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38. JAHRGANG

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Ehelicher Zwist HeinrichKley

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Don Hans Niebau

I.

„Lieber H.!

Kehre zurück. Alles vergeben. Alles wird wieder gut. Geld vorhan-
den. Schulden bezahlt. G."

Dieses Inserat erschien, mit einem doppelten, setten Rand versehen,
am i6. Oktober im Generalanzeiger. Viele Leute lasen es. Viele Leute
nickten mit den Köpfen. „Ja, ja", sagten sie, „die Zeitung! Sie begnügt
sich nicht damit, uns zu unterrichten, zu unterhalten, auszuklären, vor
Schaden zu bewahren; sie heilt auch Schäden. Sie flickt, was entzwei.
Ilnd sie führt wieder zusammen, waS sich getrennt." So dachten die
Leute, und eS hätte nicht viel gefehlt, und die Tränen wären ihnen nur
so die Backen hinuntergekullert.

II.

Inzwischen aber bügelte sich HanS Hopfedei bereits seinen blauen
Anzug aus. Er zog ein reines Hemd an, wählte eine rote Krawatte,
setzte seinen besten Hut auf, kaufte einen Blumenstrauß für drei Mark
und begab sich klopfenden Herzens nach seiner vor nunmehr acht Wochen
verladenen Wohnung, Drachstraße 72. Als er die Treppe hinaufstieg,
fühlte er, wie seine Knie zu zittern anfingen. Im zweiten Stock blieb
er stehen. „Optimismus!" murmelte er. „Man muß sich nur zum Opti-
mismus zwingen!" Dann glättete er das Seidenpapier um den Blumen-
strauß, zupfte die Krawatte zurecht, gab sich einen Ruck und stieg die
dritte, letzte Treppe hinauf.

Die Glocke schrillte. In der Tür erschien eine Frau. Die Frau hatte
ein gesundes, rotes Gesicht, aber ihre Augen waren — so schien eS —
aus GlaS. Zehn Sekunden starrten sie HanS Hopfedei an.

„Grete", flüsterte er und zog mit zitternden Händen den Blumen-
strauß hinter dem Rücken hervor, „hier bin ich."

In diesem Augenblick fingen die Augen der Frau an, sich zu bewegen.
Sie funkelten auf, quollen ein wenig auö ihren Höhlen und schlossen
sich zu einem winzigen Spalt. Dann gab eS einen Schrei, ein Klirren,
ein Geräusch, als ob ein Schleusentor auf einen GlaSpalast fiele, ein
dumpfes Gepolter, und dann fand sich HanS Hopfedei, ohne Hut, ohne
Blumen und ohne jedweden Optimismus, vier Stufen unterhalb des
zweiten Stockes wieder.

III.

Ilm dieselbe Zeit etwa hielt vor dem BürohauS Hansa ein Auto.
Herr Honneffer bezahlte den Chauffeur, ging in daS BürohauS und
klingelte nach dem Fahrstuhl.

„Ach, Herr Honneffer", lächelte der Liftboy, „von der Reise zurück?"

„Jawohl", schnaufte Honneffer, „allerdings." Ilnd er nahm sein
Taschentuch und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Als er vor-
der Kontortür war, blieb er einen Augenblick stehen. ,Honneffer & Goll,
Wollimport', stand da auf dem blanken Messingschild, ganz so, wie eS
da immer gestanden hatte. Aber der Name Goll war mit Putzpomade
strahlend blank gerieben, indes der Name Honneffer, blind und grau,

(Fortsetzung Seite 116)

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Heinrich Kley: Ehelicher Zwist
Hans Riebau: Kehre zurück!
 
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