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KLEINE TRAGÖDIE

Von Rudolf Rentsch

Eduard langweilt sich mit seiner Frau und
seine Frau langweilt sich mit ihm. Abwechs-
lung in die allgemeine Langweile bringt hin
und wieder ein Krach, der gewöhnlich damit
endet, daß Eduard fluchtartig die Wohnung
verläßt. Gestern war wieder Krachabend —.

23or der Haustür schöpft Eduard dreimal
tief Atem, bind nach einer halben Stunde um-
fängt ihn die erlösende Atmosphäre eines
Kinos.

Im Kino aber, ein paar Sitze weg von
Eduard, in derselben Reihe, gefällt ihm eine
junge Dame, blond und fesch. Eduard denkt:
wie blöde, daß ich nicht neben ihr sitze, blnd
dann geht das Licht aus.

Was hat er schon von der tönenden
Wochenschau, wenn er nicht neben „ihr"
sitzt...

Das Licht flammt auf. Gott sei Dank!
Eduard lächelt hinüber. Die junge Dame
lächelt auch. Gong!

Wieder ist Dunkelheit, blnd dann singen
Lilian und Willy süße Lieder, aber was hat
Eduard davon, wenn er nicht neben „ihr"
sitzt. Er wird immer nervöser und sehnt das
Ende herbei. Das Ende des Films natürlich.

Die zwei Stunden sind überstanden. Eduard
läuft vor die Tür und wartet. „Sie" huscht
vorüber. Eduard lächelt. Sie lächelt wieder.
Eduard strahlt.

Eduard steigt nach. Vielmehr: will nach-
fteigen. Ein Auto rast daher — Eduard
springt gerade noch rechtzeitig zurück —, noch
ein Auto, und hinterher die Tram mit zwei
Anhängewagen. Wie dergleichen in dringenden
Fällen sich zu ereignen pflegt. Dann ist die
Fahrbahn frei. Eduard steigt endgültig nach.

Bald ist er dicht hinter „ihr". WaS soll er
ihr sagen und waS ist, wenn er sie angesprochen
hat? Er zündet sich eine Zigarette an und
trottet hinter der jungen Dame drein. Bis sie
auf dem Karlsplatz ankommen. Jetzt oder nie.
Denn der Karlsplatz ist ein Verkehrsknoten-
punkt, und es wäre, immerhin - nicht ausge-
schlossen, daß die Dame hier die Tram oder
ein Auto bestiege.

Eduard wirft nachdrücklich die Zigarette
weg und sich selbst in Positur. Er wird ein-
fach sagen, daß eS sonst nicht seine Art ist,
so auf der Straße... — Und was nachher
wird, findet sich schon von selbst. Er macht
ein paar lange, zielbewußte Schritte und —
rennt dabei fast eine andere Dame uni. „Ent-
schul — —" — das Wort bleibt ihm im
Halse stecken. Er ist erschüttert. Denn diese
andere Dame ist seine leibhaftige Frau. Und
die ist auch ganz verdattert und sagt nichts.
„Wo — wo warst du?" stammelt endlich
Eduard. „In der Oper" sagt sie, und zwar
so, als wolle sie eben ihre Seele aushauchen.

Da geht ganz nahe an den beiden ein ele-
ganter, großer Herr vorbei, der Eduards
Frau erstaunt ins Gesicht schaut. Er zuckt die
Achseln, zündet sich eine Zigarette an, wendet
sich noch einmal um und — ist schon ent-
schwunden.

J. Macon

Sie fragte ihn, den Philosophen der Gegenwart: „Wie stehen Sie zu Gott?“
Der Philosoph erwiderte: „Nicht in der Opposition“.

Eduard hat ihn gar nicht bemerkt, denn er
sah drüben am Eck eine fesche, junge Dame
sich kurz einmal nach ihm umdrehen und gleich
drauf im Gewühl untertauchen.

„Fahren wir heim, da steht gerade unsere
Straßenbahn", sagt Eduard zu seiner Frau.
„Nett, daß wir uns hier getroffen haben",
sagt Eduards Frau, bind das Paar steigt ein.

VATER UND SÖHNE

Siebs hat sieben JungenS. Im Alter von
zwölf bis neunzehn.

Abends am Familientifch haut der Älteste mit
der Zeitung auf den Tisch und liest die Schlag-
zeile vor:

„Verbot von Ozeanflügen für einmotorige
Sportflugzeuge! Verbot durch Reichsgesetz!"

Schaut Papa Siebs über die Teetasse auf
seine sieben Söhne und sagt:

„Ganz recht! Auf mich horcht ihr ja doch
nicht!" T-s

„Mein lieber Junge", sprach der alte, er-
fahrene Einbrecher zu seinem Sohn, der den-
selben — derzeit wenig aussichtsreichen Beruf
gewählt hatte, „glaube mir: ein tüchtiger

Schränker muß vor allem bescheiden und ge-
nügsam sein. Drum rate ich dir: kümmere
dich nicht um die schweren, eisernen Kassen,
wenn du mal ein Ding drehst! Begnüge dich
lieber mit den kleinen, unansehnlichen Porto-
kassen! Die sind erstens viel leichter aufzu-
kriegen, und zweitens findest du auch eher Geld
drin." Spt.

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Register
Julius Macon: Gespräch unterm Gipfelkreuz
Rudolf Rentsch: Kleine Tragödie
Spt.: Väter und Söhne
T-s: Väter und Söhne
 
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