Fleiß greift er so energisch, daß mein ganzer
Koffer sich öffnet.
So öffnet sich mein Koffer also und daraus
heraus fällt natürlich sozusagen allerlei Dreck.
Gestopfte Wäsche, Unterhosen, Seifenstückchen
und anderes Teufelszeug.
Der Portier betrachtet dies alles lange und
wird langsam blaß. Sofort hat er alles ver-
standen!
„Komm hierher, du Schuft", schreit er, „und
zeige mir einmal deinen Paß, du mittelloser
Volksgenosse!"
Ich sage zu ihm:
„Ich verstehe gar nichts. Wenn du aber
keine Zimmer inehr hast, gehe ich weg."
Dann sammle ich schnell inein Eigentum und
bin arich schon aus der Türe.
Michael Sostschenko
(Übertragung von V. A. C h o u t o f f.)
Weiße Mäuse
Auf seinem letzten Südamerikaflug hat der
„Zeppelin" 200 weiße Mäuse aus Deutsch-
land über den Ozean gebracht.
— Wir dachten gar nicht, daß in diesem
Artikel schon wieder .Vachsrage herrscht.
Teha
Wiener Guckkästenbildchen
Seit sünsunddreißig Jahren, es können auch schon sünsundvierzig
sein, kommt der Herr Rat um vier Uhr fünfzehn Minuten in sein
StaiiiiiikasseehailS, hängt Hut und Überrock auf den Kleiderständer,
mustert die anwesenden Gäste, nickt der Schachpartie herablassend
zu und setzt sich an seinen Stammtisch.
Seit sünsunddreißig Jahren, es können auch sünsundvierzig sein,
bringt ihm der alte Ferdinand den Schwarzen, sehr heiß, die Schale
ausbehitzt, die blonde, schon angezündete Virginia, und die Leibblätter.
Seit sünsunddreißig Jahren, es können auch schon sünsundvierzig
sein, hat sich daran nichts geändert; nicht einmal der Kopf der Zei-
tungen, die der Herr Rat liest.
Unlängst aber erscheint der Herr Rat, pünktlich wie immer, hängt
Hut und Überrock aus den Kleiderständer, mustert die anwesenden
Stammgäste, nickt der Schachpartie herablassend zu und sagt zum
alten Ferdinand:
„Ferdinand —"
„Bitt' ergebenst, Herr Rat?"
„Ferdinand, heut bringen S' mir keinen Schwarzen!"
Der alte Ferdinand schaut den Herrn Rat versteinert an.
„Heut bringen S' mir einen kleinen Braunen mit Schlag!"
Der alte Ferdinand schluckt, wischt mit der Serviette über den Tisch,
schüttelt den Kopf, schluckt nochmals und seufzt resigniert:
„Alsdann, Herr Rat, das hätt' ich mir net träumen lassen
Jetzt sangen Sie auch schon an sekkant z'werden!"
II. IC. D.
ieraiur
ev\
Es blüht die Dichtkunst noch in Fülle,
besonders die mit privatesten Werten
und mit der einwärts gerichteten Brille
und den Harfentönen und Schmerzensgärten
Sie spricht nicht laut zur großen Masse,
sie zirpt im Literaturverein.
Beim Täßchen Kaffee, bei Bier vom Fasse
will sie ästhetisch gewürdigt sein.
Der Saal dient auch dem Skatspiel-IClub.
Von ihm stammt Lohengrin überm Klavier.
Doch ein eifrig übender Sängertrupp
mit Rohkostverpflichtung tagt auch noch hiei.
Somit hat Buddha in Gips zu erscheinen,
stets aus der Ecke linkerseits
vom Eingangt und er trifft dort einen
„Frühling der Berge“ im öldruckreiz.
Jn diesem Raume, wo streng neutral
der Geist geselliger Eintracht waltet,
lesen Autoren pro Woche einmal,
was sie mit Hilfe der Muse gestaltet.
Die gute Dame scheint leicht verstaubt.
Hier aber ist man von ihr gebannt
zwischen Buddha und Lohengrin und überhaupt
zwischen lauter So-an-der-Wand.
Hier, wo mans mit den Verzierungen hält
und der Lebensanschauung von Urgroßvätern,
Hier ist man Poet für die ganze Welt
im Umkreis von zehn Metern.
Walther G. F. Lierke
Familienähnlichkeit
Sitzt eine Frau mit einem
kleinen Buberl im Park.
„Ein hübsches Buberl!" sagt
ein Herr. „Gehört es Ihnen?"
„Va — meiner Tochter!"
„Ja, ja", meint der Herr, i
Hab mir's eh glei denkt... Er-
schaut Ihnen nämli gar net
ähnlich . . . Schaut er Ihnerer
Tochter ähnlich, der Klane?"
„Na — des net. .. Aber scho
gar net!"
„Aber dem Vater, net wahr,
ja?" fragt der Herr.
„Jn Vätern?" sagt die Frau
nach einer nachdenklichen Pause,
„i waß net!?"
„Sie wissen es nicht?"
„I bitt Ihnen gar scheu",
kopfschüttelt die Frau, „des ziagt
si jetzt scho zwa Jahrln ..., Mor-
gen iS wieder a Verhandlung —
do wird sa si dann vielleicht
zeig'n, wem des Buberl ähnlich
schaut!"
II. K. B.
Aufreizende Lektüre
„Steh, Bube, steh mir Rechenschaft auf Hieb und Stich! Einer
von uns beiden ist zu viel auf der Welt.“
„Machen Sie doch kein solches Theater. Das haben Sie alles
in den ,Drei Musketieren‘ gelesen.“
760
Koffer sich öffnet.
