DOI Heft:
Nr. 20
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.6777#0308
J u
3 8. JAHRGANG
G E N D
1 9 33 / NR. 20
Von Frank F. Braun
Die Klinik lag in einem Park; ein viereckig zweckmäßiger Bau. Es
war Abend. Die Fenster, breite, Helle Augen glitzerten durch die Bäume
sehr weiß, sehr leuchtend. Nur das eine Licht über der Einfahrt hatte
einen roten Schein. Rettungsstelle.
Fräulein Dr. Erika Busch hatte Nachtdienst, aber sie war noch nicht
allein. Professor Gralitz hatte eine Operation gehabt und konnte wieder
einmal nicht nach Hause finden. Sie saß ihm gegenüber. Er hatte etwas
geschrieben, hob aber in seiner überraschenden Art den Kopf und sah sie
an. Der Füllfederhalter machte — nicht mehr überwacht — einen sinn-
losen Querstrich. Professor Gralitz merkte es nicht. Er sah sie an. Aber
was er sprach, stand nicht im Zusammenhang mit diesem Blick. „Immer
zögert man, wenn man die Zahlen hinschreiben soll", meinte er. „Für
ärztliche Bemühungen, du lieber Himmel.,." Seine Stimme klang nicht
gut, fand Fräulein Busch. Sie mochte diesen Nccmn laicht. Ntan konnte
bei uns von ihm lernen, aber als Mensch schien er ihr unaufrichtig. Wie
hatte der kleine Kossutzky, der junge Assistenzarzt, den der Professor
hinaussetzte, neulich noch gesagt: schleimig ist der Kerl. Sie sah den
Professor an. Ihr Mund bog sich ein wenig. Jja, Gralitz hatte etwas
von einer Kröte an sich. Die hervorguellenden Augen, der breite, sehr
fleischige Mund, — dazu war er kurz und in die Breite gegangen. Aber
dann sah sie seine Hände, die da auf dein Tisch lagen, schmale, lange
Finger; schöne Hände; und sie beherrschte sich. „Die Zeiten sind schlecht",
sagte sie, „ganz außerordentlich schlecht. Wo man hinhört Betrübnis,
Krankheit, sogar Absturz. Man sucht geradezu danach, ein bißchen
Licht, Freude oder wenigstens Fröhlichkeit entdecken zu können. Aber
noch überwiegt das Dunkle und Trübe."
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3 8. JAHRGANG
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1 9 33 / NR. 20
Von Frank F. Braun
Die Klinik lag in einem Park; ein viereckig zweckmäßiger Bau. Es
war Abend. Die Fenster, breite, Helle Augen glitzerten durch die Bäume
sehr weiß, sehr leuchtend. Nur das eine Licht über der Einfahrt hatte
einen roten Schein. Rettungsstelle.
Fräulein Dr. Erika Busch hatte Nachtdienst, aber sie war noch nicht
allein. Professor Gralitz hatte eine Operation gehabt und konnte wieder
einmal nicht nach Hause finden. Sie saß ihm gegenüber. Er hatte etwas
geschrieben, hob aber in seiner überraschenden Art den Kopf und sah sie
an. Der Füllfederhalter machte — nicht mehr überwacht — einen sinn-
losen Querstrich. Professor Gralitz merkte es nicht. Er sah sie an. Aber
was er sprach, stand nicht im Zusammenhang mit diesem Blick. „Immer
zögert man, wenn man die Zahlen hinschreiben soll", meinte er. „Für
ärztliche Bemühungen, du lieber Himmel.,." Seine Stimme klang nicht
gut, fand Fräulein Busch. Sie mochte diesen Nccmn laicht. Ntan konnte
bei uns von ihm lernen, aber als Mensch schien er ihr unaufrichtig. Wie
hatte der kleine Kossutzky, der junge Assistenzarzt, den der Professor
hinaussetzte, neulich noch gesagt: schleimig ist der Kerl. Sie sah den
Professor an. Ihr Mund bog sich ein wenig. Jja, Gralitz hatte etwas
von einer Kröte an sich. Die hervorguellenden Augen, der breite, sehr
fleischige Mund, — dazu war er kurz und in die Breite gegangen. Aber
dann sah sie seine Hände, die da auf dein Tisch lagen, schmale, lange
Finger; schöne Hände; und sie beherrschte sich. „Die Zeiten sind schlecht",
sagte sie, „ganz außerordentlich schlecht. Wo man hinhört Betrübnis,
Krankheit, sogar Absturz. Man sucht geradezu danach, ein bißchen
Licht, Freude oder wenigstens Fröhlichkeit entdecken zu können. Aber
noch überwiegt das Dunkle und Trübe."
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