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38. JAHRGANG

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WALTER PERSICH

DAS GELD IST KNAPP!

Es soll ja heutzutage in den feinsten Familien ein spürbarer Mangel
an Zahlungsmitteln vorhanden fein. Möglich — doch wenn ein Schrift-
steller wie ich, die Leute so auf den Straßen und in den Kaffeehäusern
sieht, wie sie hochmütig und außerordentlich vornehm in ihren Automobilen
an mir vorüberhupen, dann will mir doch scheinen, daß die allgemeine
Geldverknappung, gemessen an meiner eigenen, noch einem außergewöhn-
lich erträglichen Zustand nahekommt.

Mit mir ist das noch nicht einmal so schlimm, Ich bin ein genügsamer
und gegen Schicksalsschläge recht dickfelliger Mensch, was sich in meinem
behäbigen Äußeren, wenn auch nicht gerade in meinem blankgescheuerten
Anzug auSprägt. Jedoch seit sieben Jahren trage ich daS Joch der Ehe
und des Hausvaters, und da Künstler geradezu eine eigentümliche Vir-
tuosität in der Auswahl gerade derjenigen Frauen besitzen, deren natur-
gegebenen Ansprüche stets das erfüllbare Maß um ein Vielfaches über-
steigen, so haben wir e i n unerschöpfliches und immer neue Anregungen
spendendes blnterhaltungsmittel — die Frage nämlich: wieviel Geld uns
für das Nötigste, lind welche Summe uns zum absolut e n
Glück fehlt.

Ehefrauen haben ein wunderbares Geschick, gerade dann, wenn kein
Geld auszutreiben ist, zu entdecken, daß nun der vorjährige Mantel an

den Manschetten auSrauhe und wirklich nicht inehr getragen werden
könne, daß für das Kind ein Schulkleid und ein Paar Überschuhe außer-
ordentlich dringend beschafft werden müßten und die Gasrechnung vom
vorigen Monat auch noch unbezahlt im Schreibtisch liege — natürlich
habe man das bißchen Geld wieder in Zigaretten und im Kaffeehaus
verplempert! — — —

Mißgestimmt saßen wir am Kafseetisch. Der Brotmann hatte am
Morgen wieder kein Geld bekommen können und den weiteren Kredit
gesperrt. Leider besitzt er eine markerschütternde Stimme — die Mieter
im ganzen Haus mußten nun allmählich über unsere Finanzlage unter-
richtet sein. Meine Frau würdigte mich weder eines Blickes, noch eines
Wortes. Es läutete. Nun sahen wir uns doch schreckensbleich in die
Augen: wieder ein Gläubiger? Vielleicht der Gasmann? Die Wäsche-
rechnung? Als es nochmals heftig klingelte, wagte ich zu flüstern: „Es
wird wohl die zweite Post sein .. ." Gertrud erhob sich und ging ent-
schlossen zur Tür. Es war die Post. Sie kam mit einem eingeschriebenen
Brief zurück — ha, von meinem Verleger! Aufgeregt malte ich meinen
Namen auf die Bestätigung und sagte: „Sicher der erbetene Scheck —
sonst wäre es fein Einschreiben!" Als meine Frau von der Türe zurück-




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Der Unhold

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Heinrich Kley

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Heinrich Kley: Der Unhold
Walter Anatole Persich: Das Geld ist knapp!
 
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