So öffnet sich mein Koffer also und daraus
heraus fällt natürlich sozusagen allerlei Dreck.
Gestopfte Wäsche, Unterhosen, Seifenstückchen
und anderes Teufelszeug.
Der Portier betrachtet dies alles lange und
wird langsam blaß. Sofort hat er alles ver-
standen!
„Komm hierher, du Schuft", schreit er, „und
zeige mir einmal deinen Paß, du mittelloser
Volksgenosse!"
Ich sage zu ihm:
„Ich verstehe gar nichts. Wenn du aber
keine Zimmer inehr hast, gehe ich weg."
Dann sammle ich schnell inein Eigentum und
bin arich schon aus der Türe.
Michael Sostschenko
(Übertragung von V. A. C h o u t o f f.)
Weiße Mäuse
Auf seinem letzten Südamerikaflug hat der
„Zeppelin" 200 weiße Mäuse aus Deutsch-
land über den Ozean gebracht.
— Wir dachten gar nicht, daß in diesem
Artikel schon wieder .Vachsrage herrscht.
Teha
Wiener Guckkästenbildchen
Seit sünsunddreißig Jahren, es können auch schon sünsundvierzig
sein, kommt der Herr Rat um vier Uhr fünfzehn Minuten in sein
StaiiiiiikasseehailS, hängt Hut und Überrock auf den Kleiderständer,
mustert die anwesenden Gäste, nickt der Schachpartie herablassend
zu und setzt sich an seinen Stammtisch.
Seit sünsunddreißig Jahren, es können auch sünsundvierzig sein,
bringt ihm der alte Ferdinand den Schwarzen, sehr heiß, die Schale
ausbehitzt, die blonde, schon angezündete Virginia, und die Leibblätter.
Seit sünsunddreißig Jahren, es können auch schon sünsundvierzig
sein, hat sich daran nichts geändert; nicht einmal der Kopf der Zei-
tungen, die der Herr Rat liest.
Unlängst aber erscheint der Herr Rat, pünktlich wie immer, hängt
Hut und Überrock aus den Kleiderständer, mustert die anwesenden
Stammgäste, nickt der Schachpartie herablassend zu und sagt zum
alten Ferdinand:
„Ferdinand —"
„Bitt' ergebenst, Herr Rat?"
„Ferdinand, heut bringen S' mir keinen Schwarzen!"
Der alte Ferdinand schaut den Herrn Rat versteinert an.
„Heut bringen S' mir einen kleinen Braunen mit Schlag!"
Der alte Ferdinand schluckt, wischt mit der Serviette über den Tisch,
schüttelt den Kopf, schluckt nochmals und seufzt resigniert:
„Alsdann, Herr Rat, das hätt' ich mir net träumen lassen
Jetzt sangen Sie auch schon an sekkant z'werden!"
II. IC. D.
ieraiur
ev\
Es blüht die Dichtkunst noch in Fülle,
besonders die mit privatesten Werten
und mit der einwärts gerichteten Brille
und den Harfentönen und Schmerzensgärten
Sie spricht nicht laut zur großen Masse,
sie zirpt im Literaturverein.
Beim Täßchen Kaffee, bei Bier vom Fasse
will sie ästhetisch gewürdigt sein.
Der Saal dient auch dem Skatspiel-IClub.
Von ihm stammt Lohengrin überm Klavier.
Doch ein eifrig übender Sängertrupp
mit Rohkostverpflichtung tagt auch noch hiei.
Somit hat Buddha in Gips zu erscheinen,
stets aus der Ecke linkerseits
vom Eingangt und er trifft dort einen
„Frühling der Berge“ im öldruckreiz.
Jn diesem Raume, wo streng neutral
der Geist geselliger Eintracht waltet,
lesen Autoren pro Woche einmal,
was sie mit Hilfe der Muse gestaltet.
Die gute Dame scheint leicht verstaubt.
Hier aber ist man von ihr gebannt
zwischen Buddha und Lohengrin und überhaupt
zwischen lauter So-an-der-Wand.
Hier, wo mans mit den Verzierungen hält
und der Lebensanschauung von Urgroßvätern,
Hier ist man Poet für die ganze Welt
im Umkreis von zehn Metern.
Walther G. F. Lierke
Familienähnlichkeit
Sitzt eine Frau mit einem
kleinen Buberl im Park.
„Ein hübsches Buberl!" sagt
ein Herr. „Gehört es Ihnen?"
„Va — meiner Tochter!"
„Ja, ja", meint der Herr, i
Hab mir's eh glei denkt... Er-
schaut Ihnen nämli gar net
ähnlich . . . Schaut er Ihnerer
Tochter ähnlich, der Klane?"
„Na — des net. .. Aber scho
gar net!"
„Aber dem Vater, net wahr,
ja?" fragt der Herr.
„Jn Vätern?" sagt die Frau
nach einer nachdenklichen Pause,
„i waß net!?"
„Sie wissen es nicht?"
„I bitt Ihnen gar scheu",
kopfschüttelt die Frau, „des ziagt
si jetzt scho zwa Jahrln ..., Mor-
gen iS wieder a Verhandlung —
do wird sa si dann vielleicht
zeig'n, wem des Buberl ähnlich
schaut!"
II. K. B.
Aufreizende Lektüre
„Steh, Bube, steh mir Rechenschaft auf Hieb und Stich! Einer
von uns beiden ist zu viel auf der Welt.“
„Machen Sie doch kein solches Theater. Das haben Sie alles
in den ,Drei Musketieren‘ gelesen.“
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