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Ä

„Wie berg ich vor Peers und Gemeinen die Schmach,“

— Maria von England zum Beichtiger sprach —

„daß Philipp, mein Gatte, die Hochzeitsnacht
mit mir, der Königin, nicht vollbracht?

Das murrende Volk heischt den Erben, den Sohn —
es schwankt meine Krone — es wankt mein Thron!“
„Du klagst daß der Herrscher die Huld dir versagt?
Erhabene Tochter, sei unverzagt,

Gehorche dem Wort, das der Glaube dich lehrt,

Dann wirst du gewißlich geliebt und begehrt!“

„Welch Wort -?“

„Du weißt, wie des Spaniers Herz
sich gerne ergötzet an Qualen und Schmerz —
der Ketzer und Hexen sind viele im Land —

Gewähr ihm ein Schauspiel auf englischem Strand!“
„Mich friert bis ins Mark bei dem blutigen Rat .“

„Der Segen der Kirche entsiindigt die Tat —

Erwäge, du hältst in der Hand dein Geschick“

— Wie Phosphor glimmts auf in der Königin Blick —
Der Eisgang der Worte wird stockend und schwer,
hart rauscht das Gewand von Brokat und schwer,
als schweigend die Rechte dem Priester sie reicht,
der scheu wie ein Mörder im Mondstrahl entschleicht.

Sternaugig steigt nieder die Mitsommernacht.

Auf purpurnem Prunkbett die Königin wacht —

Zwei Wappen im Zeichen der Ehe vereint

zu Iläupien des Lagers die Ampel bescheint,
ln Zobel vergräbt ihren fröstelnden Leib
das arme, verhärmte, verachtete Weib —
es kämpft mit dem Teufel vergänglicher Lust
ihr schützender Engel den Zweikampf der Brust:
der Preis — der Preis — den der Pater genannt,
er fordert der Seelen viertausend im Land.

Nein — niemals — und doch? Wenn des Königs Arm
mich liebend umfinge? Gott — Gott — dich erbarm!
Laß einmal, nur einmal, ‘sein eigen mich sein!

Sein Weib, seine Magd! Oh! — das furchtbare Schrein
der gemarterten Menschen in letzter Not!

Ihr Stimmen verstummt! Beim ewigen Tod,

Gewissen schlaf ein — es geschehe mein Will!

So sei es“ — lm Tempel des Geistes bleibt’s still.

Der Hüter des Herzens floh weinend davon,
verhöhnt von dem siegenden Höllensohn.

Beim Frührot hat ein gesiegelt Edikt
über Meer nach Castilien Maria geschickt.

Don Philipp mit wächsernem Angesicht
das blutrote Herz des Siegels zerbricht.

Die elfenbeingelbe Despotenhand

hält krampfhaft die goldene Rolle umspannt;

Zu Onix erstarrt seiner Augen Weiß —
drob lächelt der Großinquisitor leis:
er scheidet mit Schärfe das Sinnbild vom Sein
im Blendwerk des Briefes so höfisch und fein:

„Das Schauspiel, das einstens ich streng untersagt
am Fest unserer Krönung — ich hab es vertagt!

Was lang ich verweigert, gewähre ich dir —
sobald Englands Bette du teilest mit mir! —

Wie steinerne Säulen des Ruhmes umstehn
die Cortes den König: ein Schicksalswehn
Durchschauert den Thronsaal des Escorial:

„Mylord! Vermelden Sie meinem Gemahl,
noch ehe die Ähren des Feldes gemäht,

Der Eheherr vor der Erwartenden steht.“

Die Stimme verstummt. Alle Granden im Kreis
verneigen sich tief bei des Herrschers Geheiß

Hispanische Galeonen durchschneiden die See.

Grau taucht aus dem Nebel die Küste: Calais!
ein Rollen und Grollen durchzittert die Flut:
der britische Leu brüllt den Königssalut.

Die Domglocken läuten die Botschaft durch Land:
Marias Gemahl betritt englischen Strand.

Schwülduftende Rosen durchglühen den Saal.

Der Königin Hand hält den Krönungspokal,
ihr flackerndes Auge in fiebrischer Glut,
sucht buhlend den Gatten — ihr tobendes Blut

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Ziska Luise Dresler geb. Schember: Das Ketzergericht von Calais
Anton Leidl: Illustrationen zum Text "Das Ketzergericht von Calais"
 
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