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Mensch, dieser Osten. „Dan", na ja, wie die
richtigen Holländer. Fred van Ewer, wäre
auch nicht übel. Gott konnte inan wissen? klnd
großzügig sind diese Ausländer! Ein halbes
IahreSgehalt im voraus! Anders, als bei
uns . . .

Trotzdem atmete Fritz erleichtert aus, als
van Osten ihm wieder gegenüber saß.

„Es war der hiesige Generalkonsul", erklärte
Osten, „ein guter Freund von mir. Venn Sie
mitkommen, mache ich Sie im Hotel mit ihm
bekannt."

F. S/ wehrte dankend ab. Er dachte an
seinen nicht mehr peinlich sauberen Kragen und
an die Absätze.

„Dann aus heute abend, mein Lieber! Im
Imperial. Vir fertigen den Dertrag im Bei-
sein eines zweiten Vertreters unserer Gesell-
schaft an Ort tind Stelle aus und Sie sagen
mir, wie hoch der Vorschuß . . ."

„Aber ich —"

„Psst! Ich kenne das! Ich war auch einmal
jung!", lachte gesättigt van Osten und rief:
Zahlen!! Er griff in die Tasche und langte eine
Menge fremder Geldnoten, größere und klei-
nere heraus.

„Zt! Ärgerlich! Ich habe vergessen, mein
Geld umzuwechseln. Können Sie mir hollän-
dische Gulden oder Dollar wechseln, Herr
Ober?"

„Bedauere sehr."

„Das ist aber — na, schicken Sie den Boy
schnell in die Bank."

„Nnnn-iicht nötig . . .", unterbrach Fritz

Schwer. „Wenn Sie gestatten, Herr General-
direktor, so lege ich den Betrag aus."

„Ausgeschlossen!"

„Aber ich bitte Sie! Sie können mir doch
das Geld am Abend wieder zurückgeben!"

„Das ist wahr. Schön, leihen Sie mir für
die paar Minuten die Kleinigkeit, aber Sie
kommen sofort mit ins Hotel . . ."

Fritz holte klopfenden Herzens die hundert
Schilling hervor, van Osten nahm sie, (unge-
fähr so, wie man einen Straßenbahnfahrschein
anfaßt), bezahlte und steckte den Rest ein. Fritz
spürte einen kleinen Stich.

„Gehen wir!"'sagte Osten freundlich.

Auf der Straße liefen sie einer jungen
Dame in die Ouere, die den Gruß des Herrn
Generaldirektors freudig überrascht erwiderte.
Van Osten küßte ihr die Hand und sie ver-
knüpfte ihn in ein Gespräch, daS Fritz endlos
schien. Schließlich bat van Osten um Ver-
zeihung, daß er Fritz jetzt verlassen müsse, aber
er habe mit der Dame außerordentlich Wich-
tiges zu besprechen. Fritz Schwer lächelte
etwas dümmlich und das Auto fuhr davon.

Der neunundneunzigprozentige Direktor des
Eguitable Hotels in Singapore blieb verstimmt
zurück. Er hatte Heimweh nach den hundert
Schilling.

Im Illbrigen konnte ihm der Tagportier vom
Imperial am ehesten genaue Auskunft geben.

„?" „!" — — — Ein Herr Generaldirek-
tor van Osten war im Hotel Imperial, aber
auch bei der Polizei, wohin Fritz nach dem
ersten Ohnmachtsanfall telephonierte, vollstän-
dig unbekannt.

Am nächsten Morgen klopfte Emmi, das
Mädchen. „Ein Expreßbrief!"

Wirren Auges starrte Fritz auf das elegante
große Kuvert der Holl.-Indischen Hotel A.G.
Dann laS er:

Baden bei Wien. Datum.

Sehr geehrter Herr!

Anbei retournieren wir Ihnen die „auSge-
liehenen" ioo (Hundert) Schilling.

Sie werden selbst zugeben müssen, daß
Ihnen zur Leitung eines internationalen Hotels
jede Eignung fehlt.

Wie sollen wir Vertrauen zu Ihnen haben,
wenn eS einem — Ihnen gänzlich unbekannten
— Menschen gelingt, Ihnen schon nach knapp
einer Stunde Geld zu entlocken?!

Wissen Sie nicht, daß der Beruf eines Ho-
teldirektors vor allem GeisteSgegemvart ver-
langt? Glauben Sie, daß Sie, bei Ihren ge-
ringen psychologischen Fähigkeiten und Ihrer

sträflichen Vertrauensseligkeit, auf einem so
schwierigen Posten in Singapore mit Erfolg
bestehen könnten, wenn Sie bereits dem plum-
pesten und einfachsten Hochstaplertrick auf-
sitzen?!!!

Möge Ihnen diese Episode eine Warnung
sein!

Hochachtungsvoll

Jan Reeder

Bevollmächtigter Direktor der Holl.-Indischen
Hotel AG.

„Nun, werde ich bald Direktriß in Sinka-
pur?" fragte Emmi, die noch immer neugierig
in der Türe stand.

„Hören Sie auf! Man soll sich mit den
Wilden nichts anfangen!", murmelte Fritz und
schmiß den Brief verächtlich auf das Nacht-
kästchen.

D e r J o d I e r Walter Busch

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Walter Busch: Der Jodler
 
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