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leojxam ina o^ouvre
Don Wilhelm Lichtenberg
Scardin, der Diener im Louvre, der die Auf-
sicht über die Säle XII bis XIV, alte italienische
Meister, hat, stürzte fassungslos in das Büro
seines Direktors: „Herr Direktor, um Him-
mels millen! Im Saal XIV, der kleine Tin-
toretto, Madonna mit dem Kind ..Er war so
außer sich, daß er nicht weitersprechen konnte
und sich erschöpft und halb ohnmächtig an die
grüntapezierte Wand lehnen mußte.
Der Direktor, Professor Henricourt, mar in
Vorahnung eines bösen Ereignisses aufgesprun-
gen und zu' Scardin hingeeilt. Er rüttelte ihn
aus seiner Betäubung auf: „Scardin, Men-
schenökind, so reden Sie doch schon endlich!
Waö ist mit dem kleinen Tintorekto?"
„Verschwunden..." röchelte der Saaldiener
und glotzte den Direktor mit hilflosen Augen an.
Professor Henricourt faßte sich an den Kopf:
„WaS? Was sagen Sie? Verschwunden? DaS
ganze Bild mit dem Rahmen?"
Scardin schüttelte den Kopf: „Nein, der
Rahmen hängt noch. Aber die Madonna mit
dem Kind ist fort. Einfach aus dem Rahmen
geschnitten. Irgendein Besucher muß eS getan
haben, während ich durch die anderen Säle
ging."
Der Direktor stand einen Augenblick gebro-
chen da. Plötzlich straffte er sich und fragte
mit der bei ihm gewohnten Energie: „Wann
haben Sie den Tintoretto zuletzt an seinem
Platz gesehen?"
„Vor zehn Minuten war das Bild noch da.
Ich kann es beschwören, Herr Direktor. Vor
zehn Minuten habe ich meine Runde durch den
Saal XIV gemacht und da hing das Bild noch
ganz unversehrt im Rahmen."
„Der Diebstahl kann also nach Ihrer Mei-
nung nur in den letzten zehn Minuten erfolgt
sein?"
„Ja. Vorher bestimmt nicht."
„Schön!" Professor Henricourt stürzte ans
Telephon und verband sich mit dem Portier.
„Portier! Sofort alle Tore schließen! Es wird
kein Besucher mehr hinausgelassen. Weitere
Weisungen folgen. Noch etwas, Portier! Kön-
nen Sie mir vielleicht sagen, wann der letzte
Besucher aus dem Louvre gegangen ist?"
Der Portier dachte eine kurze Weile nach
leojxam ina o^ouvre
Don Wilhelm Lichtenberg
Scardin, der Diener im Louvre, der die Auf-
sicht über die Säle XII bis XIV, alte italienische
Meister, hat, stürzte fassungslos in das Büro
seines Direktors: „Herr Direktor, um Him-
mels millen! Im Saal XIV, der kleine Tin-
toretto, Madonna mit dem Kind ..Er war so
außer sich, daß er nicht weitersprechen konnte
und sich erschöpft und halb ohnmächtig an die
grüntapezierte Wand lehnen mußte.
Der Direktor, Professor Henricourt, mar in
Vorahnung eines bösen Ereignisses aufgesprun-
gen und zu' Scardin hingeeilt. Er rüttelte ihn
aus seiner Betäubung auf: „Scardin, Men-
schenökind, so reden Sie doch schon endlich!
Waö ist mit dem kleinen Tintorekto?"
„Verschwunden..." röchelte der Saaldiener
und glotzte den Direktor mit hilflosen Augen an.
Professor Henricourt faßte sich an den Kopf:
„WaS? Was sagen Sie? Verschwunden? DaS
ganze Bild mit dem Rahmen?"
Scardin schüttelte den Kopf: „Nein, der
Rahmen hängt noch. Aber die Madonna mit
dem Kind ist fort. Einfach aus dem Rahmen
geschnitten. Irgendein Besucher muß eS getan
haben, während ich durch die anderen Säle
ging."
Der Direktor stand einen Augenblick gebro-
chen da. Plötzlich straffte er sich und fragte
mit der bei ihm gewohnten Energie: „Wann
haben Sie den Tintoretto zuletzt an seinem
Platz gesehen?"
„Vor zehn Minuten war das Bild noch da.
Ich kann es beschwören, Herr Direktor. Vor
zehn Minuten habe ich meine Runde durch den
Saal XIV gemacht und da hing das Bild noch
ganz unversehrt im Rahmen."
„Der Diebstahl kann also nach Ihrer Mei-
nung nur in den letzten zehn Minuten erfolgt
sein?"
„Ja. Vorher bestimmt nicht."
„Schön!" Professor Henricourt stürzte ans
Telephon und verband sich mit dem Portier.
„Portier! Sofort alle Tore schließen! Es wird
kein Besucher mehr hinausgelassen. Weitere
Weisungen folgen. Noch etwas, Portier! Kön-
nen Sie mir vielleicht sagen, wann der letzte
Besucher aus dem Louvre gegangen ist?"
Der Portier dachte eine kurze Weile nach