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38. JAHRGANG

G

E

N

1 9 3 3 / NR. 44

Die Leich

Line lustige Nünchener Geschichte
von Martin Lankes

Man war mit dem Abendessen zu Ende,
als sich'ö Franz Xaver Käsbohrer, seines
Zeichens Bäckermeister, ans dem ziemlich ab-
gewetzten Divan gemütlich machte.

„Wo is'n Zeitung?" fragte er und suchte
dabei nach seinem Zwicker.

„Peppi, tua aan Vatta'n Zeitung hi'."

„bind mei'n Zwicka aa. Der muaß in der
Schublad'n lieg'n."

Peppi, der Sohn der Familie Käöbohrer,
faltete die auf einem Stuhl liegende auseinan-
dergerissene Zeitung notdürftig zusammen und
brachte sie dem Vater.

„Wia schaugt'n dee wieda aus. Wenn nur
dee Leit Zeitung lesen kunnt'n, lvia sich's
g'hort. Da Trumm iS hint'n, oanS iS vorn."

Herr Käsbohrer klemmte den Zwicker ziem-
lich weit vorne auf die Nase und begann zu
lesen.

Die erste Seite der Zeitung überschlug er
und fing gleich aus der dritten mit dem lokalen
Teil an.

„Ham's scho' wieder amoi oane übersahr'n.
Aa Frau natürlich. Wunda
waar's ja net, mit dene HundS-
schnaufal. Und grod renna
teanS. Maa möcht scho moana,
wia wichtig daß aaS hätt'n."

„Wenn no oana glei hi iS,
nachat geht's oiwei no, awa
wenn oana leid'n muaß oder
wenn maa oan s' ganz Leb'n
lang ois Krüppe nachat Hot."

Unterm Strich las er eine fett-
gedruckte Stelle: „Don Carlos,

Aufführung im Prinzregenten-
«theater."

„Dos iS nix für unferoanö"
und blätterte um.

Jetzt kamen die Gestorbenen;
diese Seite verfolgte er seit jeher
aufmerksam.

„Maa g'freit sich aa, wenn
ma wieda aan Bekannt'n drunta
trifft", pflegte er über diesen Teil
zu fugen.

Plötzlich heftete sich sein Blick
auf einen Namen.

„Wos? Daa Me! fl?..."

„Daa ... da ... Meist waar
g'storb'n. Statt Karten. In
Gotteö unerforfchlichem Ratschluß
ist es gelegen, meinen lieben Gat-
ten Anton Meist, Privatier...

München..."

„Ja gibt's denn dös aa, daa Meist is „Ja freili. I moan i sig'n awei no..."
g'storb'n. .." „Aa bissal z'tiaf neig'schaut Hot aa schon

„WoS daa Meist?" wunderte sich seine allaweil. Wenn koana bsuffa war, daa Meist

war's bestimmt. Derr Herr hob ihn selig, aba

dös viele Trinken hod koan Sinn."

*

Es war zwei Uhr nachmittags am Tage
der Beerdigung des Privatiers Anton Meist.

Franz Xaver Käsbohrer faß in der Tram-
bahn.

„Nächste Haltestelle Goetheplatz", rief der
Schaffner. Der Wagen hielt.

„Aussteig'n lassn zerscht. Soo... Loss'n S'
Meist, ha, haa... ja do schaug her, daaa doch zerscht dee Frau aussteig'n", herrschte der

Meist. .." Schaffner einen dicken, behäbigen Mann im

„Wann is'n d' Leich?" erkundigte sich seine Zylinder, der einsteigen wollte, an.

Frau. „Entschuidigens, daß i geboren bin, Herr

„Beerdigung: Donnerstag, den Z0. Juli, Nachbar, net wahr, aba bei mir prefsiert's."

nachmittags. Hoaßt jetzt dös zwei oder drei. „JesfaS daa Mittenzwei! Do sitz dö Hera."
Drei Uhr im Waldfriedhof." „Do bist ja, Käsbohrer, dös trifft fö guat...

„Ja, wos iS denn dös, daa Meist. WoS (Moanst dö waar obakumma? Net um's

konn denn dem gfoit hob'n. Aa Schlagal viel- Sterb'n. Wia maa fö nur so blöd g'stelln

Frau.

„Do stehtö, schau nur grod her!"

„Der mit dem Kropf?" fragte die KäS-
bohrerin.

„Ja, jetzt dös iS guat, daa Meist..."

„Der war doch no ganz guat beinand"
meinte die Käsbohrerin.

„Do stgst aaS, wia schnoi daß geh ko."
„Der war doch no koane fünfasechz'g Johr;
er iS hoit zwa Johr jünga g'wen wia i. Daa

leicht?"

>Do muaßt fei scho af d' Leich geh Vatta."

ko)."

Ein Busser

Walter Busch

Na, wos sogst jetzt da dazua zum Meist?"
fragte Xaver Käsbohrer.

„Ja mei Liaba, mia Hots konn
kloan Riß geb'n, wia i dei
Kart'n kriagt hob. Er Hot mia
scho nimma so g'foin di letzt
Zeit."

„Ja, ja. So gehts mit un-
ferm menschlichen Leben. Moanst
oiwei woS daa Mensch iS. An
Dreck iß, wia i oiwei sog. An
Blosaara und furt iS aa/

„Aba aa so schnell, haa" kam
Sebastian Mittenzwei immer
noch nicht zurecht.

Sebastian Mittenzwei hielt in
seiner rechten Hand einen Kranz.

„Wiavui hot'n der Kranz
kost?" fragte Käsbohrer.

„Drei Mark fuchz'g. 'Scho
göi?"

„Für dös Goid iS aa schö.
Xaver Käsbohrer ergriff die
Kranzschleife und laS laut: „Letz-
ter Gruß dem teuren Freunde.
„Waldfriedhof!" rief der Schaff-
ner. Der Wagen hielt.

„Derf maa aba auSziag n,
Wastl, daß ma no recht kummn.

Am Eingang der Leichenhalle
fragten sie einen dort stehenden
Arkedhofbeamten, wo der He^'
Meist liege.

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Walter Busch: Ein Busserl
Martin Lankes: Die Leich
 
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