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Dreimal Eintopfgericht

Von Hans Riebau

3m letzten Monat i)l Direktor Zürkaulen
bei Herrn Schnubbe zu Mittag gewesen.
Menü: Schildkrötensuppe, Seezungen-Filet,

Renntierrücken, Käseauslauf.

Natürlich muß er sich revanchieren, der
Direktor Zürkaulen, und so sitzt denn Schnubbe
und Familie erwartungsvoll am damastgedeckten
Tisch. Das Mädchen bringt eine gewaltige,
dampfende Terrine herein. Die Gesichter von
SchnubbeS aber erstarren: Es ist Linsensuppe
init Kochwurst.

Immerhin, sie essen ein wenig von der
Suppe, und dann warten sie aus den Fisch.
Aber es kommt kein Fisch. „Meine Herrschaf-
ten", sagt Zürkaulen, „Sie werden sich er-
innern, heute haben wir den i. November, und
das Eintopfgericht ist eine obligatorische Ein-
richtung."

„So ein Gauner", denkt Herr Schnubbe,
und laut sagt er: „Ausgezeichnet, Herr Direk-
tor, aber — lind in diesem Augenblick fühlt
er, daß er alles andere als satt ist — „ein
kleiner Nachtisch würde doch den Eintopf-
bestimmungen nicht widersprechen?!"

„Selbstverständlich gibt eS einen Nachtisch",
lächelt Zürkaulen und reicht einen Teller her-
um, auf dem bereits ein Hundertmarkschein
liegt. „Darf ich Sie bitten, meine Herrschaften:
Der Nachtisch ist für die Winterhilfe."

Helft ihm
helfen!

Die Frauen stehen auf der Straße und unter-
halten sich. „Ich koche für Sonntag Bohnen
mit Speck als Eintopfgericht", sagt Frau
Sonnemann.

„Ich Bouillonsuppe, Frikassee mit Kartof-
feln und Pudding", triumphiert Frau Niander.

„Aber das ist doch kein Eintopfgericht!"
schlagen die anderen die Hände über dem Kopf
zusammen.

„Haha", lacht da Frau Niander, „kein Ein-
topfgericht? Ich Hab' doch überhaupt nur
einen Topf!"

*

Es gibt immer noch ein paar Menschen, die
die Zeichen der Zeit nicht begriffen haben. So
auch die Restaurateure Garkol, Bleisewitz und
Küngel. Die Restaurateure Garkol, Bleisewitz
und Küngel haben sich geweigert, die Bestim-
mungen über das Eintopfgericht innezuhalten,
und sie haben gar noch Beleidigungen gegen
Beamte und Funktionäre ausgestoßen.

Die Sache geht ihren Weg, kommt von der
Polizei zum Gericht, und Dr. Schorch wird
mit der richterlichen Hntersuchung beauftragt.
„Die Beleidigungen sind so schwer", sagt der
Amtsgerichtsrat, „daß unter Umständen Über-
weisung an das Sondergericht notwendig ist."

„Ach", schüttelt Dr. Schorch den Kopf, „ich
glaube, ich werde mit den Leuten schon so fertig
werden, ich konstituiere mich einfach als Ein-
t o p f - G e r i ch t."

ZURÜCK ZUR NATUR

VON HANS RIEBAU

Der Marquis de Cenelle hat es nicht mehr ausgehalten. Der Mar-
quis de Cenelle hat den Höllenlärm des Pariser Verkehrs verlassen und
sich auf sein Gut in der Normandie zurückgezogen. Die Ruhe des
Landlebens ist Balsam für seine Nerven, und da der Marquis das
Bedürfnis hat, auch nach außen hin und gleichsam symbolisch die Rück-
kehr zur Natur zu demonstrieren, läßt er sich nicht mehr rasieren, und
nach sechs Wochen schon hat er einen gewaltigen Vollbart.

Hin und wieder nun kommt es vor, daß auch auf dem platten
Lande Geräusche erzeugt werden, die nicht unmittelbar zum Leben und
Weben der Natur gehören. So zum Beispiel, wenn unten im Diener-
ziinmer Geburtstag gefeiert wird, und das Lachen und Kichern hinauf
bis in den ersten Stock dringt. Der Marquis kann so etwas auf den
Tod nicht leiden. Nicht umsonst schließlich hat er das Haus von oben
bis unten mit Tourney-Teppichen belegen und die Fuhrwerke des
Gutes mit Gummirädern versehen lassen. Warum — so fragt er sich
— soll die Organisation der Geräuschlosigkeit ausgerechnet durch die
Undiszipliniertst der Hausangestellten durchbrochen werden?

Der Marquis also ist entschlossen, auch diese Ouelle nerventötenden
LärmS zu verstopfen. Als es eines Tages wieder lustig zugeht da
unten, die Gläser klingen, und daS Lachen der Männer und das
Kreischen der Mädchen plötzlich anschwillt wie eine Lawine, steht er
auf und klingelt. Im Nu wird eS still im HauS, und gleich darauf
betritt der Diener das Zimmer.

„Adolphe", sagt der Marquis, „was treiben Sie da unten? Feiern
Sie ein Fest?"

„Nichts besonderes", stottert Adolphe, „Claire, die Köchin, hat eine
Kusine zu Besuch."

„Hnd warum", fährt der Marquis fort, „ist dieser Besuch nu't so
ungeheuren Lärmausbrüchen verbunden?"

Adolphe schweigt. Aber der Marquis ist unerbittlich: „Ich möchte
es wissen!"

„Wir spielten ein Spiel", flüstert Adolphe.

„Was für ein Spiel?" fragte der Marquis.

Adolphe wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Wir haben Claire
die Augen verbunden und geküßt, und sie — —"

„Nun?"

„Sie mußte raten, wer es gewesen ist."

„Kindsköpfe!" schüttelt der Marquis den Kopf. „Ich werde euch
entlassen müssen. Wie kann man um ein so geistloses Spiel in ein
Gewieher ausbrechen, als ob das HauS Zusammenstürzen soll!"

Adolphe zögert einen Augenblick. „Es war gar nicht so geistlos, das
Spiel", fährt er dann fort. „Denn die ersten beiden Küsse hatte sie
richtig geraten, die Claire, und eS war weiter nichts dabei. Als aber
Jean, der Gärtner, ihr einen Stubenbesen unter die Nase hielt,
hat sie sich furchtbar erschrocken, und dann hat sie gesagt: „Aber nicht
doch, Fedor!" Hnd da erst haben wir gelacht."

Der Marquis überlegt. „Fedor?" murmelt er und streicht sich lang-
sam den Vollbart, „wer in Dreiteufelsnamen heißt denn hier im Haus
Fedor?"

Adolphe holt tief Atem. Dann sagt er: „S i e, Herr Marquis."

Kindergespräch

Peter sitzt ruhig für sich hin
Goldkind läuft auf ihn zu.
„Ich habe etwas Feines ge-
geffen!"

„Was?"

„Riech selbst!", sagt Goldkind.
Sie haucht Peter in die Nase.
Peter sagt:

„Aha — Rettich!"

„Nein", lächelt Goldkind sanft,
„riech richtig!"

Sie haucht nochmals Peter in
die Nase.

Peter sagt:

„Aha — Zwiebel!"

„Falsch!"

„Was dann?"

Goldkind strahlt selig:
„Erdbeeren!" i.h.r.

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Register
Hans Riebau: Zurück zur Natur
J. H. R.: Kindergespräch
Hans Riebau: Dreimal Eintopfgericht
 
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