen und für so eine herrliche Erfindung wie
Swapping nichts übrig haben!
Gut! Die Welt war zu allen Zeiten nur schwer vom Fortschritt zu
überzeugen, aber schließlich ging es ja doch! Das Neue setzt sich durch,
muß sich durchsetzen!
klnd deshalb, verehrte Redaktion, will ich den Anfang mit Swapping
machen. Bitte, senden Sie das Honorar für diesen Artikel nicht an mich,
sondern an folgende Herren, mit denen ich im Tauschverkehr stehe, zu
gleichen Teilen: Adolf Roman, Silvester Hammer, Richard Dorste, Paul
Seewald und Aribert Kunze. Die Adressen dieser Herren gehen Ihnen
gesondert zu.
Aber bitte, senden Sie kein Geld! Das würde ja das Prinzip des
Swapping durchbrechen. An Adolf Roman senden Sie ein Taschen-
feuerzeug, dein Silvester Hammer eine Botanisierbüchse, Herrn Richard
Dorste eine Wärmeflasche, Paul Seewald will einen Zigarrenabschneider
und Aribert Kunze einen Platz zu den diesjährigen Bayreuther Fest-
spielen.
Wie Sie sich diese Sachen beschaffen sollen? Im Tauschwege natür-
lich! Swapping! Sie lverden sehen, wie einfach sich jetzt die Honorar-
zahlungen abwickeln lverden, wenn das Geld ausgeschaltet ist!
Bestens grüßend Ihr
W. ?.
Tempi passati
Vera Elisabeth, die Tochter der verwitweten Kommerzialrätin Anna
Maria NecheleS, hatte sich in Marl Fischotter, den Sohn des bekann-
ten Bankdirektors, verliebt und wollte den jungen Mann unbedingt
heiraten.
Mama Stecheles, eine geborene Gräfin von und zu Klingenhorst, war
zu tiefst empört über die bloße Zumutung, daß ihre Tochter — i h r e
Tochter — sich an einen schäbigen Bank- und Börsenjuden wegwerfen
wolle.
„Aber, Mama", gab Dera Elisabeth schüchtern zu bedenken, „der
gottselige Papa war doch schließlich auch ...!"
„Das ist ganz was anderes", unterbrach die Mutter erregt, „damals
— vor dreißig Jahren-da hatten diese Börsenjuden ja noch Geld!
Salpeter
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(Fortsetzung von Seite 85)
Ich sehe zum Beispiel nicht ein, warum man an Theaterkassen durch-
aus mit Geld bezahlen muß? Deshalb sind ja gerade unsere Theater so
schlecht besucht, weil sich die Kassiere so unbedingt aus dieses dumme
Geld versteifen! Ich habe ein altes Fahrrad, das unter Brüdern einen
Ring-ZykluS von Richard Wagner Orchester erste Reihe wert ist! Wenn
sich die Direktion deS Opernhauses entschließt, mein Fahrrad in Zahlung
zu nehmen, hat sie um einen Orchesterplatz zum „Ring" weniger Sorge.
Mein Freund Otto hat eine überflüssige Nachttischlampe, die er gerne
in eine Gitta-Alpar-Operette anlegen möchte. Mein Kollege Schar-
schmidt würde das Porträt seiner Schwiegermutter (in Ol gemalt, bitte!)
in einen Stehplatz zu Don Carlos investieren. Aber das ist nur eine
kleine Auslese! Wenn unsere Theaterdirektoren mit Swapping ernst
machen wollten, verpflichte ich mich, ihre Häuser für die Dauer einer-
ganzen Saison gegen Bodenkram, abgelegte Kleidungsstücke, Alteisen lind
Stoffreste auszuabonnieren.
Warum bleiben so viele Mädchen unverheiratet? Weil die Väter
nicht mehr die Mitgift aufbringen können. Wie wär's also auch hier-
mit Swapping? Ich kenne zum Beispiel einen Vater von vier Töchtern.
Er wäre gern bereit, seine Forderungen an die Amstelbank, seine Kriegs
anleihe und einen Posten Tausendmackscheine au6 dem Jahre 1916 im
Wege des Swapping als Mitgift zu geben. Ich bin ja leider schon
verheiratet! Wäre ich eS aber nicht, ich würde alle seine Töchter der
Reihe nach heiraten, nur um für Swapping Propaganda zu machen!
Warum weigert sich der Staat, daß ich meine Steuern mit den ge-
sammelten Werken von Rabindranath Tagore, zwölf guterhaltenen
Tauber-Platten und einem Drei-Röhren-Empfänger, der nur etwas
repariert werden müßte, begleiche? Warum will unser Butterhändler
kein Adreßbuch vom Jahre igi/j in Zahlung nehmen? Warum weigert
jich mein Schneider, die Klavierauszüge sämtlicher Opern unserer Ato-
nalen Ln Rechnung zu stellen? Warum? Warum? Warum?
Weil wir eS leider ringsum mit lauter rückständigen Menschen zu tun
haben, die den alten Trott gehen und für so eine herrliche Erfindung wie
Swapping nichts übrig haben!
Gut! Die Welt war zu allen Zeiten nur schwer vom Fortschritt zu
überzeugen, aber schließlich ging es ja doch! Das Neue setzt sich durch,
muß sich durchsetzen!
klnd deshalb, verehrte Redaktion, will ich den Anfang mit Swapping
machen. Bitte, senden Sie das Honorar für diesen Artikel nicht an mich,
sondern an folgende Herren, mit denen ich im Tauschverkehr stehe, zu
gleichen Teilen: Adolf Roman, Silvester Hammer, Richard Dorste, Paul
Seewald und Aribert Kunze. Die Adressen dieser Herren gehen Ihnen
gesondert zu.
Aber bitte, senden Sie kein Geld! Das würde ja das Prinzip des
Swapping durchbrechen. An Adolf Roman senden Sie ein Taschen-
feuerzeug, dein Silvester Hammer eine Botanisierbüchse, Herrn Richard
Dorste eine Wärmeflasche, Paul Seewald will einen Zigarrenabschneider
und Aribert Kunze einen Platz zu den diesjährigen Bayreuther Fest-
spielen.
Wie Sie sich diese Sachen beschaffen sollen? Im Tauschwege natür-
lich! Swapping! Sie lverden sehen, wie einfach sich jetzt die Honorar-
zahlungen abwickeln lverden, wenn das Geld ausgeschaltet ist!
Bestens grüßend Ihr
W. ?.
Tempi passati
Vera Elisabeth, die Tochter der verwitweten Kommerzialrätin Anna
Maria NecheleS, hatte sich in Marl Fischotter, den Sohn des bekann-
ten Bankdirektors, verliebt und wollte den jungen Mann unbedingt
heiraten.
Mama Stecheles, eine geborene Gräfin von und zu Klingenhorst, war
zu tiefst empört über die bloße Zumutung, daß ihre Tochter — i h r e
Tochter — sich an einen schäbigen Bank- und Börsenjuden wegwerfen
wolle.
„Aber, Mama", gab Dera Elisabeth schüchtern zu bedenken, „der
gottselige Papa war doch schließlich auch ...!"
„Das ist ganz was anderes", unterbrach die Mutter erregt, „damals
— vor dreißig Jahren-da hatten diese Börsenjuden ja noch Geld!
Salpeter
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